Ökonomien tierischer Produktion. Mensch-Nutztier-Beziehungen in industriellen Kontexten

Ökonomien tierischer Produktion. Mensch-Nutztier-Beziehungen in industriellen Kontexten

Veranstalter
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien
Veranstaltungsort
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien, Hanuschgasse 3, A-1010 Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
29.05.2015 - 30.05.2015
Website
Von
Nieradzik, Lukasz

Die kulturwissenschaftliche Erforschung von Mensch-Nutztier-Beziehungen im Kontext industrialisierter Produktion stellt einen blinden Fleck in den deutschsprachigen Human-Animal-Studies dar. Während Haustiere den sozialen Status eines Freundes, Familienmitglieds und Lebenspartners für ihre Besitzerinnen und Besitzer einnehmen, und eine florierende Spielzeug-, Futter- und Freizeitindustrie dem menschlichen Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung, Aufmerksamkeit und Fürsorge ihnen gegenüber Rechnung trägt, sind sogenannte Nutztiere weitestgehend aus dem öffentlichen und privaten Blickfeld geraten. Verglichen mit der Pet-Industrie stellt die Livestock- und Fleischwarenindustrie einen umsatzstärkeren und kostenintesiveren Wirtschaftszweig dar, der mit politischen Entscheidungsprozessen und Lobbyismus eng verflochten ist. Die Ökonomien der Tiernutzung spielen sich jedoch hinter den „Kulissen des gesellschaftlichen Lebens“ (Norbert Elias) ab. Zugleich bedient sich die Lebensmittelindustrie visueller und narrativer Ästhetisierungen und Inszenierungen, die das Leben von Nutztieren romantisieren und deren Tötung euphemisieren. Diese Ambivalenz stellt das Produkt wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Modernisierungen dar, die Tiere, deren Körper wir konsumieren und verwerten, in unsichtbare Geschöpfe und unsere vergessenen „companion animals“ verwandelt haben.

Das Ziel der Tagung ist es, die blinden Flecken der Tierproduktion sichtbar zu machen und die unterschiedlichen theoretischen Perspektiven und methodischen Zugänge zu einem vernachlässigten Forschungsfeld zusammenzubringen. Es sollen Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Grenzen kultur-, sozial- und naturwissenschaftlicher Forschung ausgelotet werden. Die Tagung richtet sich an Forscherinnen und Forscher, die Mensch-Nutztier-Beziehungen im Kontext der Nahrungsmittelproduktion, landwirtschaftlicher und/oder industrieller Nutzung aus einer kulturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen, historischen, ethologischen und/oder naturwissenschaftlichen Perspektive untersuchen.

Für finanzielle Unterstützung gilt unser Dank dem Dekanat der
Historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, dem
Forschungsschwerpunkt "Wirtschaft und Gesellschaft" und der
Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7).
Eine Veranstaltung des Instituts für Europäische Ethnologie der
Universität Wien in Verbindung mit dem Forschungsschwerpunkt "Wirtschaft und Gesellschaft aus historisch-kulturwissenschaftlicher Perspektive" der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Idee, Konzept und Organisation: Lukasz Nieradzik, Brigitta Schmidt-Lauber

Programm

Fr., 29. Mai 2015

Eröffnung
Ab 9.15 Uhr: Tagungsbüro geöffnet

10.00 Uhr:
Begrüßung: Claudia Theune-Vogt (Dekanin der historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät, Universität Wien)

Begrüßung und Einführung: Brigitta Schmidt-Lauber (Vorständin des Instituts für Europäische Ethnologie, Universität Wien) und Lukasz Nieradzik (Wiss. Mitarbeiter, Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien)

10.30-11.30 Uhr:
Öffentlicher Eröffnungsvortrag
Dorothee Brantz (Berlin): Tierische Ökonomien im Industriezeitalter: Eine Annäherung

Mittagspause

Panel „Tiernutzungen I“
13.00-14.15 Uhr
Moderation: Christine Leeb (Wien)

Barbara Wittmann (Regensburg): Vom Mistkratzer zum Käfighuhn. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die deutsche Geflügelwirtschaft zwischen 1948 und 1980

Veronika, Settele (Berlin): Gesellschaftliche Modernisierung im Kuhstall: Zur sozialen, politischen und ökonomischen Aussagekraft der Rinderhaltung im 20. Jahrhundert

Kaffeepause

Panel „Tiernutzungen II“
14.45-16.00 Uhr
Moderation: Alexandra Schwell (Wien)

Jan Taubitz (Erfurt): Aus Pelz – Pelz aus. Der Wandel der Pelzindustrie in den 1980er Jahren

Raffaela Sulzner (Wien): Von den guten Bienen – Bienenstock-Interventionen am Beispiel urbaner Imkerei in Wien

Kaffeepause

Panel „Räume / Zeiten I“
16.30-17.45 Uhr
Moderation: Martin Huth (Wien)

Felix Heinert (Marburg): Der Rigaer städtische Schlachthof, der (koschere) Fleischmarkt und die Aushandlungen des Schlachtzwanges um 1900

Markus Kurth (Hamburg): Ausbruch aus der Schlachthofordnung – Das Ereignis der Flucht als das Außen der industriellen Tierproduktion

18.00-19.00 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag
Ernst Langthaler (St. Pölten/Wien): Tiere mästen und essen: Die Fabrikation des
Fleisch-Komplexes in der Globalisierung
Moderation: Jens Wietschorke (Wien)

Sa., 30. Mai 2015

Öffentliche Vorträge zu Mensch-Nutztier-Beziehungen
9.30-11.00 Uhr
Moderation: Clemens Wischermann (Konstanz)

Keynote Susanne Waiblinger (Wien): Die Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung für eine tiergerechte Nutztierhaltung

Keynote Michaela Fenske (Berlin): Reduktion als Herausforderung. Kulturwissenschaftliche Annäherungen an Nutztiere

Kaffeepause

Panel „Räume / Zeiten II“
11.30-12.45 Uhr
Moderation: Peter Moser (Bern)

Ina Bolinski (Bochum): Von physical zu virtual fences. Zäune als Verhandlungsorte von Mensch-Tier-Beziehungen

Marcel Sebastian (Hamburg): Ambivalenzen der Arbeitssituation und Umgangsweisen von Schlachthofarbeitern

Mittagspause

Panel „Perspektiven / Zugänge“
14.15-16.00 Uhr
Moderation: Stefan Zahlmann (Wien)

Jadon Nisly (Bamberg): Kühe und Mägde in der Seehofer Schweizerei: Mensch-Nutztier-Beziehung in einem fürstbischöflichen Mustergut der Volksaufklärung (1782-1795)

Kerstin Weich (Wien): Sichtbarkeit der Unsichtbarkeit. Zu Repräsentationen von Nutztieren

Christian Dölker (München): Produktive Fragmentierungen – Von nützlichen Tieren zu Haus- und Nutztieren

Kaffeepause

16.30-17.30
Öffentliche Podiumsdiskussion: Ethik der Mensch-Nutztier-Beziehung
Martin Balluch (Wien) und Harald Lemke (Lüneburg/Salzburg)
Moderation: Christoph Winckler (Wien)

17.45-18.15 Uhr
Abschlussdiskussion
Moderation: Lukasz Nieradzik (Wien)

18.30-19.15 Uhr
Tierisch hungrig – Geschichten von Mensch und Tier
frei erzählt von Sven Tjaben (Berlin)

Ausklang bei Wasser, Wein und Brot

Kontakt

Lukasz Nieradzik

Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien, Hanuschgasse 3, A-1010 Wien

lukasz.nieradzik@univie.ac.at