Die Psyche zwischen Natur und Gesellschaft. Theorie und Praxis der Psychotherapie im Verhältnis zur Kritischen Theorie und Philosophischen Anthropologie

Die Psyche zwischen Natur und Gesellschaft. Theorie und Praxis der Psychotherapie im Verhältnis zur Kritischen Theorie und Philosophischen Anthropologie

Veranstalter
Sebastian Edinger, Institut für Philosophie, Universität Potsdam; Inga Anderson, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltungsort
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.10.2017 - 14.10.2017
Deadline
28.07.2017
Website
Von
Inga Anderson

Die geplante Konferenz macht es sich zur Aufgabe, das Verhältnis der Philosophischen Anthropologie und der Kritischen Theorie zur Psychotherapie zu untersuchen.
Psychotherapie, anders als die beiden philosophischen Strömungen eine institutionalisierte Praxis und als solche eine wirkmächtige soziale Instanz, wird dabei verstanden als Oberbegriff für steuernde Eingriffe in das psychische Leben von Personen. Diese Eingriffe verfolgen einerseits das Ziel, Verhaltenskoordination strategisch (in der Ermöglichung spezifischer Freiräume) oder emanzipatorisch (in der Gewinnung bzw. Wiedergewinnung grundlegender Verhaltensspielräume und -dispositionen) zu beeinflussen, andererseits dienen sie dazu, Symptome bzw. Leidensdruck zu lindern.
Für die Psychotherapie maßgebend ist ihr therapeutischer Erfolg, sei dieser integrativer und emanzipatorischer oder im engeren Sinne medizinischer Natur. Worin genau dieser Erfolg aber bestehe und was die Psyche sei, welcher Status ihr in der personalen Individuation zukomme, ob und wie sie letztlich das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft als selber von beiden Instanzen Bestimmtes bestimme, sind Fragen, denen wir nachgehen möchte. Stellt man diese Frage, so betritt man zugleich das Terrain der Anthropologie wie das der Gesellschaftstheorie, denn die Psychotherapie kann nicht in anthropologischer Neutralität, d. h. ohne grundlegende Annahmen über die menschliche Natur und menschliche Charakter- und Verhaltensdispositionen agieren. Zugleich kann sie nicht in einem gesellschaftlich neutralen Raum und außerhalb eines gesellschaftlichen Horizonts agieren: Sie agiert innerhalb der Gesellschaft auf der Grundlage gesellschaftlicher Normen und im Horizont eines nicht ausschließlich, jedoch unweigerlich auch gesellschaftlichen Auftrags.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Psychotherapie in der Kritischen Theorie vielfach thematisiert und problematisiert wurde. Bei Autoren wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse findet sich eine recht bekannte Auseinandersetzung mit psychoanalytischem Revisionismus, welcher auch Teil einer inner-psychoanalytischen Auseinandersetzung ist. Jürgen Habermas’ "Theorie des kommunikativen Handelns" enthält grundlegende Andeutungen zu einer Kritik der Psychotherapie bzw. des psychotherapeutischen Paradigmas. Ulrich Sonnemann schließlich hat aus der praktischen Arbeit als Psychotherapeut heraus im amerikanischen Exil eine fundierte Kritik der Psychoanalyse wie auch der Psychotherapie formuliert ("Existence and Therapy"), die die nicht problematisierten Voraussetzungen der Psychologie und Psychotherapie und damit ihre strukturellen Dilemmata bzw. Aporien in den Blick nimmt.
Im Gebiet der Philosophischen Anthropologie hingegen hat eine systematische Auseinandersetzung mit der Psychotherapie bemerkenswerterweise nicht stattgefunden, obwohl sämtliche ihrer Hauptvertreter sich auch – wie auf Seiten der Kritischen Theorie – als Soziologen in soziologisch hochgradig psychologie-affiner Zeit hervorgetan haben. Wir wollen hier daher nicht primär nach dem historischen Verhältnis zwischen der Philosophischen Anthropologie und der Psychotherapie, sondern nach ihrem systematischen Verhältnis fragen. Damit die Psychotherapie ein reales Drittes des tertium comparationis bildet und nicht nur als philologischer Platzhalter fungiert, sind philosophisch informierte Beiträge aus dem Bereich der Psychologie und der Medizin erwünscht, welche mit den systematischen Gehalten der beiden philosophischen Denkrichtungen im Ausgang von neueren psychotherapeutischen Konzepten arbeiten.

Erwünscht sind insbesondere Beiträge, die bei der Durchdringung ihrer Themen Brückenschläge zwischen der Kritischen Theorie und der Philosophischen Anthropologie wagen. Exemplarische Fragestellungen, die dabei bearbeitet werden können, sind die folgenden:
- Welche Menschen- und Gesellschaftsbilder transportieren bestimmte Therapiemodelle?
- Welche anthropologischen oder gesellschaftlichen Voraussetzungen generalisieren sie bewusst oder unbewusst? Welche Generalisierungen prolongieren sie und welche kritisieren sie?
- Welche ideengeschichtlichen Transformationen anthropologischer und gesellschaftlicher bzw. gesellschaftstheoretischer Art lassen sich im historischen Wandel psychotherapeutischer Konzepte aufweisen?
- Welche kritischen Einwände gegen psychotherapeutische Modelle oder Psychotherapie als Projekt im Ganzen haben die Philosophische Anthropologie und/oder Kritische Theorie hervorgebracht und wie sind diese grundsätzlich oder mittlerweile zu bewerten?
- Welches sind der Philosophischen Anthropologie und der Kritischen Theorie zufolge die Möglichkeiten und Grenzen von Psychotherapie? An welchen Modellen lassen diese sich bestimmen und kritisieren?
- In Anbetracht des Begriffs des „therapeutischen Philosophierens“ und des jüngeren Phänomens der philosophischen Gesprächspraxis: Wie verhalten sich Philosophie und Psychotherapie als emanzipatorische Diskursformen zueinander? Stehen sie in einem Konkurrenz- oder Ergänzungsverhältnis und welche Rolle spielen für die Bestimmung dieses Verhältnisses die grundlegenden Fragen der Philosophischen Anthropologie und der Kritischen Theorie?

Bitte senden Sie Ihr Abstract mit max. 2000 Zeichen sowie einen kurzen CV (ca. 100 Wörter) bis zum 28. Juli 2017 an folgende Adressen:
sebastian_edinger(AT)web.de
inga.anderson(AT)hu-berlin.de

Über die Annahme Ihres Beitrags werden wir Sie innerhalb von wenigen Tagen benachrich-tigen.

Programm

Kontakt

Inga Anderson

Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin, Georgenstraße 47, 10117 Berlin

030 2093 66273

inga.anderson@hu-berlin.de


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Deutsch
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