Zeitschrift für Geschichtsdidaktik. Geschichtsdidaktik postkolonial

Zeitschrift für Geschichtsdidaktik. Geschichtsdidaktik postkolonial

Veranstalter
Prof. Dr. Bernd Grewe (Pädagogische Hochschule Freiburg) als Heftherausgeber in Verbindung mit dem Vorstand der Konferenz für Geschichtsdidaktik (KGD)
Veranstaltungsort
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.11.2015 -
Deadline
15.11.2015
Website
Von
Vorstand der Konferenz für Geschichtsdidaktik (KGD)

Themenschwerpunkt: Geschichtsdidaktik postkolonial

Das kulturelle Erbe von Kolonialismus und Imperialismus ist heute noch immer präsent, nicht nur in den ehemaligen Kolonien, sondern auch in den Metropolen, und prägt das Selbstverständnis und Geschichtsbild unserer Kultur weitaus stärker, als uns oft bewusst ist. Die Literaturwissenschaften, Soziologie und Politologie, Kulturgeographie und Globalgeschichte haben durch die Auseinandersetzung mit den Postcolonial Studies wichtige Denkanstöße erfahren, die sich auf Fragestellungen und Forschungsdesign zu den Beziehungen zwischen „dem Westen“ und „dem globalen Süden“ ausgewirkt haben. Die Vertreterinnen und Vertreter der postkolonialen Theorie (Spivak, Said, Mbembe, Chakrabarty, Bhabha) kritisierten zunächst den Diskurs der Moderne (bzw. der Zivilisation), weil dieser auf eurozentrischen Annahmen beruhe und die historischen Entwicklungspfade Europas als universell gültig voraussetze. Der Postkolonialismus ging dabei über die ältere Kolonialkritik hinaus, da er die eurozentrischen Denkmuster und Repräsentationen nicht nur in Frage stellen, sondern sie vollständig überwinden wollte. Denn das europäische (koloniale) Denken ging von einer grundlegend gegensätzlichen und meist hierarchisch gedachten Beziehung zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten aus, selbst dann, wenn der Kolonialismus kritisiert wurde. Man betrachte die Beziehungen zwischen Metropole und Kolonien als eindimensional, weil man die verändernden Impulse stets als von Europäern ausgehend ansehe und die Kolonisierten stets auf die reagierende Rolle reduziere. Der Postkolonialismus betonte indessen die Wechselseitigkeit der historischen Entwicklungen, der Austausch habe auch auf die europäischen Gesellschaften zurückgewirkt und zwar auch kulturell prägend, nicht nur in seiner materiellen Form. Die Entwicklung der europäischen Gesellschaften und Kulturen könne deshalb nicht mehr aus sich selbst heraus verstanden werden (Chakrabarty: „Provincializing Europe“).

In den Forschungen der Postcolonial Studies und der von ihnen inspirierten Disziplinen stehen deshalb eher Verflechtungsprozesse und transkulturelle Identitäten im Mittelpunkt (z.B. von Menschen in Diasporasituationen, hybride Identitäten (Hall, Bhabha)). Die europäisch definierten Begrifflichkeiten und Kategorien der Wissenschaft geraten neu auf den Prüfstand, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Machtasymmetrien und normativen Annahmen reflektiert werden („Fortschritt“ und „Rückständigkeit“, „Hochkultur“, „zivilisiert“ und „primitiv“, „Demokratie“ und „Despotie“, „rational“ und „irrational“, „Kaste“, „Stamm“ usw.). Diese und weitere ähnliche Konzepte liegen aber nach wie vor vielen Narrativen zu Grunde, die unsere Geschichtskultur und auch den Geschichtsunterricht bestimmen. Für eine Geschichtsdidaktik, die sich mit den Fragen des Geschichtsbewusstseins und der Geschichtsvermittlung in einer sehr heterogenen Gesellschaft befasst, stellen sich damit neue Fragen nicht nur in Bezug auf das interkulturelle Lernen, das Prinzip der Alteritätserfahrung und des Fremdverstehens, sondern auch in Bezug auf die beim historischen Denken verwendeten Kategorien. Denn heute kann deren lange fraglos hingenommener Anspruch auf Universalität nicht länger vorausgesetzt werden kann.

