Aufsätze als Medien der Charakterbildung und Menschenführung in der Spätaufklärung / Essays as media of character building and social engineering in the late Enlightenment

Aufsätze als Medien der Charakterbildung und Menschenführung in der Spätaufklärung / Essays as media of character building and social engineering in the late Enlightenment

Veranstalter
Dr. Markus Meumann / Dr. Olaf Simons, Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt (DFG-Projekt "Illuminatenaufsätze im Kontext der Spätaufklärung: ein unbekanntes Quellenkorpus")
Veranstaltungsort
Schloss Friedenstein, Forschungsbibliothek und Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.06.2015 - 27.06.2015
Deadline
19.06.2015
Von
Markus Meumann

Das Schreiben von Aufsätzen gewann im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts weite Verbreitung nicht allein in den höheren Schulen, sondern auch im intellektuellen Leben. Die zahlreichen Journale der Zeit veröffentlichten Abhandlungen zu ganz unterschiedlichen, häufig auf nützliche Reformen gerichteten Themen; zugleich generierten Preisfragen eine lebhafte Produktion von kürzeren oder längeren Antworten, die separat, in Zeitschriften oder in Sammelbänden publiziert wurden. In den im 18. Jahrhundert in großer Zahl entstehenden Sozietäten wurden nicht nur Reden und Vorträge gehalten, sondern auch Aufsätze verlesen. Das Spektrum der Gesellschaften, die sich an dieser Praxis beteiligten, reicht von Akademien und ökonomisch-patriotischen Gesellschaften über die Freimaurer bis hin zu Geheimbünden wie der Berliner Mittwochsgesellschaft und den Illuminaten.

Unsere Konferenz möchte sich diesem Phänomen des Aufsatzschreibens in der Zeit von ca. 1770 bis 1800 unter besonderer Berücksichtigung der praktischen Zielsetzungen - von der Provokation öffentlicher Debatten bis hin zu den Ansprüchen an Charakterbildung und Menschenführung im Schulunterricht, in Logen und Geheimbünden - widmen. Dabei wird zunächst in einem zeitlich wie thematisch breiteren Zugriff zu fragen sein, wann und in welchen Kontexten das Aufsätzeschreiben aufkam, welche gesellschaftlichen Bereiche es erfasste, warum es nach 1770 solche Verbreitung fand, was seine Vorläufer und Vorbilder waren und in welcher Beziehung es zu verwandten Formen des Schreibens (Übungsbriefe, Denkschriften, Bekenntnis, Essay u.a.) stand. Hier sind insbesondere auch die Verwurzelung des Aufsatzes in rhetorischen Traditionen (Oratorien, Predigten) und deren performatives Weiterwirken in den Blick zu nehmen, wie es im mündlichen Vortrag von Aufsätzen etwa in Logen und Geheimbünden sichtbar wird.

Unser Interesse gilt sodann Themen, medialen Kontexten und den Akteuren von den Autoren bis zu den Lesern: Worüber wurde geschrieben, wie wurden die Themen gewählt (bzw. wer vergab sie?), gab es Beschränkungen oder Traditionen bei der Themenwahl, lassen sich Präferenzen oder gar „typische“ Gegenstände ausmachen? Was war im Rahmen der Gattung „Aufsatz“ überhaupt „sagbar“? Wie verlief die Distribution von Aufsätzen und Themen? Lassen sich größere Rezeptions- und Diskussionszusammenhänge erkennen bzw. rekonstruieren? Was versprachen sich die Initiatoren von Preisfragen und Themenvorgaben, wie wirkten Aufsätze und was sollten sie bewirken, bei ihren Lesern, aber auch gerade bei ihren Autoren? Welche Folgen hatte das Aufsatzschreiben für seine Autoren, im positiven wie im negativen Sinn? War Kritik intendiert, wie wurde sie geäußert und wie mit ihr umgegangen? Sollten Aufsätze der Selbsterforschung und Selbstverbesserung im Sinne aufgeklärten Perfektibilitätsdenkens dienen? Oder erschienen sie bloß als probates Mittel, um Zusammenkünfte inhaltlich zu füllen und Mitglieder zu beschäftigen? Kurz: Inwiefern können das Anfertigen(lassen) und der mündliche Vortrag von Aufsätzen als Praktiken der Menschenführung angesehen werden?

