Kinder machen? Menschliche Reproduktion und Familienplanung im Wertewandel des 20. Jahrhunderts

Kinder machen? Menschliche Reproduktion und Familienplanung im Wertewandel des 20. Jahrhunderts

Veranstalter
Historisches Seminar, Institut für Neuste Geschichte, JGU Mainz
Veranstaltungsort
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.04.2016 - 16.04.2016
Deadline
06.01.2016
Website
Von
Theuke, Theresia; Gembries, Ann-Katrin

Call for Papers

"Nicht nur wegen der Rente – 15 Gründe, jetzt ein Baby zu machen“, titelte FOCUS Online am 05. November 2014 und zählte anschließend Argumente auf, die von der gelungenen Paarbeziehung, über die Rückkehr zum Zauber der Kindheit und dem Bedürfnis nach Dauer, zu sozialen Erwartungshaltungen reichen.

Kinder, so verdeutlicht es der zitierte Artikel, scheinen heute das Resultat einer bewussten, auf Wertsetzungen gründenden Entscheidung zu sein. Medizinisch-technische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, wie beispielsweise die Erfindung des Latex-Präservativs (1930), die Einführung der Anti-Baby-Pille (1961) auf dem freien Markt und die Geburt des ersten durch In-vitro-Fertilisation gezeugten Kindes (1978) führten dazu, dass das Planen, Zeugen und Machen von Kinder zunehmend Gegenstand individueller und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen wurde. Die Frage von wem, wann, wie viele, unter welchen Bedingungen, warum, ob überhaupt Kinder zur Welt gebracht werden sollten, wurde dabei im Laufe der Jahrzehnte sehr unterschiedlich beantwortet und die Entscheidungskompetenz nicht notwendigerweise den Eltern zugesprochen. Vor dem Hintergrund umfassender politischer, ökonomischer und kultureller Transformationen musste das Verhältnis zwischen Machbarem, Wünschenswertem und Erlaubtem vielmehr gesellschaftlich immer wieder neu ausgehandelt werden.

Im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts „Werte und Wertewandel in Moderne und Postmoderne“ lädt die Abteilung Neueste Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität alle Interessierten zu einer Tagung in Mainz ein, die folgender Frage nachgehen will:
Wie verändert sich angesichts neuer medizinisch-technischer Möglichkeiten menschlicher Reproduktion das Denken, Reden und Handeln im Hinblick auf Kinder und Familienplanung? Lassen sich diese Veränderungen in Europa und den USA als ein Wertewandel im 20. Jahrhundert beschreiben?

Aus dieser Fragestellung ergibt sich eine Reihe von Aspekten, die es sich in nationaler und internationaler Perspektive näher zu betrachten lohnt:
Erstens stellt sich die Frage nach inhaltlichen Wertsetzungen: Welche Vorstellungen und Bewertungen herrschten in Bezug auf Sexualität, Fortpflanzung, Schwangerschaft, Embryo und Geburt und wie änderten sich diese? Wie dachte man über Familie, Elternschaft und Privatheit? Welche Rolle spielten Religion, Recht und Medizin? Wie wurde das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv gesehen?
Zweitens sollen Verlaufsmuster des Wertewandels herausgearbeitet werden: Handelte es sich um eine lineare, kontinuierliche Entwicklung oder um einen schubhaften, von Brüchen und Gegenbewegungen charakterisierten Prozess?
Welche Rolle spielten drittens gesellschaftliche Akteure (Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Interessensvertretungen, Kirchen, usw.) und ihre Interessen?
Viertens: In welcher Beziehung stand der Wertewandel auf diskursiver Ebene zum Wandel sozialer Praxis (Zunahme empfängnisverhütender Praktiken und wachsender Bedarf an reproduktionsmedizinischen Eingriffen) und zum institutionellen Wandel (Strafrechts- und Familienrechtsreformen…)?

Unsere Tagung möchte insbesondere auch die internationale Dimension des Phänomens in den Blick nehmen. Angesichts der häufig beinahe zeitgleichen Einführung neuer medizinisch-technischer Möglichkeiten der Geburtenregelung in Europa und den USA soll vergleichend untersucht werden, inwiefern es spezifisch nationale Formen im Umgang mit dieser Frage gab und welche transnationalen Trends erkennbar sind. Wo finden sich etwa Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einem katholischen geprägten Land wie Italien, einem laizistischen Staat wie Frankreich, einem Land sozialdemokratisch-protestantischer Tradition wie Schweden, und Ländern, die zeitweise unter faschistischer und kommunistischer Herrschaft gestanden haben wie Deutschland und Ungarn? Welche Vorbildfunktion hatten insbesondere die USA und Großbritannien? Inwiefern spielten transnationale Akteure eine Rolle in den zu untersuchenden Wertewandelsprozessen? Welche Rolle spielten in den verschiedenen Ländern allgemeine gesellschaftliche Umwandlungen wie die Säkularisierung, der demographische Wandel und die Emanzipation der Frauen?

Wir laden alle Interessierten herzlich ein, Beiträge zur Tagung einzuschicken. Vorschläge können sich an den folgenden Eckpunkten orientieren, aber auch andere passende Aspekte beleuchten.
Mögliche Themenfelder:
Empfängnisverhütung, Sterilisation, Abtreibung, Künstliche Befruchtung, Pränataldiagnostik, IVF
Mögliche Untersuchungsschwerpunkte:
Wandel in der sozialen Praxis, Politische Rahmenbedingungen und Aushandlungsprozesse, Diskursiver Wandel in den gesellschaftlichen Debatten, Transnationale Aspekte
Zeitlich-räumlicher Rahmen:
Untersuchungszeitraum: ca. 1920-1990
Geographische Eingrenzung: Europa und USA

Die Tagung richtet sich an Wissenschaftler, die in folgenden Bereichen zu diesen Themen forschen: Kulturgeschichte, Mentalitätsgeschichte, Diskursgeschichte, Geschichte sozialer Bewegungen, Medizingeschichte, Wissensgeschichte, Rechtsgeschichte u.ä.

Deadline
Vorschläge für Beiträge sollten bis zum 06. Januar 2016 in elektronischer Form (500 – 800 Wörter) bei Theresia Theuke (ttheuke@students.uni-mainz.de) und Ann-Katrin Gembries (angembri@uni-mainz.de) eingereicht werden. Kosten für Anreise, Übernachtung und Verpflegung werden übernommen. Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen.

Programm

Kontakt

ttheuke@students.uni-mainz.de
angembri@uni-mainz.de


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