Orte des Alters und der Pflege – Hospitäler, Heime und Krankenhäuser

Orte des Alters und der Pflege – Hospitäler, Heime und Krankenhäuser

Veranstalter
Verein für Sozialgeschichte der Medizin, Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Stadtgemeinde Bad Radkersburg
Veranstaltungsort
Zehnerhaus
Ort
Bad Radkersburg (Steiermark)
Land
Austria
Vom - Bis
19.05.2016 - 21.05.2016
Website
Von
Elisabeth Lobenwein

Wie es der Titel der Konferenz in Bad Radkersburg (Südsteiermark) andeutet, hat die Tagungsleitung das Themenfeld sehr offen gestaltet, um den aktuell betriebenen intensiven Forschungen in den Bereichen Hospital- und Krankenhaus- sowie Pflegegeschichte gerecht zu werden. Besonders interessant scheint dabei der aktuelle Blick zu sein, die Wandlungen nach und um die Jahrtausendwende zu berücksichtigen. Waren bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Hospitäler und Krankenhäuser mit ihren strengen Hausordnungen vor allem auch Orte der Verwahrung – gegenwärtig geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung –, so stellt sich die Frage, ab wann und in welcher Weise Änderungen eingetreten und wie diese theoretisch zu verorten sind. Pflege zumeist alter Menschen war – zumindest in den Hospitälern – im (Spät-)Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zunächst kein zentraler Aspekt des Alltags, die Insassen und Insassinnen starben in der Regel getröstet durch religiösen Zuspruch, medizinische Hilfe blieb vielfach aus. Geht man hier lediglich von einem Topos aus? Wann und wodurch setzte hier ein Umdenken ein? Wie finanzierte man im Hospital medizinische Fürsorge und Betreuung? Von Interesse ist ferner der Wandlungsprozess vom idealtypischen Hospital zur modernen Seniorenresidenz, welche die Aspekte Altern und Pflege zumindest in der Theorie würdevoll zu verbinden weiß.
Die Schwestern und Brüder der frühneuzeitlichen Krankenhäuser (z. B. Elisabethinnen, Barmherzige Brüder) fokussierten ihre Arbeit auf andere Bereiche, sie gingen davon aus, dass der Mensch nach längerer Pflege ihr Haus im Gegensatz zum Hospital wieder gesünder oder sogar gesundet verlassen konnte. Der Weg zum modernen Krankenhaus, zur Klinik um 1800 war damit vorgezeichnet, in der die (Mit-)Arbeit des Patienten/der Patientin keine Rolle mehr spielen sollte. In den katholisch orientierten Krankenanstalten dominierte hingegen auch im 19. Jahrhundert weiterhin das Gebet als Gegenleistung.
(Pflege-)Heime als Einrichtungen des späten 19. und, vor allem des 20. Jahrhunderts haben in den letzten Jahren aufgrund diverser Skandale viel an ihrem Ruf eingebüßt. Hier bleibt zu fragen, inwieweit sie alte Menschen adäquat versorgen konnten.
Im Rahmen der Tagung sollen das Landeskrankenhaus Bad Radkersburg und das ehemalige Hospital in Oberradkersburg (Gornja Radgona, heute Slowenien) besichtigt werden.

Programm

Donnerstag, 19. Mai 2016

9.00–9.30
Begrüßung und Eröffnung der Tagung
Bürgermeister der Stadt Bad Radkersburg Heinrich Schmidlechner
Elisabeth Lobenwein (Präsidentin des Vereins für Sozialgeschichte der Medizin)
Alfred Stefan Weiß (Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg)

9.30–11.00
Sektion 1: Institutionen und Versorgungsleistungen im Mittelalter
Vorsitz: Beatrix Vreča

Gustav Schäfer (Wien), Infirmerie und medizinisch-pflegerische Behandlung im mittelalterlichen Kloster

Jana Madlen Schütte (Stuttgart), Repräsentation am Krankenbett? Der spätmittelalterliche Patient, seine Heiler und ihr Wissen

Fritz Dross (Erlangen), Leprosorien in Nürnberg als Versorgungsstätten

11.00–11.30 Kaffeepause

11.30–13.00
Sektion 2: Institutionelle Versorgungsleistung in der Frühen Neuzeit
Vorsitz: Elisabeth Lobenwein

Martin Scheutz (Wien), Das Bodenpersonal der Versorgung von Insassen in österreichischen Spitälern der Frühen Neuzeit

Sarah Pichlkastner (Wien), Vom Physikus über den Medizin-Ausspeiser bis zur Krankenwarterin. Medizinische und pflegerische Versorgung im Wiener Bürgerspital und seinen Filialen in der Frühen Neuzeit

Edwin Hamberger (Mühldorf am Inn), Alltag und Pflege im Heiliggeistspital Mühldorf von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart

13.00–14.00 Mittagspause im Zehnerhaus

14.00–15.30
Sektion 3: Versorgungsleistungen von Verwahr- und Krankenhauseinrichtungen der Sattelzeit
Vorsitz: Gerhard Ammerer

Elke Schlenkrich (Frankfurt a. d. Oder), Erste Schritte bei der Umsetzung spezialisierter medizinisch-pflegerischer Versorgungskonzepte in geschlossenen Einrichtungen der Leipziger Armenfürsorge (17.–19. Jahrhundert)

Alexandra Kathrin Stanislaw-Kemenah (Dresden), „Wenn nur wenigstens die Einrichtung im Lazareth so wäre wie im Armenhaus …“. Dresdner Fürsorgeeinrichtungen des 18. und 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Versorgung und Ökonomisierung

