Wissen(schaft)spolitik an den Grenzen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit

Wissen(schaft)spolitik an den Grenzen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit

Veranstalter
Josch Hoenes und Michaela Koch, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltungsort
Ort
Oldenburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.10.2014 -
Deadline
20.10.2014
Website
Von
Michaela Koch

Call for panels/papers: Wissen(schaft)spolitik an den Grenzen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit

Tagung vom 18.-19. September 2015 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Das binäre Geschlechtermodell, nach dem jeder Mensch lebenslang und unveränderlich einer von genau zwei Geschlechtskategorien angehören muss, gerät zunehmend ins Wanken. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind u.a. verschiedene Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die die Regelungen im derzeit gültigen Transsexuellengesetz (TSG) als menschenrechtswidrig kritisieren und die Empfehlungen des Ethikrats der Bundesregierung zu Intersexualität (2012), die irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung als einen „Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit“ begreifen und fragen, „ob eine Eintragung des Geschlechts im Personenstandsregister überhaupt noch notwendig“ sei. Maßgeblich angestoßen wurden diese Veränderungen vor allem durch jahrzehntelange Arbeit von Inter- und Trans-Verbänden und Aktivist_innen. Aber auch akademische Forschung nimmt auf unterschiedliche Art und Weise aktiv an diesem Prozess teil. Während ein Großteil gerade der medizinischen und psychiatrischen Forschung immer wieder im Zentrum der Kritik von Aktivist_innen steht, sind in den letzten Jahren vor allem in gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen emanzipatorische Forschungen durchgeführt worden, die als Argumentationshilfe für politische Ziele des Inter- und Trans-Aktivismus herangezogen werden. Die gegenwärtigen Debatten und Diskursivierungen von Trans und Inter verdeutlichen, dass auf verschiedenen Ebenen ein dringender Handlungsbedarf besteht. Sowohl in Bezug auf den juristischen und medizinischen Umgang mit Trans und Inter, als auch in Bezug auf Formen wissenschaftlicher Forschung. Debatten zwischen Aktivist_innen und Forscher_innen entfachen sich an Fragen der Partizipation (Wer forscht und wessen Forschung wird finanziert? Welche Themen sind relevant?), Forschungsethik (Wie wird geforscht? Was passiert mit den Ergebnissen von Forschung?) und Wissenstransfer (Welchen Status hat aktivistisches Wissen? Welchen Status hat wissenschaftliches Wissen? Wer ist Expert_in?). Um Ansätze eines angemessenen und kritischen Handelns und Denkens zu entwickeln, haben sich 2012 Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen im „Netzwerk Inter_Trans_Wissenschaft“ (ITW) zusammengeschlossen. Die Tagung „Wissen(schaft)spolitik an den Grenzen heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit“ möchte einen Ort bieten, die innerhalb des Netzwerks begonnen Debatten fortzusetzen und zu vertiefen. Im Zentrum steht dabei das Verhältnis von Aktivismus und Forschung zu Inter und Trans. Die sich zuweilen auftuende Kluft zwischen Wissenschaft und Aktivismus soll produktiv gewendet werden und die unterschiedlichen Wissensformen in Wissenschaft und Aktivismus sowie die Unterschiede innerhalb und
zwischen wissenschaftlichen Disziplinen sollen explizit thematisiert werden. In der Auseinandersetzung über vielleicht notwendige Abgrenzungen und mögliche Kooperationen sollen Ansätze für neue Forschungsperspektiven auf Trans und Inter sowie gemeinsame
wissen(schaft)spolitische Konzepte ausgelotet werden. Die Tagung schließt damit an aktuelle wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatten an und richtet sich explizit an Aktivist_innen, Künstler_innen und (Nachwuchs-)Wissenschaftler_innen aller Disziplinen.

Aus den bislang im Netzwerk geführten Diskussionen wurden breite Fragenkataloge formuliert. Beiträge können sich an diesen Vorschlägen orientieren, darüber hinaus sind weitere Vorschläge willkommen.

