Provenienzforschung zu ethnologischen Sammlungen der Kolonialzeit

Provenienzforschung zu ethnologischen Sammlungen der Kolonialzeit

Veranstalter
für die AG Museum der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde: Dr. Larissa Förster (CARMAH, HU, Berlin), Dr. Iris Edenheiser (REM, Mannheim), Sarah Fründt (Universität Freiburg); für das Museum Fünf Kontinente, München: Dr. Hilke Thode-Arora, Dr. Stefan Eisenhofer
Veranstaltungsort
Museum Fünf Kontinente, München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.04.2017 - 08.04.2017
Von
Iris Edenheiser

"Provenienzforschung" ist zu einem zentralen Thema kulturpolitischer Debatten und musealer Arbeit geworden. Während in der Regel von NS-Provenienzforschung die Rede ist, rückte jüngst auch die kolonialzeitliche Herkunft musealer Sammlungen in den Blick. Insbesondere im Rahmen der Planungsprozesse zum Humboldt-Forum erfahren Fragen nach der Provenienz ethnologischer Sammlungen öffentliche und mediale Aufmerksamkeit. Zunehmend wird auch von Staaten, Institutionen und Initiativen aus dem globalen Süden an europäische Museen und Sammlungen die Forderung nach einer sammlungsgeschichtlichen Aufarbeitung ihrer Bestände herangetragen.
Akademischer Hintergrund dieser Tendenz ist die verstärkte Diskussion kolonialer Erwerbsumstände in der Kolonialgeschichts- und Globalgeschichtsschreibung, den museum studies/material culture studies ethnologischer Prägung und den postcolonial studies. Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei Konzepte wie Verflechtungsgeschichte, hybride Räume und Dinge, "verstrickte Objekte", aber auch die Untersuchung von Gewalt-, Unrechts- und Widerstandskontexten, eine kritische Institutionsgeschichte sowie der Fokus auf die agency (Handlungsmacht) lokaler Akteuren und im übertragenen Sinne auch auf die agency von Objekten in der kolonialen Begegnung. Die genannten Konzepte ermöglichen u.a. eine differenziertere Diskussion der Erwerbszusammenhänge jenseits von Dichotomisierungen wie etwa legitimer vs. illegitimer Besitz, Raub vs. Ankauf etc. In diesen Rahmen gestellt, kann (post-)koloniale Provenienzforschung – sowohl durch Fallbeispiele wie durch Systematisierungsansätze – auch einen Beitrag zu globaler (post-)kolonialer Verflechtungsgeschichte, zur Fachgeschichte der Ethnologie und zur Geschichte der Herausbildung der akademischen Disziplinen und ihrer Sammlungen um 1900 leisten.
Die AG Museum der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde und das Museum Fünf Kontinente möchten diesen Desideraten nachgehen, indem sie eine Tagung ausrichten, die die begonnene Diskussion fortsetzt, den Austausch vertieft, Möglichkeiten der Zusammenarbeit exploriert, die Notwendigkeit ethnologischer Expertise, insbesondere die Methode der Feldforschung, bei der Bearbeitung kolonialzeitlicher Sammlungen thematisiert und Strategien der Systematisierung und Institutionalisierung von sammlungshistorischer Forschung diskutiert.
Die Tagung kombiniert dabei klassisches Tagungsformat (erster Tag) und Workshopsituation (zweiter Tag). Am ersten Tag wird durch zwei Panels mit Vorträgen größtmöglicher Input von außen angestrebt – einerseits von internationalen Gästen, die an ihren Häusern bereits Erfahrungen mit Programmen zu kolonialzeitlicher Provenienzforschung gemacht haben, andererseits von deutschen VertreterInnen der NS-Provenienzforschung. Um einen möglichst breiten, transkulturellen Austausch zu ermöglichen, wird der Tag durch eine Paneldiskussion mit deutschen und internationalen Teilnehmern abgeschlossen. Der zweite Tag fokussiert auf die deutsche Situation und wird daher auf Deutsch stattfinden (mit Simultanübersetzung für die englischsprachigen Konferenzteilnehmer). Zudem hat der zweite Tag durchgehend Workshopcharakter: kurze, pointierte Impulsreferate liefern einen Problemaufriss, anschließend wird der Großteil der Zeit für Diskussion zur Verfügung stehen. In der Abschlussdiskussion am zweiten Abend sollen Perspektiven für die Formalisierung von Netzwerken und Kooperationen sowie für weitere Veranstaltungen zu dem Thema exploriert werden.

Programm

FRIDAY, 7.4.

9.00 OPENING

Bruno Richtsfeld (Museum Fünf Kontinente): Welcome

Adelheid Wessler (VW-Stiftung): Welcome

Larissa Förster, Iris Edenheiser, Sarah Fründt (AG Museum) / Hilke Thode-Arora, Stefan Eisenhofer (Museum Fünf Kontinente): Introduction

9.45-13.00 PANEL 1: International perspectives: challenges and options for systematic provenance research
Chair: Sarah Fründt (University College Freiburg)

Amber Kiri Aranui (Te Papa Tongarewa Museum, New Zealand)
The Importance of Working with Communities: Combining Oral History, the Archive and Institutional Knowledge in Provenance Research

Jeremy Silvester (Museums Association of Namibia)
The Africa Accessioned Network: Do museum collections build bridges or barriers?