Für den 15. Jahrgang der Zeitschrift für Geschichtsdidaktik (ZfGD) ist daher die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe des Kolonialismus eine brennende Frage, deren Konsequenzen weit über das unmittelbare Themenfeld der Kolonialgeschichte hinausweisen. Denn mit dem Postkolonialismus stehen Fragen von (kollektiver) Identität und Identitätszuschreibungen, von Hierarchisierungen und Unterdrückung, von Widerstand, Geschlecht und Migration neu auf der Agenda. Erwünscht sind Beiträge, die sich mit der Bedeutung (post-)kolonialen Denkens für die verschiedenen Arbeitsfelder unserer Disziplin auseinandersetzen:

- Umgang mit dem materiellen Erbe der Kolonialismus in Museen, in der Erinnerungskultur und im öffentlichen Raum;
- theoretische Auseinandersetzung mit Konzepten der Postcolonial Studies in Bezug auf ihre Bedeutung für das historische Lernen und die Prüfung gängiger Denkwerkzeuge, deren kolonialer Gehalt und deren eurozentrische Normativität selten hinterfragt wurden (Periodisierungen, politische Grundbegriffe);
- empirische Untersuchungen zu kolonialistischen und normativer Vorstellungen bei Lernenden und Lehrkräften;
- kritische Untersuchungen gängiger historischer Narrative und Darstellungen (Bilder, Karten) in Lehrwerken sowie in Produkten der Geschichtskultur;
- Aufgabenformate und Beispiele für eine gelungene Umsetzung postkolonialer Ansätze in der Geschichtsvermittlung (Schule, Hochschule, außerschulische Vermittler);
- Verbindung mit neueren Ansätzen (Hybridität, Diversity Studies, Intersektionalität usw.) und neue narrative Konzepte eines kulturell sensiblen Geschichtsunterrichts;
- Suche nach einer gemeinsamen historischen Sinnstiftung, die die (trans-)kulturellen und heterogenen Identitäten der Lernenden nicht außer Acht lässt.

Auch die kommende Jahresausgabe der ZfGD wird wie gewohnt ein „Forum“ enthalten, in dem nicht themengebundene Beiträge publiziert werden können.

Interessenten für die Übernahme eines Beitrages im Themen- bzw. Forumsteil werden gebeten, Kurzexposés (Umfang 1 Seite) bis zum 15. November 2015 beim Heftherausgeber einzureichen. Nach Prüfung des Exposés und Anforderung des Beitrages sollten die Manuskripte bis zum 15. Februar 2016 vorliegen. Der Beitragsumfang ist auf max. 45.000 Zeichen (einschl. Fußnoten und Leerzeichen) begrenzt. Zudem bitten wir um Einsendung eines englischsprachigen Abstracts im Umfang von 800 Zeichen (incl. Leerzeichen). Die Redaktionsrichtlinien können Sie abrufen unter: https://www.historicum.net/fileadmin/sxw/Didaktik/05_Zeitschrift/Redaktionsrichtlinien_ZfGD_01.pdf. Die eingereichten Beiträge werden in einem doppelt anonymisierten Peer-Review-Verfahren begutachtet. Zudem wird ebenfalls bis zum 15. November 2015 um Angebote für Rezensionen zu Neuerscheinungen im Publikationsjahr 2015 gebeten. Der Umfang der Rezensionen ist auf 5.000 Zeichen (incl. Leerzeichen) begrenzt.

Bitte senden Sie Ihr Beitragsexposé bzw. Ihr Rezensionsangebot an den Heftherausgeber.

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Bernd Grewe
Pädagogische Hochschule Freiburg
Institut für Politik- und Geschichtswissenschaft
Kunzenweg 21
79117 Freiburg i. Br.

bernd.grewe@ph-freiburg.de


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Deutsch
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