Die Tagung steht allen Interessierten zur Teilnahme offen. Um Voranmeldung bis spätestens zum 19. Juni 2015 wird gebeten.

Programm

Donnerstag, 25. Juni 2015 / Thursday, 25 June 2015
Herzog-Ernst-Kabinett der Forschungsbibliothek Gotha

14.00 – 15.30

Martin Mulsow (Gotha):
Begrüßung / Welcome address

Markus Meumann, Olaf Simons (Gotha):
Einführung / Introduction

Erdmut Jost (Gotha):
Vom „Aufsetzen eines Schreybens“ zur „Kunst, Aufsätze zu verfertigen“. Bemerkungen zur Karriere einer literarischen Gattung (1650–1800)

16.00 – 17.45

Jens Nagel (Gotha):
Glückwünsche, Kondolenz und Schulrhetorik – Die Vorgänger des Schulaufsatzes in der Frühen Neuzeit

Michael Rocher (Halle):
„Fleiß ist die halbe Jugend schon – Liebet ihn: herzlich ist sein Lohn.“
Schüleraufsätze im späten 18. Jahrhundert. Ein moralisches Erziehungsinstrument

18.00 Öffentlicher Abendvortrag / Keynote

John A. McCarthy (Nashville/TN)
Denken, schreiben, lesen, ethisch handeln. Quellen und Kontext der Essayistik der Illuminaten

Freitag, 26. Juni 2015 / Friday, 26 June 2015
Seminarraum des Forschungszentrums Gotha

9.00 – 10.45

Lucinda Martin (Gotha):
Conformity in Nonconformity: Letters in radical Pietist 'Philadelphian' networks

Barbara Becker-Cantarino (Columbus/OH):
Rechenschaft und Kontrolle: Herrnhuter Lebensläufe aus der 'Indianermission' in Nordamerika ca. 1750-1800

11.15 – 13.00

Martin Urman (Berlin):
Zwischen "prix de dévotion" und Wissensreflexion. Die Preisfragen als literarische und epistemische Gattung an den französischen Akademien seit dem späten 17. Jahrhundert

Sebastian Kühn (Hannover):
Feder-Mund-Auge-Ohr. Soziale und epistemische Logiken von Aufsätzen in den naturforschenden Akademien um 1700

13.00 Mittagspause / Lunch break

14.30-16.15

Olaf Simons (Gotha):
Der Illuminatenorden als geheimer Preisrichter: Rudolf Zacharias Beckers öffentliche Preisfragen

Andreas Golob (Graz):
Paratextuelle Einblicke in die Entstehungsbedingungen der multidisziplinären Aufsätze im Anhang der Grazer Bauernzeitung

16.45-18.30

Markus Meumann (Gotha):
„Uibungslogen“. Zur Praxis des Sprechens und Schreibens über vorgegebene Themen in der Freimaurei

Renko Geffarth (Halle):
„es sey beßer aus seiner eigenen Quelle zu schöpfen, u. sich der Deutlichkeit zu befleißigen, u. niemals suchen Räthsel durch Räthsel zu erklären” – Aufsätze bei den Gold- und Rosenkreuzern

Sonnabend, 27. Juni 2015 / Saturday, 27 June 2015
Seminarraum des Forschungszentrums Gotha

9-10.45

Peggy Pawlowski (Cambridge, UK):
Die Mitglieder der Gothaer Illuminatenloge im Spiegel ihrer Ordensaufsätze. Untersuchungen am Kern des Illuminatismus

Anthony Mahler (Tübingen):
Essaying the Body: Illuminati Self-Writing as Dietetic Technology

11.15-13.00

Andrew McKenzie-McHarg (Cambridge, UK):
Invisible Educators: the Role of the Unknown Superiors in the Illuminati Order

Reinhard Markner (Innsbruck):
Unbekannte Gradtexte der Illuminaten

13.00 – 13.30 Schlussdiskussion / Closing discussion

Kontakt

Markus Meumann

Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt
Schloss Friedenstein, D-99867 Gotha
+49(0)361/737-1721
+49(0)361/737-1709
markus.meumann@uni-erfurt.de

http://illuminaten-wiki.uni-erfurt.de/Konferenz:Aufsätze_als_Medien_der_Charakterbildung_und_Menschenführung_in_der_Spätaufklärung
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