Ariadne: Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Heft 69: »FrauenBewegung – Geschlechtergeschichte und Sport«

Ariadne: Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Heft 69: »FrauenBewegung – Geschlechtergeschichte und Sport«

Veranstalter
Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung
Veranstaltungsort
Ort
Kassel
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.07.2015 - 08.07.2015
Deadline
08.07.2015
Von
Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung

»Die Frauengeneration, die der Sport erzieht, besteht nicht aus Weibchen und niedlichen Dingern. Persönlichkeit wird die Frau. Das sind Frauen, die ernstgenommen werden wollen, die sich selber ganz ausfüllen. Sie sind nicht mehr ›die Kapsel über einer Leere, die der Mann erst kommen muß zu füllen‹ (Laura Marholm)«, dies schrieb Annemarie Kopp 1927 in einem Kapitel ihrer Diplomarbeit »Frau und Sport«. Die im Zitat anklingende Veränderung der weiblichen Rolle, die sich auch in einem neuen Körperbild ausdrückte, steht in der neuen Nummer der Zeitschrift »Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte« im Zentrum.
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten Frauen ein Körperkonzept, das zu großen Teilen auf Forderungen der Frauenbewegung zurückging und auf ein neues weibliches Selbstverständnis, eine veränderte Körperkultur, neue Rollenbilder und zu erobernde Bewegungs-Freiheiten zielte. Dies wirkte sich auch auf die Entwicklung des Frauensports und die Stärkung von Turnen, Gymnastik, Tanz und »Leibesübung« aus. Doch gesellschaftliche Wertvorstellungen und praktische Hindernisse ‒ wie ungeeignete Kleidung ‒ mussten erst einmal nach und nach aus dem Weg geräumt werden und grundlegend neue Zugänge entwickelt werden. Hier stellt sich insbesondere auch die Frage nach dem Einfluss und der Rolle der organisierten Frauenbewegung auf die Entwicklung des Frauensports.
Kurz nach der Jahrhundertwende machte die pädagogische Gymnastikmethode der Niederländerin Bess Mensendieck auch in Deutschland Furore. Sie hatte nach einem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten eine Form des ästhetischen Turnens entwickelt. Dies führte zum sogenannten Mensendiecken, aus der Überzeugung geboren: »Wo Muskeln sind, soll von Natur aus Bewegung sein«, dass nicht nur der Geist sich ausleben solle, sondern auch der Körper seiner Naturbestimmung gerecht werden müsse.
In den 1920er Jahren wurde die sportliche Betätigung von Frauen zu einem Massenphänomen. Immer mehr Frauen organisierten sich in Vereinen oder Gruppen. Die selbstständige Organisation von Frauen wurde auch deshalb notwendig, weil viele Sportvereine bis in die 1960er Jahre reine Männervereine waren, die explizit keine Frauen aufnahmen bzw. keine Angebote für Frauen und Mädchen unterhielten. Sport etablierte sich als moderne Lebensart/-form. Nicht nur in Vereinen und Verbänden, auch eine spezifische (Hoch-)Schulausbildung für Turnlehrerinnen schloss sich an, sodass zunehmend die sportliche Frauenausbildung auch in eigenen Institutionen durchgeführt wurde. In den Vereinen der Weimarer Republik hielten sich über eine Million Frauen per Turnen, Gymnastik, Tennis, Rudern oder Schwimmen fit. Aber nicht nur die bürgerliche Frau wollte Sport treiben, auch Arbeiterinnen boten sich Möglichkeiten über den Arbeiter-Turn- und Sport-Bund und die Naturfreunde.
Im Spannungsfeld zwischen Freizeit- und Leistungssport eroberten sich Frauen ihren eigenen Platz im Individual- und Gruppensport. Traditionelle männliche Werte und Verhaltensmuster wie Mut, Risikobereitschaft, Aggressivität oder Konkurrenzverhalten wurden nun auch Teil der weiblichen Lebenswelt, auch wenn Frauen lange Zeit von Olympischen Spielen ausgeschlossen blieben bzw. wie im Jahr 1900 ›nur‹ für einzelne Wettbewerbe wie Golf und Tennis zugelassen waren, ohne offizielle Zustimmung der männlichen Gremien. Die sogenannten »Internationalen Frauenspiele«/»Frauenolympiaden« als exklusive Veranstaltungen boten nur ein kurzfristiges Vehikel auf dem Weg zu einer immer größeren Öffnung des Frauensports. Immer mehr Athletinnen konnten an Olympischen Spielen teilnehmen und sich zunehmend mehr Wettbewerbe erstreiten. So traten 1964 die Volleyballerinnen, 1976 die Ruderinnen, 1984 die Rennradfahrerinnen und 1992 die Biathletinnen zum ersten Mal an.
In diesem Heft wollen wir aber nicht nur dem befreienden, bestärkenden Moment der sportlichen Betätigung nachgehen, sondern auch die Formen, in denen Sport von Kontrolle, Disziplin und der Erfüllung einer Norm geprägt sind. Sport als »Fitness-Wahn«, ein Muss zur Erreichung eines optimalen Gewichts, Erhaltung von Jugendlichkeit und Schönheit. Besonders im Nationalsozialismus zeigte sich die exkludierende und disziplinierende Wirkung von Sport, wie er alltagspraktisch im BDM praktiziert wurde oder aber, wie er sich propagandistisch, die »Ästhetik« von »schönen« Körpern betonende Art in den Werken Leni Riefenstahls zeigte und gar als Ausschluss von rassistisch verfolgten Sportlerinnen aus Vereinen und Wettkämpfen.
Wir sind gespannt auf Beiträge, die mit einer frauen- und geschlechtergeschichtlichen Perspektive arbeiten. Vor diesem breit gefächerten Themenfeld von Sport und Frauen- und Geschlechtergeschichte können die Beiträge folgende Schwerpunkte haben

