Deutsch-Jüdische Geschichte als Beziehungsgeschichte

Deutsch-Jüdische Geschichte als Beziehungsgeschichte

Veranstalter
Institut für die Geschichte der deutschen Juden
Veranstaltungsort
Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGDJ) Beim Schlump 83, 20144 Hamburg 2. OG, Vortragsraum 2-023
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.11.2016 - 18.01.2017
Von
Dagmar Wienrich

Vortragsreihe zu neuen Publikationen aus dem
Institut für die Geschichte der deutschen Juden

Seit 1969 gibt das Instituts für die Geschichte der deutschen Juden die ‚Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden' heraus, die seit 2004 vom Wallstein Verlag in Göttingen betreut werden. Im Verlaufe des Wintersemesters kommen Autorinnen und Autoren zu Wort, die die Ergebnisse aktueller Forschungsprojekte in dieser Buchreihe veröffentlicht haben bzw. deren Arbeiten in der nahen Zukunft erscheinen sollen.

In den fünf Präsentationen stehen ganz unterschiedliche Fragestellungen, Epochen, Regionen sowie Personen im Fokus und kommen verschiedene methodische und theoretische Ansätze zur Geltung.

Eine gemeinsame thematische Klammer verbindet zugleich alle Vorträge, indem diese Aspekten der Beziehungsgeschichte zwischen Juden und Nichtjuden in der deutschen Gesellschaft einen wichtigen Platz einräumen.

Programm

Mittwoch, 2. November 2016 18.30 Uhr
Emanzipation in Stadt und Staat.
Die Judenpolitik in Danzig 1807-1847

Michal Szulc, Potsdam/Jerusalem

1812, 1847/1848, 1869/1871 – Daten, die gerne als Meilensteine im Prozess der rechtlichen Gleichstellung der Juden in Preußen gesehen werden. Was passiert aber dazwischen; inwieweit werden die Emanzipationsakte umgesetzt? Welche sozialen und politischen Kräfte werden dabei tätig? Und nicht zuletzt: Was bietet uns die Lokalperspektive an?

Diesen Fragen geht Michal Szulc anhand des Danziger Falls nach und kommt zu differenzierten Ergebnissen.

Dr. Michal Szulc, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Geschichte (mit Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte) am Historischen Institut der Universität Potsdam, verbringt das akademische Jahr 2016/2017 als Forschungsstipendiat an der Universität Tel Aviv.

Mi 30. November 2016 18.30 Uhr
Eva G. Reichmann. Zeitzeugin und Interpretin der deutschjüdischen
Geschichte im 20. Jahrhundert

Kirsten Heinsohn, Hamburg

Die Soziologin Eva Gabriele Reichmann (1897-1998) gehörte bis zu ihrer Emigration zu den führenden Persönlichkeiten des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. Nach 1945 veröffentlichte sie auch zahlreiche Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden, in denen sie ihren Appell an die Deutschen unterstrich, sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

In ihrem Vortrag stellt Kirsten Heinsohn ausgehend von der Biographie Eva G. Reichmanns deren Geschichtsinterpretation vor, um sie im Vergleich mit anderen Deutungen einzuordnen. In vielerlei Hinsicht stehen die Lebensgeschichte Eva Reichmanns sowie ihre Publikationen paradigmatisch für eine Erzählung deutsch-jüdischer Geschichte, die von der Existenz, nicht von der Vernichtung ausgehend argumentiert.

PD Dr. Kirsten Heinsohn war langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGdJ. An der Universität Kopenhagen war sie als Associate Professor tätig und ist nun stellvertretende Direktorin an der Forschungstelle für Zeitgeschichte. Sie forscht zur Sozial- und Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie zur jüdischen Geschichte.