Inter/Trans-Aktivismus und Wissenschaft: Spagat oder wechselseitige Unterstützung?
Was ist Aktivismus? Was ist Wissenschaft? Und kann auch Wissenschaft als eine Form des Aktivismus oder Aktivismus als eine Form von Wissenschaft begriffen werden? An welchen Stellen ist eine Trennung der beiden Bereiche vielleicht wichtig und notwendig? Mögliche Antworten auf diese Fragen sind immer abhängig von bestimmten Kontexten sowie von Wissenschafts- und Bewegungsgeschichte(n), innerhalb derer sich bestimmte Paradigmen
und Selbstverständlichkeiten herausgebildet haben. In diesem Panel möchten wir verschiedene Positionen zu diesen Fragen miteinander ins Gespräch bringen. Die Beiträge sollten das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Aktivismus anhand der eigenen Arbeit und Positionierung ausloten: Welche Strategien gibt es, Spannungen und Konflikte auszuhalten, zu verhandeln oder stehen zu lassen? Welche Hierarchien und welche Formen von Anerkennung/Nicht-Anerkennung bestehen zwischen Aktivismus und Wissenschaft? Wo wären solidarische Formen von Kooperation und Zusammenarbeit notwendig? Und wie könnten diese möglich werden?

Wissen(schaft)sproduktionen zu Inter/Trans
Mit der Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, juristischen und medizinischen Umgangsweisen mit Trans und Interpersonen entsteht zunehmend Wissen, das sich aus Inter/Trans- oder Inter/Trans-solidarischer Perspektive mit Fragen von Inter und Trans beschäftigt. Wir möchten Sie_Euch einladen, Eure_Ihre Formen der Wissensproduktion vorzustellen: Wozu schafft_schaffen Ihr_Sie Wissen? Mit welchen Problemlagen setzt Ihr_setzen Sie sich dabei auseinander? Aus welcher Position und gegen
welche Annahmen, Vorurteile und Wissensbestände richtet sich Euer_Ihr Wissen? Mit diesen offenen Fragen möchten wir Gelegenheit bieten, eigene aktuelle wissenschaftliche, künstlerische oder aktivistische Arbeiten zu Inter oder Trans vorzustellen und zu
diskutieren.

Ethische Formen der Wissensproduktion
Eine zentrale Kritik an Wissenschaft ist deren oft pathologisierende, objektivierende oder exotisierende Haltung. Lassen sich aus Ihrer_Eurer Perspektive Kriterien für Trans- und Inter-solidarische Forschung formulieren? Welche Möglichkeiten, Schwierigkeiten und
Grenzen bieten verschiedene Forschungsansätze, wie bspw. partizipatorische, qualitative und quantitative Forschungsansätze? Und welche Rolle spielt dabei die Positionierung der Forschenden selbst? Zu diesem Panel wünschen wir uns Beiträge, die sich explizit mit Fragen und Problemen der Ethik von Forschung und Wissensproduktion auseinandersetzen.

Trans/Interpersonen in Akademia und Aktivismus
Das Verhältnis der zu Trans oder Inter arbeitenden Personen zu ihrem Gegenstand wird in Wissenschaft und Aktivismus kontrovers diskutiert. Von der „wissenschaftlichen Distanz“ bis zur „Nähe/Betroffenheit“ findet sich ein breites Spektrum an Positionierungen der jeweiligen Akteur_innen. Wer ist in welcher Situation/Position als Inter oder Trans sichtbar oder unsichtbar und welche Strategien gibt es, Ausschlussmechanismen des jeweiligen Kontexts zu umgehen und Nichtanerkennungsstrukturen aufzubrechen? Gibt es Kriterien der Wissenschaftlichkeit oder des Aktivismus, die es kritisch zu hinterfragen gälte? Und wo verlaufen die Grenzen des Aktivismus? In diesem Panel wünschen wir uns Beiträge, die Erfahrungen in Wissenschaft und Aktivismus kritisch reflektieren und zur Diskussion stellen.

Wir möchten Sie_Euch einladen, Vorschläge (max. 2000 Zeichen) für Einzel- oder Gruppenvorträge oder Panels einzureichen. Bei der Einreichung von Panels sollen die mitwirkenden Personen und das gewählte Format mit benannt werden. Neben Vorträgen sind vielfältige andere Formate der Wissensproduktion und -vermittlung denkbar: von der Podiumsdiskussion über Poster oder Workshops bis hin zu Filmscreenings oder Performances.

Die Tagung wird vorbehaltlich der Finanzierungszusage vom 18.-19. September 2015 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg stattfinden.

Die Frist für die Einreichung von Vorschlägen ist der 20. Oktober 2014.

Fragen und Rückmeldungen bitte an Josch Hoenes (josch.hoenes@uni-oldenburg.de) oder Michaela Koch (m.koch@uni-oldenburg.de).

Programm

Kontakt

Michaela Koch

Universität Oldenburg

m.koch@uni-oldenburg.de