* Geschlechterordnungen im Sport. Leistungssport als männlich konnotiert, typisch männliche/weibliche Sportarten und ihr Verhältnis zueinander, Körperbilder und Vorurteile

* Verknüpfung von Körper- und Geschlechtergeschichte sowie Interdependenz mit gesellschaftlichen Strukturkategorien wie »Rasse«, Alter oder sexuelle Orientierung in der Geschichte des Sports

* Die Entwicklung einzelner Sportarten und ihre geschlechtliche Markierung im 20. Jahrhundert: Fortentwicklungen, Rückschritte, Emanzipation und Kontrolle

* Frauen erobern sich Sportarten oder erfinden welche: von den ersten Bergsteigerinnen, Reiterinnen, Skispringerinnen, Judoka, Hand- und Faustballerinnen, Ruderinnen, dem Aerobic Dance und Ringerinnen

* Von Frauen für Frauen – nur mit Frauen?! Von der Selbstverteidigung bis zum Standardtanz

* Die Rolle der Sportkleidung – von der Beinfreiheit zum kurzen Beachball-Anzug

* Frauen auf professionellen Wegen – Funktionärinnen, Trainerinnen, Team-Ärztinnen Schiedsrichterinnen

* Wann ist die Frau eine Frau im Sport? Von Doping, genetischen Geschlechtstest bis zu technischen und medizinischen Trends

Die Zeitschrift »Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte« wird von der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung herausgegeben und erscheint zwei Mal im Jahr. Im Zentrum der Hefte stehen als Ausgangspunkt immer die (historische) Frauenbewegung des 19. und 20. Jahr-hunderts und die mit dieser Bewegung verbundenen Ideen, Theorien und Praxen. (Siehe www.addf-kassel.de unter »Publikationen«) Wir freuen uns auf entsprechende Artikelvorschläge. Die einzelnen Beiträge haben i.d.R einen Umfang von ca. 38.000 Zeichen, d.h. ca. 10-12 Manuskriptseiten. In Aus-nahmefällen (zum Beispiel für einen einleitenden Artikel) kann von dieser Maßgabe abgesehen werden. Redaktionsschluss ist der 1. Dezember 2015, das Heft erscheint im Mai 2016. Wenn Sie Interesse an der Abfassung eines Artikels haben, reichen Sie uns bitte bis zum 8. Juli 2015 ein aus-sagekräftiges Exposé (1-1½ Seiten) ein. Da sich die genaue inhaltliche Gestaltung des Heftes nach den eingehenden Exposés richtet, reichen Sie bitte auch Aufsatzideen ein, die am Rande des Themas zu liegen scheinen.

Sie können sich auch gerne direkt mit uns in Verbindung setzen, wir stehen Ihnen für weitere Informationen jederzeit zur Verfügung.
Redaktionsteam:
Dr. Kerstin Thieler, Universität Göttingen
Laura Schibbe, Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung
Tel. 0561 - 989 36 70
Bitte richten Sie Ihre Anfragen sowie das Exposé bis zum 8.7.2015 an: schibbe@addf-kassel.de

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Laura Schibbe
Gottschalkstraße 57
34127 Kassel
Tel. 0561 - 989 36 70
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