Schattenorte. Stadtimage und Vergangenheitslast

Schattenorte. Stadtimage und Vergangenheitslast

Veranstalter
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Stadt Potsdam
Veranstaltungsort
Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, 14467 Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.11.2014 - 07.11.2014
Von
Stefanie Eisenhuth

Auch Städte haben Biographien. Sie verfügen über distinktive Images und sind zugleich Projektionsflächen und Stifter sozialer Identität, was sie voneinander unterscheidbar macht und ihnen Anziehungskraft für ihre Bürger wie für ihre Besucher verleiht. Nicht selten tragen sie aber auch historisch gewachsene Bürden, sind gar zu ikonographischen Verdichtungen einer grausamen Geschichte geworden. Städtenamen wie Auschwitz, Hiroshima oder Katyn wurden zu Synonymen für die Schrecken des Jahrhunderts der Extreme.

Bewohner wie Touristen bewerten Orte nach mentalen Bildern, die durch eben solche Ereignisse, aber auch durch ihre Bauten und Bürger, durch Erzählungen und mediale Repräsentationen geprägt sind. Mit Hilfe verschiedener theoretischer Konzepte haben Soziologen, Kulturwissenschaftler und Historiker versucht, den Zusammenhang zwischen erlebtem und imaginiertem Raum zu analysieren: Gerald D. Suttles beschrieb die Stadt als einen durch einen Schleier an Texten hindurch erfahrbaren Raum, Martina Löw schilderte sie als eigene Sinnprovinzen mit spezifischem Habitus und Aleida Assmann betonte, wie das kollektive Gedächtnis auf lokaler Ebene Erinnerungsräume entstehen lässt. All diese Konzepte verweisen auf die Bedeutung von historischen Ereignissen und deren narrativer Verarbeitung für die Herausbildung eines Images, das wiederum das Handeln in der Gegenwart sowie Pläne für die Zukunft beeinflusst. Damit städtisches Marketing glaubhaft und erfolgreich ist, muss ein Weg gefunden werden, mit vorhandenen Bildern und Erzählungen umzugehen. Lokale Akteure greifen daher auf unterschiedliche Art auf bestehende Vorstellungen zurück, um einen Ort für Touristen, Investoren oder potentielle neue Bewohner attraktiv zu machen. Die Schattenseiten städtischer Biographien können auf einem diffusen Wissen über ihre historische Rolle beruhen oder auch gar ikonische Kraft haben.

Die verschiedenen Modi, mit den politisch oder gesellschaftlich als schmerzhaft oder auch peinlich empfundenen Belastungen von Städten umzugehen, stehen im Mittelpunkt dieser Veranstaltung, die gleichermaßen nach dem Handeln der Akteure wie nach den sie leitenden Verständigungscodes fragt: Wer prägt Stadtimages mit welcher Intention? Für welche Arten des Umgangs mit der Geschichte entscheiden sie sich – das Ausblenden, die Umdeutung, die kritische Auseinandersetzung oder die aktive Nutzung im Sinne eines „dark tourism“? Welche weiteren Faktoren, wie zum Beispiel kulturelle Paradigmenwechsel oder touristische Trends, schränken die Optionen der Akteure ein, beeinflussen das Image eines Ortes oder verändern es? Welche unterschiedlichen oder parallelen Strategien wählten die konkurrierenden Gesellschaftssysteme zwischen 1945 und 1989? Welche Folgen hatte die "kathartische Revolution", die das "Bekenntnis zur Schande" aus dem Negativimage einen "point of interest" in der Navigation macht. Diesen Fragen will sich der Workshop sowohl im deutsch-deutschen als auch im internationalen Vergleich widmen.

Programm

Donnerstag, 6. November 2014
15.30 Begrüßung
Jutta Götzmann (Direktorin, Potsdam Museum), Jann Jakobs (Oberbürgermeister der Stadt Potsdam), Martin Sabrow (Direktor, ZZF Potsdam)

16.00-19.00 Uhr: Stadtgeschichte, Stadtimages und Tourismus
- Ralph Richter (Darmstadt): Pluspunkte sammeln? Städtische Imagekonstruktionen vor und nach dem cultural turn in der Stadtforschung
- Birgit-Katharine Seemann (Potsdam): Potsdam – die schöne Unsichtbare. Erzählungen eines Sehnsuchtsortes
- Stefan Küblböck (Salzgitter): Ein Besuch am Schattenort: Differenzierungen, Deutungen und Potenziale des Dark Tourism
- Alexa Färber (Hamburg): Urbanes Imagineering: Zum Verhältnis zwischen Stadtgeschichte und Stadtmarketing
- Thomas Etzemüller (Potsdam): Imaginary Landscapes - (Stadt-)Landschaften als Projektionsräume sozialer Ordnungsvorstellungen

19.30 Uhr: Abendveranstaltung "Schattenorte. Historische Lasten und städtische Images"
Vortrag: Martin Sabrow
Podiumsdiskussion: Alexa Färber, Jann Jakobs, Martin Sabrow
Moderation: Irmgard Zündorf

Freitag, 7. November 2014

10.15-12.15 Uhr: Fallbeispiele I
- Sven-Felix Kellerhoff (Berlin): Berlin – gebrochene Geschichte als Standortvorteil
- Alexander Schmidt (Nürnberg): Von der verdrängten Last zum Tourismussegment? Der Umgang Nürnbergs mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit seit 1945
- Günter Riederer (Wolfsburg): Verschweigen, Streiten, Erinnern – Über den Umgang mit Geschichte in der Stadt Wolfsburg nach 1945
- Albert Feiber (München): Zwischen Vermarktung und Verdrängung. Der Obersalzberg im Schatten Adolf Hitlers

13.30-15.30 Uhr: Fallbeispiele II
- Anne Fuchs (Warwick): Zwischen Kontinuität und Diskontinuität: die Bombardierung Dresdens im kulturellen Gedächtnis
- Andreas Ludwig (Potsdam): Wo die Zukunft Gegenwart war. Phasen der Selbstbeschreibung Eisenhüttenstadts
- Silke Klewin (Bautzen): Weg vom „Gelben Elend“ hin zu „Viele Türme – gute Aussichten“. Zu den Versuchen des Imagewandels der Stadt Bautzen
- Justus H. Ulbricht (Jena): Weimarer Erinnerungsversuche: Der Schatten des Ettersbergs und der Glanz der Klassik
Moderation: Peter Ulrich Weiß (Berlin)

15.45-16.30 Uhr: Podiumsdiskussion "Schattenorte in der medialen Repräsentation"
- Robert Thalheim (Regisseur des Films „Am Ende kommen Touristen“)
- Birgit-Katharine Seemann (Leiterin des Fachbereichs Kultur und Museum der Stadt Potsdam)
- Stefan Küblböck (Professor für Tourismus- und Freizeitmanagement)
- Martin Sabrow (Direktor, ZZF Potsdam)
Moderation: Jürgen Danyel (Potsdam)

Kontakt

Stefanie Eisenhuth

Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

s.eisenhuth@me.com

http://zzf-pdm.de/site/296/default.aspx
Redaktion
Veröffentlicht am
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Epoche(n)
Region(en)
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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