Jahrbuch Historische Bildungsforschung 2018

Jahrbuch Historische Bildungsforschung 2018

Veranstalter
Jahrbuch Historische Bildungsforschung
Veranstaltungsort
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.01.2017 -
Website
Von
Joachim Scholz, -, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung / Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung

Jahrbuch für Historische Bildungsforschung 24 (2018)
Call for Papers
für die Teile Schwerpunkt – Abhandlungen – Quellen

Schwerpunkt: Generationen- und Geschlechterverhältnisse in der Kritik: 1968 Revisited.

Redaktionelle Leitung: Meike Sophia Baader & Rita Casale

Aus Anlass des 50. Jubiläums der internationalen Protestbewegung von 1968 nehmen die Beiträge des Jahrbuchs Generationen- und Geschlechterverhältnisse im Kontext von 1968 in den Blick. Mit der Frage nach den Generationenverhältnissen und ihrem Bezug zu Geschlechterverhältnissen liegt der Fokus des Bandes auf einer erziehungs- und bildungsgeschichtlichen Dimension, die in der 68er Forschung lange unterbelichtet war (Baader 2008, Baader/Hermann 2011, Baader 2012, Casale 2016).

1968 wird als Chiffre (Kraushaar 2000) für komplexe gesellschaftliche, kulturelle und politische Umbrüche betrachtet, die in der Forschung in die langen 1960er Jahren eingebettet werden. Diese werden in der deutschsprachigen Historiographie ungefähr von 1953-1973 datiert (ex: Siegfried 2008, S. 15ff), während sie für den italienischen und französischen Kontext bis 1977 ausgedehnt werden (u.a Balestrini/Moroni 1988). Damit können auch Aspekte der Radikalisierung und der politischen Gewalt thematisiert werden, etwa im Zusammenhang mit autonomen Bewegungen, mit der RAF und den Roten Brigaden, die insbesondere in der bildungshistorischen Forschung bislang unübersehbare Leerstellen darstellen. Darüber hinaus ermöglicht die Perspektive auf den Zeitraum von 1953-1977 den Wandel von einer dialektischen Kritik (Descombes 1979) zu einem neuen Verständnis des Politischen wissensgeschichtlich zu analysieren. Dieses ging von dem Begriff der Differenz und dem Angriff auf Autoritäten und auf ihre institutionellen Vertretungen (Familie, Kinderbetreuung, Schule, Universität, Kirche und Staat) aus (Donolo 1968). Differenz und Anti-Autorität sollten sich für die pädagogische Auffassung von Geschlechter- und Generationsverhältnissen im Ausgang von 1968 für einige Jahre durchaus als historisch relevant erweisen. Allerdings stellen sich gerade die Formen und Felder der Kritik an Autoritäten in verschiedenen Ländern recht unterschiedlich dar. Wer sich wie, wann und wo im Kontext welcher Diskurse im Zuge der Historisierung von 1968 (Gilcher-Holtey 1998) wiederum kritisch distanziert, sollte, genau wie die Wellen der Erinnerungskulturen, zugleich Gegenstand von Beiträgen des Jahrbuches sein.

Bislang wurden in der internationalen Forschung zu 1968 als globaler Protestbewegung als Gemeinsamkeiten herausgestellt: 1. Die Kritik am Vietnamkrieg, 2. die Forderung nach Teilhabe und Demokratisierung und 3. die Rolle der Medien (Kastner /Mayer 2008, Frei 2008). Unbestritten ist auch, dass es sich bei den Aufbrüchen von 1968 um Jugendbewegungen (Kraushaar 2000) und eine internationale Jugendkultur (Siegfried 2008) handelte und „Jugend“ als „Träger der Kritik“ adressiert wurde (Gilcher-Holtey 2005, S. 23). In welchen Ländern aber in welcher Hinsicht und bezogen auf welche gesellschaftlichen Felder Generationenkonflikte thematisch wurden, ist bislang in einer vergleichenden Perspektive noch wenig fokussiert und präzisiert. Mit dem gewählten Fokus des Bandes wird das Augenmerk auf die Kritik an Generationen- und Geschlechterverhältnissen als Vorschlag für weitere gemeinsame Dimensionen der internationalen Protestbewegungen gelegt, die durch die Beiträge des Jahrbuchs profiliert und herausgearbeitet werden sollen.

Der Fokussierung von Geschlecht und Generation soll der Analyse von zwei Achsen der Strukturierung gesellschaftlicher Konstellationen dienen. Die Kritik an den traditionellen Geschlechterverhältnissen beinhaltet die Infragestellung des bürgerlichen Geschlechtervertrags (Pateman 1988), der damit verbundenen geschlechtsspezifischen Zuständigkeiten in Erziehungs- und Bildungsprozessen sowie den Anspruch auf die Liberalisierung der Sexualität (Herzog 2013) und die Anerkennung sexueller Vielfalt. Zur Untersuchung des Wandels des Generationsverhältnisses gehören die Problematisierung der Kritik an der Elterngeneration, des generationalen Selbstverständnisses (Passerini 1996) sowie des Verhältnisses zur nachfolgenden Generation (Anna Negri 2009). Als zentraler Aspekt der Analyse des Generationsverhältnisses gilt auch die poststrukturalistisch und psychoanalytisch geprägte Kritik an traditionellen Formen der Wissensbegründung und der Bildungs- und Erziehungseinrichtung sowie die Verabschiedung von einer teleologischen, dem Fortschritt verpflichteten Betrachtung der Historie (Lyotard 1979). Damit werden Fragen angesprochen, die im Rahmen postkolonialer Theorien in Zusammenhang mit dem repräsentativen Charakter der Intellektuellen thematisiert werden (Deleuze/ Foucault 1972, Spivak 1988).

Erwünscht sind Beiträge, die sich mit folgenden Fragen unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Aspekte befassen:

- Wie wurden Generationen- und Geschlechterverhältnisse in verschiedenen Ländern (Ost-West-Nord-Süd) thematisiert?
- Welches Wissens- und Politikverständnis setzte die Kritik traditioneller Geschlechter- und Generationsverhältnisse voraus?
- Welche Erziehungs- und Bildungsinstitutionen sowie Sozialisationsinstanzen rückten ins Visier der Kritik?
- Welche generations- und geschlechterdifferierenden Konzepte und Kritiken werden im wissenschaftlichen Kontext formuliert und retrospektiv revidiert und kritisiert?
- Welche Praktiken und Formationen lassen sich rekonstruieren, in denen neue Geschlechter- und Generationskonstellationen erprobt wurden?
- Welche Formen gegenkultureller Ästhetik wurden entwickelt?
- Welche Distanzierungen und Abgrenzungen von 1968 wurden – insbesondere unter Bezugnahme auf Generationen- und Geschlechterverhältnisse – wann und von wem im welchem Kontext aufgerufen?

Diese Aspekte sollen in dem geplanten Band exemplarisch untersucht und erörtert werden. Erwünscht sind vor allem Beiträge, welche die hervorgehobenen Aspekte in einer inter- und transnati- onalen Perspektive berücksichtigen.

Bitte senden Sie Ihr Exposé mit ca. 3.000 Zeichen bis 15. Januar 2017 per E-mail an die Herausgeberinnen. Die Einladung an die Autor_innen erfolgt Ende Januar. Die Beiträge müssen bis Ende Juli 2017 vorliegen. Die Begutachtung und Überarbeitung der Aufsätze werden bis November 2017 abgeschlossen. Der Band erscheint im Mai 2018.

Herausgeberinnen:

Prof. Dr. Meike Sophia Baader, Universität Hildesheim, baader@uni-hildesheim.de

Prof. Dr. Rita Casale, Universität Wuppertal, casale@uni-wuppertal.de

CfA – Jahrbuch für Historische Bildungsforschung (Yearbook for Research on History of Education) 24 (2018)

Focus: critiques of generational and gender relations: 1968 revisited Meike Sophia Baader and Rita Casale

To mark the 50th anniversary of the international protest movement of 1968, the papers collected in the yearbook will explore generational and gender relations in the context of 1968. This brings into focus a dimension of the history of education that has long been neglected in research on the 1968 movement (Baader 2008, Baader/Hermann 2011, Baader 2012, Casale 2016).

