Monster und Kapitalismus

Monster und Kapitalismus

Veranstalter
PhD-Net "Das Wissen der Literatur" (HU Berlin)
Veranstaltungsort
Kunstquartier Bethanien
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.05.2015 - 09.05.2015
Deadline
15.12.2014
Website
Von
Till Breyer

In den letzten Jahren greift die Kritik am „entfesselten“ Kapitalismus routiniert auf Metaphern des Monströsen zurück: Die Rede von „monströsen Finanzmärkten“ und werwolfsartigen Spekulanten oder die Kino-Bilder marodierender Zombies gehören zum gängigen Repertoire politökonomischer Urteile und Deutungen. Als Krisen- und Problemfiguren des Kapitalismus sind Monster allerdings von Mehrdeutigkeiten umgeben. Sie tauchen in ganz unterschiedlichen Diskursen, Praktiken und Medien auf und werden nicht zuletzt von unterschiedlichen Klassenstandpunkten aus in Stellung gebracht. Angesichts des diffusen Erscheinungsraums, den die Untoten, Hybride und anderen Zwischenwesen des Kapitalismus bevölkern, soll diese Konferenz die monströse Ikonografie der gegenwärtigen Krisennarrative auf ihren systematischen Gehalt und ihre historische Genese hin befragen. Was also erzählen die Regungen und Zuckungen von Monstern über den kapitalistischen Vergesellschaftungsprozess, seine Produktionsbedingungen und Krisen?

Auf der Grundlage dieser Fragestellung soll die Konferenz zumindest drei Beobachtungen nachgehen:
Erstens bedurfte die Entstehung eines Wissens vom 'ökonomischen Menschen' und den freien Märkten seit Ende des 18. Jahrhunderts eines ganzen Inventars an Geistern und Grenzgängern. Dies illustriert die Konzeption einer „unsichtbaren Hand“ der Marktregulation, Marx‘ Metaphorik des Vampirischen und Untoten oder die Darstellung der englischen Proletarier als „hohläugige Gespenster“ (Friedrich Engels). Wie David McNally in ‚Monsters of the Market‘ ausführt, kann entlang von subalternen Monsterfiguren der Hoch- und Alltagskultur zudem eine inoffizielle ‚Para-Geschichte‘ des Kapitalismus rekonstruiert werden. Darin liegen Möglichkeiten einer alternativen Geschichtsschreibung: Welche unsichtbaren oder verschütteten Erfahrungsmomente des Kapitalismus haben sich in die Schauplätze des Monströsen eingetragen? Hier ist auch nach der Rolle von Monstern innerhalb (post)kolonialer und interkultureller Konstellationen des globalen Kapitalismus zu fragen.

Damit deutet sich zweitens an, dass ein rein motivgeschichtlicher Zugang zum Monströsen einseitig wäre. Monster sind als Gegenstände umkämpfter Deutungen gleichermaßen Teil des kulturellen Imaginären und der gesellschaftlichen Realität. Sie lassen sich daher auch daraufhin untersuchen, in welche wissens- oder affektpolitischen Funktionszusammenhänge sie eingebunden sind. So hat Silvia Federici dargelegt, dass die Konstruktion der ‚Hexe‘ der Durchsetzung eines neuen kapitalistischen Akkumulationsregimes diente, in dem weibliche Reproduktionsarbeit gewaltsam naturalisiert wurde. Solche Codierungen von Produktionsverhältnissen und sozialen Identitäten werden aber auch fortwährend unterlaufen und gestört, sei es im Zuge ihrer politischen (Wieder-)Aneignung, sei es durch Strategien popkultureller Brechung und Verschiebung.

Drittens wäre genauer zu überprüfen, inwiefern sich anhand von Monstern und monströsen Ästhetiken eine Form der Gegenwartsdiagnose artikuliert. Werden Monster schon seit der Antike gemäß ihrer Etymologie als ‚Zeichen‘ und ‚Warnung‘ (lat. monstrare / monere) interpretiert, so lassen sie sich auch heute nicht unabhängig von Prozessen kultureller Selbstdeutung verstehen. Produziert etwa der Kapitalismus der ‚neoliberalen Aktivierungsgesellschaft‘ mit den ungeheuren Energien, die er freisetzt, nicht zugleich immer mehr „Leichenhaftes“ (Joseph Vogl)? Und lässt sich die jüngste Konjunktur des Zombiegenres unter dieser Prämisse auf bestimmte kapitalistische Subjektivierungsformen und kollektive Symptome der Erschöpfung beziehen? Grundsätzlich wäre zu überlegen, wie sich der spezifische Zeichencharakter von Monstern aktueller Krisendiskurse beschreiben lässt, gerade vor dem Hintergrund eines neuen Typus’ der permanenten und multiplen Krise.

Im Rahmen der Konferenz soll den genannten Problemlagen weitere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Vorträge können den Themenkomplex ‚Monster und Kapitalismus‘ – aus literatur-, kultur-, film-, wissenschafts- und sozialgeschichtlicher Perspektive – z.B. im Hinblick auf folgende Bereiche diskutieren:

- Historische Epistemologie und Metaphorologie des Monströsen
- Kapitalismus im Kontext der Gattungs- und Poetikgeschichte des Horrors
- Kulturindustrielle Horrorproduktion
- Das Monströse in Krisen- und Katastrophenszenarien des Kapitalismus
- Monster in ökonomischen Gründungserzählungen
- Postkoloniale und interkulturelle Verhandlungen des Kapitalismus
- Monsterfiguren in der Arbeitergeschichte
- Infektion und Biopolitik
- Finanzmarkt und ‚Zombie Economics’
- Monster des digitalen Kapitalismus
- Monströse Lebensformen und Subjekte

Der Call for Papers richtet sich an Doktorand_innen und Postdoktorand_innen der Geistes-, Sozial-, und Wirtschaftswissenschaften.
Die Konferenz findet vom 7.-9. Mai 2015 im Kunstquartier Bethanien (Berlin) statt und wird vom PhD-Net „Das Wissen der Literatur“ (HU Berlin) veranstaltet.
Bitte senden Sie Ihre Vorschläge im Umfang von max. 300 Wörtern zusammen mit Ihrer Kurzbiographie an folgende an die Mailadresse: monsterundkapitalismus@posteo.de. Einsendeschluss ist am 15. Dezember 2014.

Organisator_innen: Till Breyer, Rasmus Overthun, Philippe Roepstorff-Robiano, Alexandra Vasa

Programm

Kontakt

Till Breyer <till.breyer@gmail.com>