Grenzraum und Repräsentation. Impulse zum Verständnis spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Vorstellungs- und Darstellungswelten

Grenzraum und Repräsentation. Impulse zum Verständnis spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Vorstellungs- und Darstellungswelten

Veranstalter
Lehrstuhl für Geschichtliche Landeskunde Universität Trier; Prof. Dr. Stephan Laux (Trier); Maike Schmidt M.A. (Trier)
Veranstaltungsort
Universität Trier
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.03.2015 - 06.03.2015
Deadline
30.11.2014
Website
Von
Maike Schmidt

Grenzraum und Repräsentation. Impulse zum Verständnis spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Vorstellungs- und Darstellungswelten

See English summary below
Voir résumé français ci-dessous

Lokalisierbare, zwischenstaatliche Grenzen und die sie umgebenden Räume sind seit jeher Wahrnehmungseinheiten der historiographischen Praxis. Die Geschichtswissenschaft hat in der Vergangenheit die konzeptuelle Störanfälligkeit jener zuweilen ideologisch belasteten Figuren diagnostiziert und methodisch-kritisch reflektiert (siehe z.B. Pabst 2003). Nicht zuletzt aus dieser gesellschaftspolitischen Relevanz ergibt sich die forschungsthematische Brisanz von Grenzräumen, die durch die jüngere Hinwendung zur Kategorie „Raum“ und dessen Historizität noch einmal verstärkt wird (siehe Rau 2013; Geulen/Kraft 2010; Roll/Pohle/Myrczek 2010). Der vom Lehrstuhl für Geschichtliche Landeskunde der Universität Trier ausgerichtete Impulsworkshop widmet sich den dokumentarischen Erfassungsformen von Grenzräumen in der europäischen Vormoderne. Anliegen ist es, die normativen und imaginativen Darstellungswelten von grenzumgebenden Räumen anhand schriftlicher wie bildlicher Beschreibungen analytisch zusammenzuführen und so die komplexe Genese von territorialem Selbstverständnis nachvollziehbar zu machen. Der zeitliche Fokus liegt auf dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit, wo sich die professionalisierte Erhebung von exaktem Raumwissen nach Effizienzkriterien festigte und sich alte und neue Strategien der Wahrheitsfindung und -repräsentation überlagerten (siehe Lestringant 2012). Die Saar-Lor-Lux-Region als klassisch umstrittener, quellenproduzierender und damit historisch markanter lieu de passage zwischen Romania und Germania stellt einen der schwerpunktmäßigen Untersuchungsräume dar. Anhand spezifischer Fallstudien sollen daneben auch weitere signifikante Grenzraumkonstellationen umfänglich thematisiert werden. Dabei kommt kulturhistorischen Zugriffsoptionen eine übergeordnete Rolle zu. Die Grenze als fait social (Simmel 1908) gehört in diesem Rahmen zu den kulturwissenschaftlichen Grundannahmen, die dem Konstruktionscharakter und der Symbolhaftigkeit von Grenzen einen hohen Stellenwert im geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisprozess einräumen.

Anlässlich ihrer persistenten Faszinationskraft fragt der Workshop gezielt nach solchen Grenzkonstellationen, die nicht unbedingt strukturell evident, sondern heterogen und porös waren. Die inzwischen vielfach existierenden Befunde über die faktische Permeabilität nur vermeintlich hermetisch wirksamer Demarkationslinien (vgl. Kaiser 1993) − insbesondere administrativ-herrschaftlicher – legen es daher nahe, über Wirklichkeitsräume und Repräsentationsmodi historisch relevanter Grenzkonstellationen nachzudenken, zumal Indizien dafür sprechen, dass das kulturelle Raumverständnis keineswegs mit dem obrigkeitlich fixierten übereinstimmen musste (vgl. Irsigler 1992). Das Spezifikum des hier getätigten Zugriffs liegt deshalb in der Zusammenführung der per se materiell heterogenen Vergegenwärtigungsformen historischer Grenzraumkonzepte. Dementsprechend kann die empirische Materialgrundlage sowohl formale Raumbeschreibungen – wie Friedensverträge, Grenzverhandlungen und -begehungen und kartographische Materialien − als auch narratives und literarisches Schriftgut und ikonographische Quellen − wie Landschaftsbeschreibungen, Reiseberichte und Apodemiken, Reiseromane, Korrespondenzen und Memoiren, Werke der bildenden Kunst und kartographische Materialien − umfassen. Im Fokus der Diskussion steht das integrativ-verbindende Moment der informationstragenden Darstellungsmittel, welches erlaubt, die Grenzsituation weniger als Funktionsbereich, denn als Deutungssituation zu verstehen. Folgende Themenstellungen sind denkbar:

i. Darstellungsmedien (Beschreibungsmaterial und Diskursebenen)

Welchen Platz haben kartographisch dokumentierte bzw. materiell markierte Grenzen und der sie umgebende Raum in den untersuchten Diskursaxen? Wo lassen sich transmediale Divergenzen und wo Synergieeffekte ausmachen?

ii. Beschreibungsverfahren (Erzähltechniken und Wissensproduktion)

Welche epistemischen Prozesse und ästhetischen Darstellungsmuster kommen innerhalb des Beschreibungsverfahrens zum Tragen und auf welche koexistierenden Wissensbestände rekurrieren diese?

iii. Erfahrungs-, Vorstellungs- und Herrschaftswelten
(Wirklichkeitskonstruktion und soziale Praxis)

Welche übergeordneten Aussagen lassen sich auf der Grundlage des Dokumentationsmaterials über zeitgenössische Wahrnehmbarkeit und Wertigkeit von Grenzräumen treffen und welche Rolle spielen diese Qualitätszuschreibungen innerhalb der Verräumlichung von Herrschaft?

