„Plagiat“, „unoriginell“, „Imitationskultur“, „Lust am Unechten“, „copy-paste-Niveau“: derartige Schlagwörter prägen unser heutiges zumeist negativ konnotiertes Verständnis von Imitation. Der ‚postmoderne’ Mensch scheint nach Originalität und freier Entfaltung seiner Individualität, nach dem Authentischen selbst zu streben. Dennoch geht – jenseits der Nostalgiewellen der Gegenwart – der dezidiert pejorative Beigeschmack des Imitierens in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen verloren, nachdem jüngst auch aktuelle Fortschrittslogiken, die in der Imitation den Feind jeder Innovation als Motor von Entwicklung und Entfaltung verstanden, durch die Katastrophen des 19. und 20. Jahrhunderts die Vorstellung einer permanenten Modernisierung und Verbesserung der Menschheit als hinterfragbar erkennen lassen mussten. Indes stellt sich das heute mehr denn je Identität suchende Europa auf analytischer Ebene zusätzlich als Patchworkkultur dar, deren Stärke seit dem Mittelalter in der Fähigkeit lag, in ihrem Ursprung ‚fremde‘ Elemente (römisches Recht, aristotelische Philosophie, arabische Medizin und Mathematik etc.) zu adaptieren und in eigenen Kontexten nutzbar zu machen. Das vielschichtige Prinzip der Imitation verfügt damit über ausgesprochen hohe Aktualität.
Die Tagung, die im Rahmen des von der DFG-geförderten Netzwerk „Imitation“ veranstaltet wird, führt die mittelalterlichen Wurzeln dieses Phänomens auf breiter Quellenbasis erhebend, analytisch ergründend und perspektivisch vergleichend zusammen. Heuristisch gehen wir von der Annahme aus, dass die Imitation ein omnipräsentes und unabdingbares kulturelles Prinzip des christlichen Mittelalters darstellte.