Was bleibt? Bibliothekarische NS-Provenienzforschung und der Umgang mit ihren Ergebnissen

Was bleibt? Bibliothekarische NS-Provenienzforschung und der Umgang mit ihren Ergebnissen

Veranstalter
Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Wien-Graz; Universität Graz; Universitätsbibliothek Graz
Veranstaltungsort
Zentrum für Weiterbildung an der Karl-Franzens-Universität Graz, 8010 Graz, Harrachgasse 23, 2. Stock
Ort
Graz
Land
Austria
Vom - Bis
12.06.2017 - 13.06.2017
Von
Dr. Claudia Kuretsidis-Haider

Seit 2011 wird im Auftrag der Karl-Franzens-Universität Graz an der dortigen Universitätsbibliothek das Projekt „Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz” durchgeführt. Seit 2013 ist die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz mit der Projektabwicklung betraut. Im August 2017 endet das von den SachbearbeiterInnen Mag.a Dr.in Birgit Scholz und Mag. Dr. Markus Helmut Lenhart betreute Forschungsvorhaben. In der am 12. und 13. Juni stattfindenden internationalen Abschlusskonferenz werden die Projektergebnisse mit SachbearbeiterInnen anderer bibliothekarischer NS-Provenienzforschungsprojekte diskutiert.
Während der NS-Zeit wurden politisch und „rassisch” verfolgte BürgerInnen und Institutionen ihrer Besitztümer beraubt. Darunter befanden sich nicht nur wertvolle Gemälde, sondern auch Bücher und sogar ganze Bibliotheken, die auf verschiedenen Wegen – einerseits über Gestapo, Oberfinanzprokuratur und so genannte „Judenauktionen”, andererseits über Dublettentausch, „Geschenke” und Antiquariatskäufe – an öffentliche Bibliotheken gelangt sind und bis heute gelangen können.

Ziel der NS-Provenienzforschung an der Karl-Franzens-Universität war es, solches Buchgut ausfindig zu machen, an die Nachfahren der Enteigneten zurückzugeben und damit einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Große geraubte Sammlungen sind heute oft über mehrere Länder verstreut. Die „einverleibenden” Bibliotheken hatten meist kein Interesse, die Zusammengehörigkeit von Druckschriften einer Sammlung sichtbar zu machen. Hinzu kommt, dass geraubte Bücher, wenn es sich um Dubletten handelte, meist rasch wieder ausgeschieden wurden, so dass zusammengehörige Bestände zerrissen wurden. Heute ist man vielfach um die Rekonstruktion solcher Sammlungen bemüht.

Provenienzforschung bildet nicht nur die Voraussetzung für die Rückgabe gestohlener Kunstwerke und Druckschriften. Sie generiert auch einen ethischen Mehrwert. Als Baustein der Erinnerungsarbeit ist sie Teil eines Prozesses, der unter öffentlicher Beteiligung stattfinden sollte.
Restituierbare Druckschriften repräsentieren für die Provenienzforschung den Idealfall. Doch stellen sie, statistisch gesehen, die Ausnahme dar. In der Praxis überwiegen Vorbesitzvermerke, die sich nach Überprüfung als unverdächtig im Sinne eines Raubgutverdachts erweisen. Um Mehrfachrecherchen in anderen Bibliotheken zu vermeiden, sollten auch diese Ergebnisse sorgfältig dokumentiert werden, wofür es unterschiedliche Herangehensweisen gibt.

Der Hauptfokus der Konferenz „Was bleibt? Bibliothekarische NS-Provenienzforschung und der Umgang mit ihren Ergebnissen” liegt auf der Nutzbarmachung der Arbeitsergebnisse derartiger Projekte und Initiativen. Die Veranstaltung dient der wissenschaftlichen Diskussion über verschiedene technische und inhaltliche Lösungen.

Programm

Montag, 12. Juni 2017

14:00–14:45: Eröffnung
Univ.-Prof.in Dr.in Christa Neuper, Rektorin der Karl-Franzens-Universität Graz
Univ.-Prof. Dr. Peter Scherrer, VR für Forschung und Nachwuchsförderung
HR Dr. Werner Schlacher, Leiter der Universitätsbibliothek Graz
Mag.a Dr.in Claudia Kuretsidis-Haider, Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Wien-Graz

14:45–15:15: Keynote
Murray G. Hall, Institut für Germanistik, Universität Wien
NS-Provenienzforschung. Vergangenheit und Zukunft

15:30–18:00: Verlorene Bibliotheken und deren Rekonstruktion
Moderation: Claudia Kuretsidis-Haider, Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Wien-Graz

Markus Helmut Lenhart / Birgit Scholz, Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Wien-Graz ‒ UBG
Universität Graz: Von Vilnius über Graz nach New York und ins Internet. Ein böhmischer Festtagskalender als Baustein des YIVO Vilna Collections Project

16:15–16:45 Kaffeepause

Regina Zodl, Archiv der WU Wien
Ex libris Leopold Singer – der Weg einer restituierten Büchersammlung ins Museum

Maria Christidis / Gabriele Koiner / Peter Scherrer, Institut für Archäologie, Universität Graz:Kulturgüterraub und der schwierige Weg zur Restitution. Kretische Keramik in der Archäologischen Sammlung der Universität Graz
Dienstag, 13. Juni 2017

9:00–13:00: Vom Mehrwert der Provenienzforschung
Moderation: Winfried Garscha, Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Wien-Graz

Gerald Lamprecht, Centrum für Jüdische Studien, Universität Graz
„Der lange Schatten der Vergangenheit“. Zum schwierigen Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust in Österreich

Rob Tausk, Hilversum, Niederlande
Receiving a book owned by Martha or Hugo Tausk triggered my awakening of recollections

Kaffeepause

Albena Zlatanova, Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
Die Kunst-Datenbank und der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus ‒ Aufgabenfelder in den Bereichen Provenienzforschung und Kunstrestitution

Sabine Kramer, Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
Die Lost Art-Datenbank für Fund- und Suchmeldungen – Dokumentation und Öffentlichkeit

Markus Stumpf, UB Wien, Universität Wien
„Stille“ Restitution – NS-Provenienzforschung im Spannungsfeld von Erinnerungsarbeit und Öffentlichkeitswirksamkeit

13:00–14.30 Uhr: Mittagspause

14:30–18:00 Uhr: Dokumentation von Provenienzforschungs-Ergebnissen
Moderation: Markus Stumpf, UB Wien, Universität Wien

Bernd Reifenberg, UB Philipps-Universität Marburg
Displaced Books. Die Ergebnisse eines frühen bibliothekarischen Raubgut-Projekts und ihre Präsentation im Netz

Pia Schölnberger, Kommission für Provenienzforschung ‒ Albertina
Das Lexikon der österreichischen Provenienzforschung – Abbild eines Netzwerks

Kaffeepause

Sebastian Finsterwalder, Zentral- und Landesbibliothek Berlin Ringo Narewski, UB der Freien Universität Berlin
Looted Cultural Assets – Kooperative Provenienzforschung

Stefan Alker-Windbichler, UB Wien, Universität Wien
Ergebnisse der NS-Provenienzforschung in Bibliothekskatalogen und Discovery-Systemen. Zur aktuellen Situation in Osterreich

18:00: Resümee und Abschluss

Kontakt

Claudia Kuretsidis-Haider

Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

claudia.kuretsidis@nachkriegsjustiz.at

http://www.zeit-geschichte.com/wpckh/2017/04/27/aktuell/
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