Mi 14. Dezember 2016 18.30Uhr
Hamburg als Zentrum jüdisch-christlicher Konversionen in der Frühen Neuzeit (1667-1760)

Jutta Braden, Hamburg

Jutta Braden richtet den Blick auf die Geschichte jüdisch-christlicher Konversionen im früh-neuzeitlichen Hamburg. Stadt und Gesellschaft waren in dieser Epoche vom orthodoxen Luthertum bestimmt, das die jüdische Religion für Gotteslästerung und die Bekehrung der Juden zum Christentum für erstrebenswert hielt. Diese Idee manifestierte sich 1667 in Hamburg in einer von dem Orientalisten Esdras Edzardi zur Beförderung der Judenbekehrung begründeten Stiftung. Nach Etablierung dieser im Alten Reich einzigartigen Einrichtung wuchs die Zahl der Konvertiten in der Stadt.

Jutta Braden zeigt, dass diese Grenzgänger zwischen zwei Religionen in der Hamburger Neustadt, dem Hauptwohngebiet der Juden, ein eigenes Segment der Bevölkerung im Randbereich zwischen Judentum und Christentum bildeten.

Dr. Jutta Braden ist Historikerin und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Juden in Hamburg. Neben ihrem neuen Werk, das als Band 47 der Reihe vorliegt, hat sie auch eine Monografie zur Hamburger Judenpolitik in der Frühen Neuzeit verfasst, die bereits 2001 ebenfalls in der Reihe ‚Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden' erschienen ist.

Mittwoch, 11. Januar 2017 18.30 Uhr
Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt.
Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919-1939

Stefanie Fischer, Berlin

Die Nationalsozialisten stießen beim Versuch, Juden aus dem Viehhandel zu verdrängen, an die Grenzen ihrer rassistischen Wirtschaftspolitik. Trotz antisemitischer Propaganda hielten viele Bauern an ihren vertrauten Handelspartnern, den jüdischen Viehhändlern, fest. Tatsächlich zählt der Viehhandel zu den ältesten Tätigkeitsfeldern von Juden in Mitteleuropa.

Stefanie Fischer untersucht erstmals die Bedeutung der jüdischen Viehhändler für den ländlichen Raum. Sie beleuchtet, wie sich das Vertrauensverhältnis zwischen Viehhändlern und Bauern aufbaute und wie lange die wirtschaftlichen Beziehungen unter dem Druck antisemitischer Gewalt und Propaganda Bestand hatten.

Seit 2012 ist Dr. Stefanie Fischer wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam, wo sie sich am Historischen Institut mit jüdischer Geschichte im Nachkriegsdeutschland beschäftigt. Als Visiting Research Associate Professor an der University of Notre Dame, Indiana, lebt und arbeitet sie derzeit in den USA. Ihre Dissertation, die 2014 als Band 42 der Institutsreihe erschienen ist, wurde gleich zweimal international ausgezeichnet.

Mittwoch, 18. Januar 2017 18.30 Uhr
Visionen, Begegnungen, Konflikte. Juden und Christen im Hamburger Bürgertum im 19. Jahrhundert

Inka Le-Huu, Hamburg

Bürgerliche Juden wollten im 19. Jahrhundert nicht nur wie ihre christlichen Nachbarn, sondern vor allem auch mit ihnen leben. Doch wie liefen die jüdisch-christlichen Begegnungen ab, wo fanden Annäherungen statt und welche Hoffnungen und Wünsche verbanden die Bürger damit? Mit einem Blick auf die Hamburger Lokalgeschichte zeichnet Inka Le-Huu am Beispiel einer Person, eines Vereins und einer Debatte die soziale Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert nach. Diese drei Beispiele sollen nicht nur ein tieferes Verständnis des Verbürgerlichungsprozesses der Juden ermöglichen, sondern auch die Entstehung des Bürgertums aus einer neuen Perspektive beleuchten und ein Schlaglicht auf die Entstehung des modernen Antisemitismus werfen.

Dr. Inka Le-Huu lehrt im Arbeitsbereich Public History der Universität Hamburg und ist freie Mitarbeiterin der Stiftung Historische Museen Hamburg. Seit 2014 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGdJ. Für ihre Dissertation, die 2017 erscheinen wird, erhielt sie 2014 den Wolf-Erich-Kellner-Preis für Liberalismusforschung.

Kontakt

http://www.igdj-hh.de
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