Adressat und Adressant. Kommunikationsstrategien im antiken Brief

Adressat und Adressant. Kommunikationsstrategien im antiken Brief

Veranstalter
Prof. Dr. Gernot Michael Müller, Sabine Retsch M.A., Johanna Schenk
Veranstaltungsort
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ostenstraße 26 (Senatssaal), 85072 Eichstätt
Ort
Eichstätt
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.06.2016 - 03.06.2016
Von
Gernot Michael Müller

In der Antike diente der Brief nicht nur dem Austausch von Informationen, sondern er erfüllte darüber hinaus eine Vielzahl weiterer kommunikativer Funktionen, die ihn inhaltlich wie stilistisch zu einer äußerst komplexen Gattung machten. Reflex dieses Befundes ist eine schon früh entstandene Brieftheorie, die ihren Niederschlag in Briefen selbst, aber auch in einigen Traktaten fand. In dieser wurde der Brief einmal als ‚Gespräch unter Abwesenden‘ oder als ‚halbierter Dialog‘ bezeichnet; andererseits wurde ihm die Fähigkeit zuerkannt, ‚Spiegel der Seele‘ zu sein oder Präsenz zwischen den Briefpartnern herzustellen, welche deren räumliche Trennung nachgerade aufzuheben vermochte. Zu diesen in der Theorie genannten Aspekten treten noch vielfältige Formen der Selbstrepräsentation, die häufig bereits ein über den primären Adressaten hinausgehendes breiteres Publikum im Blick hatten.

Diese hier nur angedeuteten vielfältigen kommunikativen Möglichkeiten des antiken Briefs möchte die Tagung näher untersuchen, wobei das zeitliche Spektrum über die ganze griechische und römische Antike bis an die Grenze zum Frühmittelalter reichen soll. Im Zentrum der Untersuchung sollen dabei die grundlegenden Konstituenten eines Briefs, nämlich ‚Adressant‘ bzw. Absender und ‚Adressat‘ stehen. Gefragt werden soll nach dem Verhältnis von Personenkonstellation, Kontext und Kommunikationsstruktur eines Briefs, aber auch wie sich die verschiedenen im antiken Brief zu greifenden kommunikativen Strategien in der textinternen Modellierung von Adressant und Adressat niederschlagen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass möglicherweise nicht nur der direkt im Formular genannte Briefempfänger Ziel der Korrespondenz ist, sondern ein über diesen hinausgehendes Publikum, das somit als ‚Adressat auf zweiter Ebene‘ fungiert. Solche in der Regel implizite Ausdehnung des Empfängerradius erweitert neben dem Funktionsspektrum des Briefs im allgemeinen auch die Gestaltungsoptionen der briefinternen Sprecherinstanzen, zu denen unter anderem die schon angesprochene Selbstdarstellung des Adressanten gegenüber einem größeren Publikum gehört. Die Frage nach der Literarizität von Briefen schließt sich unmittelbar an diesen Aspekt der antiken Briefkultur an.

Programm

Mittwoch, 1. Juni 2016

15.00 Uhr Sabine Retsch und Johanna Schenk (Eichstätt):
Eröffnung der Tagung

I. Materielle Aspekte des antiken Briefs

Diskussionsleitung: Anna Ginestí Rosell (Eichstätt)

15.30 Uhr
Gunnar R. Dumke (Halle-Wittenberg):
„Der Freundschaft stolzes Siegel“. Zur Motivwahl von Adressantensiegeln in ptolemäischer Zeit

16.15 Uhr Kaffeepause

II. Philosophie und Wissensvermittlung im antiken Brief

Diskussionsleitung: Anna Ginestí Rosell (Eichstätt)

16.45 Uhr
Jan Erik Heßler (Würzburg):
ἄφθαρτός μοι περιπάτει καὶ ἡμᾶς ἀφθάρτους διανοοῦ. Korrespondenz unter gottgleichen Freunden und Lehrbriefe in der Schule Epikurs

17.30 Uhr
Vincenzo Damiani (Würzburg):
Das Verhältnis zwischen Adressat und Adressant in der Wissensvermittlung: Kommunikationsstrategien in Briefproömien und Widmungsbriefen


Donnerstag, 2. Juni 2016

III. Themen und kommunikative Strategien in den Briefen Ciceros

Diskussionsleitung: Meike Rühl (Wuppertal)

