Zeiten der Form, Formen der Zeit. Erste Jahrestagung des Schwerpunktprogramms 1688 "Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne"

Zeiten der Form, Formen der Zeit. Erste Jahrestagung des Schwerpunktprogramms 1688 "Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne"

Veranstalter
Schwerpunktprogramm 1688 "Ästhetische Eigenzeiten. Zeit und Darstellung in der polychronen Moderne"
Veranstaltungsort
Leibniz Universität Hannover, Leibnizhaus, Holzmarkt 4-6, 30159 Hannover
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.02.2015 - 07.02.2015
Von
Bies, Michael

Mit der methodologisch grundlegenden Konzentration des Schwerpunktprogramms "Ästhetische Eigenzeiten" auf unterschiedliche Manifestationen von Zeit in einzelnen Objekten, Objektgruppen oder Subjekt-Objekt-Verbindungen rückt auch die Frage nach dem Verhältnis von Zeit und Form(en) in den Fokus. Zeit ist nicht nur Gegenstand von Darstellungen, sondern auch eine eigene Dimension der jeweiligen Gestaltung, Beobachtung und Deutung von Texten, Kunstwerken, Architekturen, Objekten, Stadtbildern und Landschaften sowie von bearbeiteter oder beobachteter Natur. In Anlehnung an den Sprachwissenschaftler Émile Benveniste hat Giorgio Agamben von "operativer Zeit" gesprochen; er bezeichnete damit die Zeit, über die sich ein Tanz- oder Musikstück erstreckt, aber auch die Rezeptions-Zeit des Zuhörens oder Lesens, die es in Anspruch nimmt.

Die Unhintergehbarkeit dieser operativen Zeit beschränkt sich jedoch nicht allein auf die sogenannten 'Zeitkünste', sondern gilt auch für Bilder und dingliche Artefakte, deren Betrachtung ebenfalls Zeit erfordert und komplexe Zeiterfahrungen anstößt. Insbesondere ästhetische Formverhältnisse sind immer auch Zeitverhältnisse. Im Unterschied zu älteren Formtheorien, die sich an der Dichotomie von Form und Materie (oder Substanz) ausrichteten, dem Paradigma der Prägung folgten und Zeitenthobenheit suggerierten, wird Form daher heute wesentlich als Organisation von Zeit verstanden. Damit wird Form nicht bloß als dynamische Antwort auf vor ihr liegende Nicht-Form gedacht, vielmehr wird ihr eine inhärente und notwendige Zeitdimension zugesprochen – eine konzeptuelle Entscheidung, nach deren Konsequenzen im Rahmen der Tagung gefragt werden soll.

In dieser Perspektive werden Formen als Darstellungen und Vollzüge denkbar, in denen sich Inhalte als Form artikulieren. Form indiziert eine nicht-propositionale Dimension des kulturellen Zeit-Wissens, die, gerade mit Blick auf ihre operativen und eigenzeitliche Gestalt annehmenden Effekte in Kunst, Gesellschaft und Wissenschaft, zu diskursiven Setzungen alltäglicher, sozialer oder wissenschaftlicher Art in ein Verhältnis zu bringen ist. Die Tagung "Zeiten der Form, Formen der Zeit" fragt daher zum einen nach den Zeitverhältnissen, die sich in Formprozessen ergeben bzw. diese konstituieren, zum anderen aber nach den Interferenzen mit einem Zeit-Wissen, das die Gegenstände propositional oder diskursiv verhandelt. Zwar ist dabei den jeweiligen Form-Begriffen und ihrer fachspezifischen Genese Rechnung zu tragen, Ziel der Tagung ist jedoch die Erprobung interdisziplinär handhabbarer 'Form'-Konzepte, in deren Zentrum nicht mehr die Relation von Form und Substanz, sondern das Verhältnis von Form und Zeit (der Unterscheidungs- und Setzungsprozesse) steht.

Programm

Donnerstag, 5. Februar 2015

12.45 Begrüßung

13.00 Panel 1: Formprozesse

(Dirk Oschmann: Anfänge des modernen Formbewusstseins / Ralf Simon: Vor und nach der Form. Zur Temporalisierung des Formprozesses / Johannes Grave: Form und Dynamik. Bildliche Formkonstellationen und ihre rezeptionsästhetische Temporalität)

15.15 Pause

15.45 Panel 2: Chronotopos

(Michael Ostheimer, Dominik Schrage, Holger Schwetter: Einführung: Das Konzept des Chronotopos bei Bachtin und anderen / Florian Freitag, Filippo Carlà, Sabrina Mittermeier, Ariane Schwarz: Chronotopoi im Themenpark / Michael Ostheimer: Chronotopoi der DDR-Literatur / Dominik Schrage, Holger Schwetter, Lena Respondek: Popmusikalische Chronotopoi)

18.00 Pause

18.30 Abendvortrag

Harry Walter: Ein gescheitertes Perpetuum mobile als Zeitmaschine

20.00 Apéro / Abendessen

Freitag, 6. Februar 2015

09.30 Bettina Schlüter: Bewegungs-Form: Musik I / Zeit-Form: Musik II

10.30 Rüdiger Campe: Kleists historisches Präsens und die Frage der Aktualität

11.30 Pause

12.00 Hartmut Rosa: Beschleunigung und Desynchronisation. Das Konzept gesellschaftlicher Eigenzeiten und eine Heuristik ihrer Erfassung

13.00 Mittagspause

14.30 Panel 3: Form in Bewegung: Kino, Video, Performance

(Barbara Gronau: Die Zeit aufführen. Zur Kunstform der Long Durational Performance / Reinhold Görling: Abstraktion und gelebte Zeit / Sabine Zubarik: Auffächern und Überlagern. Formgebung durch chronologische Manipulation im zeitgenössischen Film / Ludger Schwarte: Tempo und Video)

16.45 Pause

17.15 Interne Gesamtversammlung des SPP

Samstag, 7. Februar 2015

09.00 Panel 4: Dramenform und Zeit

(Ethel Matala de Mazza, Stefanie Retzlaff: Einheit der Zeit. Überlegungen zu einem unmodernen Dogma / Michael Gamper: Dramatische Form der Revolution bei Gryphius und Weise / Peter Schnyder: Die "Macht der Zeit" in Schillers "Wallenstein")

11.15 Pause

11.45 Andreas Langenohl, Sebastian Giacovelli: Ökonomische Zeitformen: Die neoklassische Gleichgewichtstheorie als Signum moderner Temporalität

12.30 Eva Geulen: Plastische Zeit

13.15 Tagungsende

Kontakt

Michael Bies

Leibniz Universität Hannover, Deutsches Seminar
Königsworther Platz 1, 30167 Hannover

michael.bies@germanistik.uni-hannover.de

http://www.aesthetische-eigenzeiten.de
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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