Der Workshop setzt sich zum Ziel, fallspezifische Impulse zum Umgang mit den Dokumenten der Grenzraumbeschreibung für einen fallübergreifenden Ideenaustausch produktiv zu machen und gemeinsam anwendungswissenschaftliche Bezüge zu erarbeiten. Die Veranstaltung richtet sich an alle Disziplinen der historisch arbeitenden Kultur- und Sozialwissenschaften und zielt speziell auf die Einbringung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Erbeten werden Abstracts im Umfang von max. 500 Wörtern und eine knappe bio-bibliographische Notiz bis zum 30.11.2014 an mschmidt@uni-trier.de. Tagungssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch. Eine anschließende Publikation der Redebeiträge ist vorgesehen.

Literatur:
Geulen, Eva; Kraft, Stephan (Hg.): Grenzen im Raum – Grenzen in der Literatur. Berlin 2010.

Irsigler, Franz: Der Einfluß politischer Grenzen auf die Siedlungs- und Kulturlandschaftsentwicklung. In: Siedlungsforschung. 1991, 9, 9-23.

Kaiser, Wolfgang: Penser la frontière - notions et approches, in: Busset, Thomas (Hg.) : Mobilité spatiale et frontières – Räumliche Mobilität und Grenzen. Zürich 1998, 63-74.

Lestringant, Frank: Die Erfindung des Raums. Kartographie, Fiktion und Alterität in der Literatur der Renaissance. Bielefeld 2012.

Pabst, Klaus: Die „Historikerschlacht“ um den Rhein. In: Elvert, Jürgen (Hg.): Historische Debatten und Kontroversen im 19. und 20. Jahrhundert. Wiesbaden 2003, 70-81.

Rau, Susanne: Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen. Frankfurt/Main 2013.

Roll, Christine; Pohle, Frank; Myrczek, Matthias (Hg.): Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung. Köln u.a. 2010.

English summary
Borderlands represented
Territorial concepts and spatial imagination in late medieval and early modern Europe

This symposium conceptualizes research on representations and perceptions of pre-modern border areas. Borders and their respective environments have lately achieved considerable attention in view of processes that determined the emergence of regions. In the light of accented culturalistic interpretations, they are currently being perceived not merely as given territorial units but rather as results of normative campaigns and administrative descriptions, as much as narrative and iconographic images. The so-called Saar-Lor-Lux-region shared common experiences at the intersection of French, German and Dutch cultural encounter over centuries. Thus, it is eminently suitable to retrieve such normative or imaginative representations – be it through administrative determination, cartographic depiction, travelogue or memoir. Chronologically, the emphasis is placed on late medieval and modern times due to the fact that since the 15th century we observe the first efforts to document a progressively precise knowledge of space for the sake of practical application as much as propagandistic purpose. The aim of the meeting is to mark out the range of such sources and to compare different axes of discourse in terms of analogous and synergistic modes of representation. The conference will be organized by the chair of regional history at Trier University of Trier. It specifically aims at young researchers with pre- or early post-doctorate-status from all disciplines of the humanities. Please send a short proposal (max. 500 words) and a brief biographical note until November 30 2014 to mschmidt@uni-trier.de (Ms. Maike Schmidt M.A.). Lectures will be held in English, French and German. The publication of the conference papers is taken into account.

Résumé français
Espaces frontaliers représentés
Description territoriale et imaginaire spatial au Moyen Âge tardif et aux temps modernes

Le colloque sera l’occasion de réunir des projets de recherche portant sur les enjeux de la représentation de l’espace frontalier au Moyen Âge tardif et aux temps modernes. Étant donné la constellation politico-territoriale et culturelle particulièrement complexe des frontières historiques et leurs espaces pendants, il s’agit de rendre visible les processus qui favorisent la genèse de la « région » telle que la soi-disant Saar-Lor-Lux à l’aube de la modernité. En l’occurrence d’un savoir de plus en plus exacte qui caractérise la réflexion géographique depuis le XVe siècle, il importe de thématiser la coexistence de différentes façons de conceptualiser l’espace, soient-elles de nature administrative, narrative ou bien iconographique. Par conséquent, les approches culturalistes récentes décrivent l’espace frontalier non comme une simple donnée territoriale mais avant tout comme un produit de descriptions diverses qui, quant à elles, se matérialisent à différents supports médiaux tels que la cartographie, le récit de voyage, le roman de voyage ou les mémoires. À cet égard, la perception de frontières forme une composante essentielle de la pensée spatiale prémoderne. Le but sera de cerner l’éventail des sources tant normatives que fictives et de comparer les différentes techniques de représentation et d’imagination de « régions frontalières » tout en appliquant une perspective culturaliste : Quelles analogies, synergies ou bien divergences repère-t-on en comparant les multiples axes de discours tout en considérant leurs différentes motivations politiques et intellectuelles? Le colloque sera organisé par la chaire de l’histoire régionale de l’université de Trèves. Il vise tout particulièrement à la participation de jeunes chercheurs en doctorat et post-doctorat issus de toutes les disciplines des sciences sociales. Nous vous remercions de bien vouloir nous communiquer vos propositions de communication de 500 mots maximum ainsi qu’une brève notice biographique jusqu’au 30 novembre 2014 (mschmidt@uni-trier.de). Le colloque se tiendra en anglais, français et allemand. La publication des actes de colloque est prévue.

Programm

Kontakt

Maike Schmidt

Universität Trier
Fachbereich III - Geschichtliche Landeskunde
D-54286 Trier
+49 651 201 2170

mschmidt@uni-trier.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Französisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung