Transnationale Feminismen – Les féminismes transnationaux

Transnationale Feminismen – Les féminismes transnationaux

Veranstalter
Traverse. Zeitschrift für Geschichte / Revue d'histoire
Veranstaltungsort
Ort
Bern
Land
Switzerland
Vom - Bis
15.12.2014 -
Deadline
15.12.2014
Website
Von
Sonja Matter

Transnationale Feminismen – Les féminismes transnationaux

Wie viele bürgerlich-liberale Reformprojekte des 19. Jahrhunderts war der Feminismus eine transnationale Bewegung mit globalem Anspruch. Frauenorganisationen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung sahen in der Emanzipation des weiblichen Geschlechts einen Schlüssel zum menschlichen Fortschritt; die Befreiung der Frauen aus der politischen und rechtlichen Unmündigkeit galt ihnen als Beitrag zur moralischen Hebung der Menschheit. Die Konstitution des Gegenstands – die Reform der Geschlechterordnung – beruhte dabei auf (oftmals impliziten) epistemologischen Grundannahmen, die kulturell spezifisch waren und bei der kontinuierlichen Expansion der Frauenbewegung und des Feminismus auch in nicht-westliche Räume für wachsende interne Verständigungsprobleme sorgten. Die Frage, was überhaupt unter Geschlecht verstanden wurde, liess sich nicht ohne weiteres beantworten. Ebenso waren Postulate, wonach Werte wie Freiheit, Treue, Mütterlichkeit oder Institutionen wie die monogame Ehe universell erstrebenswerte Zivilisationserrungenschaften seien, umstritten.
Kernpostulate der Frauenbewegung fanden seit dem späten 19. Jahrhundert auch sukzessiv Eingang in die internationale Regulierung und Normierung von sozialen Verhältnisse. Damit institutionalisierte sich auf der internationalen Ebene ein spezifisches Verständnis der Geschlechterdifferenz. Beispiele dafür sind die arbeitsrechtlichen Sonderschutzvorschriften der ILO, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt über die biologische Reproduktionsfähigkeit definierten und als besondere Kategorie von Arbeitskräften konstituierten. Wie nachhaltig diese Normierungen und die damit verbundenen Zivilisationsvorstellungen die internationale Frauenbewegung und deren Beziehung zu internationalen Organisationen geprägt haben, zeigten die Debatten der Zwischenkriegszeit und die frühen Normierungsbestrebungen im Rahmen der UNO.
Erst in jüngerer Zeit hat die Forschung sich vermehrt auch den Ambivalenzen und Widersprüchen zugewandt, welche den Feminismus als Teil des Diskurses der europäischen Moderne und als transnationales Unternehmen charakterisieren. Fragen nach den Möglichkeitsbedingungen transkultureller Kommunikation innerhalb von Netzwerken der Sozialreform haben das Forschungsinteresse, nicht zuletzt unter dem Einfluss postkolonialer und jüngerer globalgeschichtlicher Forschungsansätze gerade auch auf die blinden Flecke der transnationalen Verständigung gelenkt.
Dieses Schwerpunktheft möchte ein Forum für neuere Forschungsarbeiten im Bereich der globalen Geschlechtergeschichte und der Geschichte der internationalen Frauenbewegung bieten. Ausdrücklich erwünscht sind Beiträge, die sich mit der transkulturellen Kommunikation, mit dem transnationalen Austausch und Ideentransfer innerhalb des feministischen Projekts befassen und die Möglichkeitsbedingungen, Herausforderungen und Ergebnisse solcher Prozesse zum Gegenstand haben. Auch Beiträge aus der Zeit vor 1800, die sich mit Fragen zum Verhältnis von Geschlechterordnungen, Zivilisationsvorstellungen und der Rolle von Projektionen im transkulturellen Austausch befassen, sind sehr willkommen. Folgende Fragen stehen im Zentrum:
- Auf welchen als universell vorausgesetzten Grundannahmen beruhten feministische Reformprojekte? Wie gingen Akteurinnen aus verschiedenen kulturellen Kontexten mit diesen Voraussetzungen um?
- Kann man Prozesse der Verständigung als kognitive Harmonisierung interpretieren oder setzte sich ein hegemonialer Diskurs gegenüber alternativen Anschauungen durch? Ist die Frauenbewegung ein westliches Exportprodukt – oder: worin lagen die spezifisch nicht-westlichen Einflüsse auf die Frauenbewegung?
- In welchen Bereichen wurden Verständigungsprobleme manifest? Wie artikulierte sich Kritik?
- Wie (und weshalb) eigneten sich aussereuropäische Feministinnen westliches Wissen an? Worin lag die besondere Attraktivität dieses Wissens? Wie transformierten sie dieses Wissen im Zuge des Aneignungsprozesses?
- Löste transnationaler Austausch Lernprozesse aus? Welcher Art waren diese?
- Welchen Einfluss hatte die Konfrontation mit fremden, als andersartig wahrgenommenen Geschlechterverhältnis für den Blick auf die eigene Geschlechterordnung?
- Welche Relevanz haben die Ergebnisse der jüngeren Forschung für die Einschätzung des Reformpotentials von sozialen Bewegungen?

Bitte senden Sie ein Abstract mit max. 2‘500 Zeichen und einem kurzen CV bis zum 15. Dezember 2014 an eine der folgenden Personen: bertrand.forclaz@revue-traverse.ch; sonja.matter@revue-traverse.ch; regula.ludi@hist.unibe.ch. Die anschliessenden Beiträge haben einen Umfang von ca. 30‘000 Zeichen (inkl.) und sind bis zum 15. September 2015 einzureichen.

Programm

Kontakt

Sonja Matter (sonja.matter@revue-traverse.ch)


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