Zivilisation, Kultur und Barbarei: Geschichte und Wiederkehr fragwürdiger Unterscheidungen

Zivilisation, Kultur und Barbarei: Geschichte und Wiederkehr fragwürdiger Unterscheidungen

Veranstalter
Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT), Universität Stuttgart
Veranstaltungsort
IZKT
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.10.2017 - 28.10.2017
Deadline
18.06.2017
Website
Von
Dr. Felix Heidenreich

Das Internationale Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) lädt jährlich deutsche und französische Doktoranden zu einem interdisziplinären Forschungskolloquium nach Stuttgart. Die Teilnehmer bewerben sich mit ihrem Lebenslauf und einem Exposé ihres Beitrages, der in der Regel aus dem Dissertationsvorhaben erwächst. Moderatorinnen und Moderatoren geben ihnen Hilfestellung und schlagen Brücken zwischen den Themen und Ansätzen. Die Reise- und Übernachtungskosten sowie die Verpflegung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden erstattet. Das Thema 2017 lautet:

Zivilisation, Kultur und Barbarei: Geschichte und Wiederkehr fragwürdiger Unterscheidungen

Aufklärung und Moderne haben sich in rhetorischer Abgrenzung zum Mittelalter als Prozesse des Fortschritts und der Zivilisierung verstanden. Auch das kolonialistische Denken konnte alles Barbarische nach außen projizieren oder eben tatsächlich dort finden. Schon früh wurde indes der Verdacht formuliert, womöglich sei die Unterscheidung zwischen Zivilisation und Barbarei selbst barbarisch. Auch heute scheint dieser Verdacht die Verwendung des Begriffs der Barbarei stark einzuschränken. Und doch gibt es Phänomene eines Verfalls zivilisatorischer Mindeststandards, die die Charakterisierung als „barbarisch“ geradezu erzwingen. Diese sind nicht nur in fernen Ländern oder in spektakulären Verbrechen wie Terroranschlägen zu finden. Auch im Alltag beobachten Betroffene wie Polizeibeamte, Rettungskräfte oder Lehrerinnen und Lehrer eine Verrohung des Umgangs, die beispielsweise die Anwesenheit von Sicherheitspersonal in Notaufnahmen erzwingt. Auch in der politischen Öffentlichkeit werden nicht erst seit Donald Trump bisher für unüberschreitbar gehaltene Linien des zivilen Umgangs übertreten.
Gerade in einem deutsch-französischen Kontext wird indes die Komplexität der Semantik von Zivilisation, Kultur und Barbarei deutlich, weil hier historisch die angeblich bloß artifizielle Zivilisation der vermeintlich authentischen Kultur gegenübergestellt wurde. Dieser Hinweis macht die Ambivalenz der Begriffe deutlich: Zivilisation und Kultur formulieren ein Versprechen, bedeuten aber immer auch Exklusion und muten dem Menschen zu, mit einem „Unbehagen“ (im Sinne Freuds) zu Recht zu kommen – eine Dialektik, die auch in der Debatte über die Political correctness wiederkehrt.
Nicht nur die Soziologie hat die Prozesse der (Selbst-)Zivilisierung des Menschen aus der Perspektive konkurrierender Theorien beschrieben: als Rationalisierung (Max Weber), als „Prozess der Zivilisation“ (Norbert Elias), als „Arbeit an einer gemeinsamen Welt“ (Hannah Arendt), als „Technologie des Selbst“ (Michel Foucault). Auch die Literatur reflektiert über die Scheidelinie zur Barbarei, in den französischen Klassikern des 18. Jahrhunderts, in Reiseberichten, der Kriegsliteratur des 20. Jahrhunderts oder bspw. im Roman des südafrikanischen Nobelpreisträgers J. M. Coetzee „Warten auf die Barbaren“. Die Philosophie hat Theorien der Barbarei entwickelt, die in vielen Fällen eine Verbindung zwischen Technisierung und Verrohung herstellen, zum Beispiel bei Husserl, Heidegger, Arendt oder in Michel Henrys in „La Barbarie“. Auch die Rechts- und Politikwissenschaften diskutieren die Frage, wo die Grenzen einer drastisch formulierenden Meinungsfreiheit enden und wo Volksverhetzung beginnt. Ein interdisziplinärer Austausch verspricht vor diesem Hintergrund fruchtbar zu werden.

Doktorandinnen und Doktoranden werden gebeten bis zum 18. Juni 2017 einen Themenvorschlag mit einer
Zusammenfassung von max. zwei Seiten sowie einen Lebenslauf einzureichen.

Programm

Kontakt

Felix Heidenreich

Geschwister-Scholl-Str. 24
70174 Stuttgart
071168584149

felix.heidenreich@izkt.uni-stuttgart.de


Redaktion
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Deutsch
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