9.00 Uhr
Tobias Dänzer (Würzburg):
Politik aus der zweiten Reihe: Ciceros Briefe an C. Scribonius Curio

9.45 Uhr
Sabine Retsch (Eichstätt):
Brüderliche Kommunikation in der Antike: Ciceros Briefkorrespondenz mit seinem Bruder Quintus

10.30 Uhr
Kaffeepause

11.00 Uhr
Gregor Bitto (Eichstätt):
Leser in Bcc. Zu den Praefationes von Statius' Silvae

IV. Zur Funktion von Briefen in der Historiographie

Diskussionsleitung: Dennis Pausch (Dresden)

11.45 Uhr
Martin Stöckinger (Berlin):
Briefe in der Historiographie: Adressaten und Adressanten bei Caesar und Sallust

12.30 Uhr
Mittagspause


V. Briefe in augusteischer Zeit: Zur Konstruktion der Dichterpersona bei Horaz

Diskussionsleitung: Dennis Pausch (Dresden)

14.00 Uhr
Alexander Kirichenko (Trier):
Mündlichkeit und Epistolarität in den sermones des Horaz

14.45 Uhr
Johannes Zenk (Bamberg):
Selbstdarstellung oder Belehrung? – Horazens epistula ad Pisones (ars poetica) als Beispiel guter und stimmiger Dichtung

15.30 Uhr
Kaffeepause

VI. Kommunikationsstrukturen und Rollenkonfigurationen bei Plinius d. J. und bei Lukian

Diskussionsleitung: Peter von Möllendorff (Gießen)

16.00 Uhr
Thorsten Fögen (Durham):
Gattungsvielfalt in den Briefen des Jüngeren Plinius: Episteln im Spannungsfeld von ethischer Unterweisung und literarischer Pluri-dimensionalität

16.45 Uhr
Margot Neger (Salzburg):
Die Rolle von Adressaten und epistularum personae in den Briefen des jüngeren Plinius

17.30 Uhr
Markus Hafner (München):
Zur Konstruktion der ‚Lachgemeinschaft‘ in Lukians fiktiven ‚Brief-Fassaden‘


Freitag, 3. Juni 2016

VII. Christliche Verwendungsweisen des Briefes

Diskussionsleitung: Gernot Michael Müller (Eichstätt)

9.00 Uhr
Andrea Taschl-Erber (Graz):
Identitätspolitische Rhetorik im deuteropaulinischen Brief an die Gemeinde in Kolossä

9.45 Uhr
Stephan Witetschek (Freiburg i. Br.):
Offenbarung im Brief. Zur Medialität der Johannesapokalypse und des apokryphen Jakobusbriefes

10.30 Uhr
Kaffeepause

11.00 Uhr
Eva Baumkamp (Münster):
Zur Funktion von Briefen in innergemeindlichen Auseinandersetzungen – Ein Hilfsgesuch spanischer Bischöfe an die nordafrikanische Kirche Mitte des dritten Jahrhunderts

VIII. Strukturen, Strategien und Funktionen des spätantiken Briefes

Diskussionsleitung: Jan Stenger (Glasgow)

11.45 Uhr
Christian Fron (Stuttgart):
Entwicklungsberichte und Empfehlungsschreiben. Kommunikationsstrategien bei der Korrespondenz von Libanios mit Eltern und Kollegen hinsichtlich seiner Schüler

12.30 Uhr
Mittagspause


14.00 Uhr
Tabea L. Meurer (Münster):
Quousque salutationis verba blaterabimus? Epistolographische Nostalgie und vergangenheitsbezogene Identitätsentwürfe in spätantiken senatorischen Briefcorpora

14.45 Uhr
Kaffeepause

Diskussionsleitung: Christian Tornau (Würzburg)

15.15 Uhr
Marie Revellio (Konstanz):
Ins Netz gegangen: Adressatenspezifische Charakteristiken in den Briefen des Hieronymus – eine Textanalyse mittels digitaler Verfahren

16.00 Uhr
Johanna Schenk (Eichstätt):
Der Bischof als Rhetor, oder: Wie reagiert man auf ‚rufschädigende Gerüchte‘? (Alc. Avit. epist. 57)

16.45 Uhr
Abschlussdiskussion

Kontakt

Gernot Michael Prof. Dr. Müller

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86072 Eichstätt
08421/93-21516
08421/9-215290
gernot.mueller@ku.de

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