11.00-11.30 COFFEE BREAK

Eeva-Kristiina Harlin (University of Oulu, Finland)
Recording Sámi Heritage in European Museums – Creating a database for the people

Trevor Isaac (U’mista Cultural Centre, Canada)
The Reciprocal Research Network – Outline and Critical Evaluation

Paul Turnbull (University of Tasmania, Australia)
Mapping Colonial Collecting: the Return, Reconcile, Renew Project

13.30-15.00 LUNCH BREAK

15.00-17.00 PANEL 2: Colonial and Nazi era provenance research compared
Chair: Andrea Bambi (Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

Johanna Poltermann (Bayerische Staatsgemäldesammlungen/AK Provenienzforschung e.V.)
Keine Provenienzforschung ohne internationales Netzwerk – Der Arbeitskreis Prove-nienzforschung e.V. als neues Forum für die ethnologische Provenienzforschung

Gilbert Lupfer (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
Ost-Probleme

Claudia Andratschke (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover und Netzwerk Provenienzfor-schung in Niedersachsen)
Extending networks: from Nazi era provenance research to colonial era provenance re-search

19.00 PANEL DISCUSSION: Challenges and Perspectives
Chair: Barbara Plankensteiner (Museum für Völkerkunde Hamburg)

Wiebke Ahrndt (Übersee-Museum Bremen/Deutscher Museumsbund)

Andrea Bambi (Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

Brigitta Hauser-Schäublin (Universität Göttingen)

Ivan Gaskell (Bard Graduate Center, USA)

Wayne Modest (Research Centre for Material Culture, Netherlands)

21.00 RECEPTION

SATURDAY, 8.4.

9.00-10.30 PANEL 3: Laufende Projekte: Erfahrungen, Desiderate, Möglichkeiten
Chair: Wiebke Ahrndt (Übersee-Museum Bremen/Dt. Museumsbund)

Christian Feest (Frankfurt am Main)
Historische Sammlungsforschung: Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten

Christine Schlott (Leipzig)
Die Forschung zur Provenienz der anthropologischen Sammlung des Museums für Völkerkunde Dresden

Paola Ivanov (Ethnologisches Museum Berlin/Humboldt-Forum)
Ziel shared research – Provenienzforschung am Beispiel der Tansania-Projekte am Eth-nologischen Museum Berlin

Inés de Castro und Gesa Grimme (Linden-Museum Stuttgart)
Annäherungen an ein „Schwieriges Erbe“: Provenienzforschung im Linden-Museum

Christian Jarling (Übersee-Museum Bremen)
Wer suchet, der findet – oder auch nicht … Erste Erfahrungen des Provenienzforschungs-projektes zu den kolonialzeitlichen Sammlungen der ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika am Übersee-Museum Bremen

10.30-11.00 COFFEE BREAK

11.00-12.30 PANEL 4: Provenienz (un)geklärt – und was dann?
Chair: Anne-Maria Brandstetter (Universität Mainz/Ethnografische Studiensammlung)

Eva Raabe (Weltkulturen Museum Frankfurt)
Provenienzforschung als Lösung für Wertkonflikte?

Stefan Eisenhofer und Anne Splettstösser (Museum Fünf Kontinente und Universität Göttingen)
Aurora Postcolonialis - Die Rückforderungsdebatten um den Kameruner Schiffschnabel im Museum Fünf Kontinente

Tina Brüderlin (Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg)
Chancen und Herausforderungen: Repatriierung, Partnerschaft und NAGPRA

Barbara Plankensteiner (Museum für Völkerkunde Hamburg)
Der Benin Dialog

12.30-13.30 LUNCH BREAK

13.30-15.00 PANEL 5: Am Schnittpunkt zur Öffentlichkeit: Provenienzforschung im Ausstellungsbetrieb
Chair: Iris Edenheiser (Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim)

Hilke Thode-Arora (Museum Fünf Kontinente)
Die Ausstellung "From Samoa with Love?" und die Kontextualisierung der Sammlung Marquardt

Alexis von Poser (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)
Die Ausstellung "Heikles Erbe. Koloniale Spuren bis in die Gegenwart" im Landesmuseum Hannover – Ein Versuch des Umgangs mit kolonialen Provenienzen

Margareta von Oswald (Humboldt-Universität zu Berlin)
Provenienz ausstellen. "Objektbiografien" als Experiment auf dem Weg zum Humboldt-Forum

Heike Hartmann (Berlin)
Andererseits. Zum Umgang mit Objekten in „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“

Susanne Wernsing (Freie Kuratorin, Wien/Dresden)
Herkunft ausstellen

15.00-15.15 COFFEE BREAK

15.15-16.00 ABSCHLUSSDISKUSSION/ FINAL DISCUSSION: Wie soll es von hier aus weitergehen? / How to go on from here?

16.00-16.30 FINAL COFFEE

Kontakt

Larissa Förster
CARMAH - Institut für Ethnologie
Humboldt-Universität zu Berlin
larissa.förster@hu-berlin.de

für Tagungsanmeldung:
Hilke Thode-Arora
Museum Fünf Kontinente
Hilke.Thode-Arora@mfv.bayern.de

http://ag-museum.de/index.php und http://www.museum-fuenf-kontinente.de/services/anfahrt.html