Dynamiken der Sicherheit in Russland im Zeitalter von Revolution und Restauration (1790–1840)

Dynamiken der Sicherheit in Russland im Zeitalter von Revolution und Restauration (1790–1840)

Veranstalter
SFB/TRR 138 "Dynamiken der Sicherheit"
Veranstaltungsort
Ort
Gießen
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.03.2017 - 03.03.2017
Website
Von
Iwanov, Iwan; Dietze, Carola

Angesichts der nicht abreißenden Kette terroristischer Anschläge hat das Thema der öffentlichen Sicherheit etwa seit der Jahrtausendwende weltweit eine beispiellose Brisanz erhalten. Dabei stehen die politischen Prognosen von der schwindenden Rolle des Nationalstaats im Widerspruch zur öffentlichen Diskussion über das Gewaltmonopol des Staates und dessen Grundfunktionen.

Doch während Politiker, Politikwissenschaftler und Zeithistoriker an der gesellschaftlichen Debatte aktiv teilnehmen, ergreifen Historiker seltener das Wort. Dabei ist gerade die Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts in vieler Hinsicht auch aus heutiger Perspektive besonders interessant. Denn um 1800 – in einer Zeit also, die als Geburtsstunde der bürgerlichen Gesellschaft und des Nationalstaats gilt – veränderte sich die innenpolitische Sicherheitslage europäischer Staaten dramatisch. Dieser Wandel war nicht nur durch die Auswirkungen der Französischen Revolution auf benachbarte europäische Staaten bedingt, sondern resultierte auch aus der Massenmobilisierung im Kampf für Werte wie Freiheit, Gleichheit und ein geeintes Vaterland infolge der europäischen Befreiungskriege gegen Napoleon. Es war eine Zeit der Demokratisierung politischer Gewalt, in der neue Formen von Gewalt (etwa Revolution und Terrorismus) entstanden.

Die Internationale Tagung des Teilprojekts B04 „Die Sicherheit des Staates und die Sicherheit vor dem Staat in Europa, Russland und den USA im 19. Jahrhundert“ setzt an dieser Stelle ein, indem sie am Beispiel Russlands zu erörtern sucht, wie die monarchischen Regierungen in Europa auf die zahlreichen sozialen, politischen und ideologischen Herausforderungen reagierten, die ihre Legitimität und Fortexistenz in Frage stellten.

Galt das Interesse bei der Erforschung der öffentlichen Sicherheit in Russland bisher vorwiegend der politischen Polizei, wird für die geplante Tagung ein breiter Sicherheitsbegriff zugrunde gelegt. So werden nicht nur neue Aspekte in das alte Forschungsfeld integriert, sondern es ergibt sich dadurch vielmehr eine Chance, die Bedeutung der Sicherheitsproblematik für das russische Staatswesen insgesamt für diesen Zeitraum zu erörtern und damit womöglich auch zu einem besseren Verständnis der politischen Geschichte Russlands im frühen 19. Jahrhundert zu gelangen. Überdies dient solch ein breiter Sicherheitsbegriff dazu, eine interdisziplinäre Diskussion über die engeren Fachgrenzen hinweg anzustoßen.

Programm

Donnerstag, 2. März

9:00 Uhr // Begrüßung und Einführung

Christoph Kampmann, SFB/TRR, Marburg

Nikolaus Katzer, DHI Moskau

Carola Dietze, Gießen / Iwan Iwanov, Gießen
Die Sicherheit des Staates und die Sicherheit vor dem Staat in Europa, Russland und den USA im 19. Jahrhundert: Das Russische Reich als Fallbeispiel.

9:30 Uhr // Sektion 1: Begriffe

Ingrid Schierle, Tübingen
„Ruhe und Sicherheit“: Semantiken von Staatszweckformeln in Russland von Katharina II. bis Alexander I.

Denis Sdvižkov, Moskau
Semantiken der Sicherheit in Russland um 1800 in der Sphäre des Privatlebens.