1968 is seen as shorthand (Kraushaar 2000) for a variety of complex social, cultural and political upheavals. Researchers have embedded these upheavals in the notion of the long 1960s, which in German-language historiography date from around 1953 to 1973 (see for example Siegfried 2008, p. 15ff), while in the Italian and French context they are extended to 1977 (see inter alia Balestrini/Moroni 1988). Extending the scope of inquiry in this way also allows themes of radicalisation and political violence to be explored, for example in connection with autonomist movements such as the Baader-Meinhof Group or the Red Brigades, which are conspicuously absent from existing research on the history of education. Moreover, a perspective covering the period from 1953 to 1977 enables an analysis (within the framework of history of knowledge) of the shift from a dialectical critique (Descombes 1979) to a new understanding of the political. This understanding was based on the concept of difference and an attack on authority and its institutional representatives (family, childcare, schools, universities, the church, the state) (Donolo 1968). The themes of difference and opposition to authority would prove to be of great historical significance for the pedagogical understanding of generational and gender relations in the years after 1968. However, the form and scope of the critique of authority varied widely between different countries. The yearbook is also intended to focus on the waves of cultures of remembrance as well as on thinkers who took a critical distance from 1968 in the course of historicisation (Gilcher-Holtey 1998), including how, when and where they did so and in the context of which discourses.

Previous international research into 1968 as a global protest movement has identified the following common features: (1) critique of the Vietnam War, (2) calls for participation and democratisation, (3) the role of the media (Kastner/Mayer 2008, Frei 2008). It is also undisputed that the upheavals of 1968 were driven by youth movements (Kraushaar 2000) and an international youth culture (Siegfried 2008), and that young people were addressed as “agents of critique” (Gilcher-Holtey 2005, p. 23). However, there has been little comparative work to clarify in which countries generational conflicts were thematised, and in what respects and in relation to which social domains this occurred. The yearbook’s chosen focus draws attention to the critique of generational and gender relations as one suggested example of shared dimensions of the international protest movements, which it is hoped that the papers in the yearbook will profile and elaborate on.

The focus on the themes of gender and generation is intended to facilitate an analysis of two dimensions along which social relations were structured. The critique of traditional gender relations included a questioning of the bourgeois sexual contract (Pateman 1988) and the associated gender-specific responsibilities in processes of upbringing and education, as well as demands for sexual liberalisation (Herzog 2013) and recognition of sexual diversity. Investigating the transformation of generational relations involves problematising the 1968 generation’s critique of its parents’ generation, its own self-conception (Passerini 1996) and its relationship with the following generation (Anna Negri 2009). Other central aspects of the analysis of generational relations included the critique (influenced by poststructuralism and psychoanalysis) of traditional forms of epistemic justification and institutions of education and upbringing, and the departure from a teleological view of history that is committed to the idea of progress (Lyotard 1979). This addressed questions that were raised by postcolonial theorists in connection with a critique of the representative character of intellectuals (Deleuze/Foucault 1972, Spivak 1988).

We are looking for abstracts that address the following questions, taking the above-mentioned issues into account:
- How were generational and gender relations thematised in different countries (east/west, north/south)?
- What conception of knowledge and politics was assumed by the critique of traditional generational and gender relations?
- Which socialisation factors and institutions of education/upbringing were the subjects of critique?
- What concepts and critiques that distinguished between genders and generations have been formulated in an academic/scientific context and then retrospectively amended and criticised?
- What practices and formations can be reconstructed that attempted to establish new generational and gender relations?
- What forms of countercultural aesthetics were developed?
- In what ways did thinkers seek to distance or dissociate themselves from 1968, particularly in relation to the issue of generational and gender relations? Which thinkers attempted this, when did they do so and in what context?

The planned volume aims to provide examples of analysis of and debate on these topics. We are especially interested in papers that take inter- or transnational perspectives on these issues.

Please email your abstract to the editors by 15 January 2017. The total length should be approx. 3,000 characters. Invitations to contribute will then be sent to the selected authors by late January. The deadline for papers will be the end of July 2017. The reviewing and revision process will be completed by November 2017. The volume will be published in May 2018.

Editors:

Prof. Meike Sophia Baader, University of Hildesheim, baader@uni-hildesheim.de Prof. Rita Casale, University of Wuppertal, casale@uni-wuppertal.de

Programm

Kontakt

Joachim Scholz (scholz@dipf.de)