Bettina Blessing (Regensburg), Monastische Barmherzigkeit? Die Münchner Spitäler der Barmherzigen Brüder und der Elisabethinerinnen in der Sattelzeit (1750–1809)

15.30–16.00 Kaffeepause

16.00–17.30
Sektion 3: Versorgungsleistungen von Verwahr- und Krankenhauseinrichtungen der Sattelzeit
Vorsitz: Sarah Pichlkastner

Carlos Watzka (Graz), Krankenpflege als soziale Praxis in den Hospitälern der Barmherzigen Brüder in Österreich im 17. und 18. Jahrhundert – was wir darüber wissen, und was nicht

Elke Hammer-Luza (Graz), Medizinische Versorgung und Krankenpflege in Grazer Straf- und Zwangsanstalten (1750–1850)

Nathalie Patricia Soursos (Wien), Die Bettenstiftungen der Wiener Griechen im 18. und 19. Jahrhundert

19.00
Podiumsdiskussion „Krankenhäuser in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie ,krank‘ ist das System in der Steiermark?“
Leitung:
Ass.-Prof. Dr. Ewald Hiebl (freier Mitarbeiter des ORF, Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, Salzburg)

Teilnehmer:
LR Mag. Christopher Drexler (Landesrat für Gesundheit, Wissenschaft, Pflege und Personal, Graz)
Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Tscheliessnigg (Steiermärkische Krankenanstalten, Graz)
ÄDir. Prim. Dr. Bernhard Zirm (Mediziner, Bad Radkersburg)
PD Dr. Fritz Dross (Medizinhistoriker und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte, Erlangen)
PD Dr. Carlos Watzka (Soziologe, Graz)

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Freitag, 20. Mai 2016

8.15–9.45
Sektion 4: Das Alter als Herausforderung der Versorgungsleistung
Vorsitz: Alfred Stefan Weiß

Natalie Lorenz (Innsbruck), Das Spital als Altersrefugium. Alltag und Konflikte alternder Spitalsbewohner/innen im Innsbrucker Stadtspital in der Frühen Neuzeit

Christina Vanja (Kassel), Die Aufnahme alter Menschen in die hessischen Hohen Hospitäler der Frühen Neuzeit

Irmtraut Sahmland (Marburg), Der medizinische Blick auf das Alter und der Lebensabend im Hospital

9.45–10.15 Kaffeepause

10.15–12.15
Sektion 5: Medizinische und pflegerische Versorgung in der Moderne
Vorsitz: Martin Scheutz

Andreas Jüttemann (Berlin), Die preußischen Lungenheilstätten 1863–1964

Isabel Atzl (Berlin), „Der Arzt überlässt die Ausführungen solcher Einspritzungen zuweilen einem Pfleger, zu dem er besonderes Vertrauen hat.“ Die Übergabe medizinischer Tätigkeiten in pflegerische Hände in Krankenanstalten um 1900

Verena Wulf (Düsseldorf), Medizin, Pharmazie und Jüdische Orthodoxie hinter den „Mauern der Barmherzigkeit“. Der rheinische Arzt Moritz (Mosche) Wallach (1866–1957) und das „Allgemeine jüdische Schaare Zedek Krankenhaus zu Jerusalem“

Eberhard Gabriel (Wien), Die typologische Entwicklung psychiatrischer Einrichtungen im Erzherzogtum unter der Enns (Niederösterreich) im 19. Jahrhundert

12.15–14.00 Mittagspause

14.00–15.30
Besichtigung des ehemaligen Spitals in Gornja Radgona (Slowenien, Oberradkersburg) inkl. Vortrag

Alfred Stefan Weiß (Salzburg), Das Spital vor Ort. Die Institution in Radkersburg als Ort des Alterns?

15.30–17.00
Rahmenprogramm in Gornja Radgona (Slowenien, Oberradkersburg)

18.00
Jahreshauptversammlung des Vereins für Sozialgeschichte der Medizin

Samstag, 21. Mai 2016

9.00–10.30
Sektion 6: Formen der Altersversorgung im 20./21. Jahrhundert
Vorsitz: Carlos Watzka

Felicitas Söhner (Ulm), Psychiatrische Versorgung älterer Patienten nach der „Aktion T4“ in Bayerisch-Schwaben

Anders Møller (Kopenhagen), Transforming the Old Age Home

Daniela Wagner (Graz), Alten- und Pflegeheime zwischen Ansprüchen medizinischer Pflege und Lebensweltorientierung

10.30–11.00 Kaffeepause

11.00–12.30
Sektion 6: Formen der Altersversorgung im 20./21. Jahrhundert
Vorsitz: Fritz Dross

Maria Keil (Berlin), Die Entfesselung der Alten. Bettgitter in den Sicherheitsdispositiven der Pflege

Carolin Kollewe (Heidelberg), Alter(n) im eigenen Heim: Assistive Technologien und ihre Rolle in der gegenwärtigen Unterstützung und Pflege alter Menschen

Ulla Kriebernegg (Graz), Putting Age in Its Place: Representations of Institutional Eldercare in Contemporary North American Film and Fiction

12.30–13.00
Sarah Pichlkastner (Wien), Institutionalierte Räume der Pflege. Von „Verwahrung“ bis hin zu „Lebensweltorientierung“ – Schlussdiskussion

Tagungsleitung: Elisabeth Lobenwein, Sarah Pichlkastner, Martin Scheutz, Beatrix Vreča, Carlos Watzka, Alfred Stefan Weiß

Tagungsgebühr: 75 €

Kontakt

Ass.-Prof. Mag. Dr. Alfred Stefan Weiß

alfred.weiss@sbg.ac.at