Moderation: Willibald Steinmetz, Bielefeld

11:00 Uhr // Kaffeepause

11:30 Uhr // Sektion 2: Die Ordnung der Gesellschaft

Tatjana Andreeva, St. Petersburg
Alexander I and Internal Security of the Russian Empire: Government, Secret Societies and the Nobility.

Irina Ružickaja, Moskau
„Villeinage is a powder-keg under the state...“. The Peasant Question in the Reign of Emperor Nicholas I: New Approaches.

Moderation: Stefan Plaggenborg, Bochum

13:00 Uhr // Mittagspause

14:30 Uhr // Sektion 3: Recht und Rechtsprechung

Sylvia Kesper-Biermann, Gießen
Transnationale Zirkulationen strafrechtlicher Sicherheitskonzepte im frühen 19. Jahrhundert. Staatsverbrechen in den Kodifikationsarbeiten für ein russisches Kriminalgesetzbuch.

Olga Edelman, Moskau
Le Comité d'enquête sur les Décembristes: l'organisation des interrogatоires et l’analyse des menaces à la sûreté d'état.

Moderation: Angela Rustemeyer, Bonn

16:00 Uhr // Kaffeepause

16:30 Uhr // Sektion 4: Institutionen

Fjodor Sevastjanov, St. Petersburg
In Search of an Institutional Identity: Coming into Being „haute“ Police’s Security Structure in Times of Alexander I and Nicholas I.

Grigorij Bibikov, Moskau
„Unfortunately, they’re the ones who rules...“: III Section of His Imperial Majesty’s Own Chancellery and Central Government Control over Provincial Authorities in Russia (1820-1840s).

Moderation: Horst Carl, Gießen

18:15 Uhr // Abendvortrag

Alexander M. Martin, Notre Dame, IN
Overcoming Fragmentation: Security in Russia from Catherine II to Alexander I.

Moderation: Thomas Bohn, Gießen

Freitag, 3. März

9:00 Uhr // Sektion 5: Ideologien

Iwan Iwanov, Gießen
Oberflächliche Erziehung, falsche Begriffe. Volksaufklärung und Zensur als Gegenstände der inneren Sicherheitspolitik.

Moderation: Diethelm Klippel, Bayreuth

10:00 Uhr // Sektion 6: Provinzen I (West)

Frank Nesemann, Speyer
Die Integration Finnlands in das Russische Imperium als sicherheits- und raumpolitische Herausforderung.

Moderation: Hans-Jürgen Bömelburg, Gießen

11:00 Uhr // Kaffeepause

11:30 Uhr // Sektion 7: Provinzen II (Ost)

Christian Dettmering, Berlin
Der Einfluss der Kaukasuskriege auf die innere Sicherheit des Reiches.

Dittmar Schorkowitz, Halle
Ethnic Diversity and Imperial Cohesion in Russia: Questions of Institution Building and Security with Reference to Buryat and Kalmyk Integration.

Moderation: Stefan Rohdewald, Gießen

13:00 Uhr // Mittagspause

14:30 Uhr // Sektion 8: Internationale Kooperationen

Andrej Andreev, Moskau
Das Bund christlicher Monarchen: Alexander I. und die russische Konzeption der kollektiven Sicherheit.

Jean Conrad Tyrichter, Frankfurt a. M.
Die Formierung transnationaler Sicherheitsregime im 19. Jahrhundert am Beispiel deutsch-russischer Kooperationen gegen grenzüberschreitende politische Kriminalität, 1815-1848.

Moderation: Wolfram Siemann, München

16:00 Uhr // Kaffeepause

16:30 Uhr // Fazit und Perspektiven

Martin H. Geyer, München

George S. Williamson, Tallahassee, FL

17:00 Uhr // Ende der Tagung

Kontakt

Iwan.Iwanov@geschichte.uni-giessen.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger