Body Politics: Becoming with Things. Themenheft

Body Politics: Becoming with Things. Themenheft

Veranstalter
Zeitschrift Body Politics; herausgegeben von Paula-Irene Villa & Cornelia Schadler
Veranstaltungsort
Ort
http://bodypolitics.de/
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.07.2016 -
Deadline
15.11.2014
Website
Von
Paula-Irene Villa & Cornelia Schadler

Becoming with Things – Bodies, Objects, Practices, Themenheft der Zeitschrift Body Politics, Heft 9, Mitte 2016, herausgegeben von Paula-Irene Villa & Cornelia Schadler

Körper und Dinge sind Teil des Werdens der Welt. Verschiedene
theoretische Strömungen von der (historischen) Anthropologie und der Phänomenologie über die Praxistheorie, den Posthumanismus, die Actor-Network-Theory bis zum New Materialism, haben sich mit den Verhältnissen und Grenzziehungen zwischen Körpern und Dingen beschäftigt und tun es noch. Wir möchten uns in diesem Heft dem gemeinsamen Werden von Körpern und Dingen widmen. Dabei gehen wir von folgendem Horizont aus:

Denkhistorisch gehört die Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen Objekt und Subjekt, zwischen Ding und Mensch oder zwischen Maschine und Person zu den Grundfragen der Philosophie (u.a. Descartes 1637; Kant 1787; Offray de la Mettrie 1748). Insbesondere in der Anthropologie, etwa bei Helmuth Plessner, gehört die Auseinandersetzung mit der Grenzziehung zwischen unbelebten Dingen, Lebewesen und schließlich Menschen (Plessner 1928) zu den Kernthemen. In der Anthropology/Ethnologie gehört die Beforschung der ‚Dinge’ ebenfalls zu den zentralen Aufgaben (vgl. Appardurai 1986), die als multiperspektivisches Forschungskonstellation unter dem Etikett ‚material culture’ derzeit hoch produktiv aufgegriffen wird (vgl. u.a. Tilley at al 2006). Der (menschliche) Körper als zugleich Subjekt und Objekt spielt in diesen Zugängen eine herausragende Rolle. Bei aller Heterogenität dieser Felder zeigen sie gleichermaßen, wie komplex und wie raumzeitlich spezifisch die Grenzziehungen zwischen und Verknüpfungen von Menschen, Körpern und Dingen sind. Diese Auseinandersetzungen werden freilich begleitet, wenn nicht überhaupt angeregt, von empirischen Dynamiken, die genau diese Grenzziehungen herausfordern und verhandelbar machen: technologische Entwicklungen, Enttabuisierung und Reflexivierungen von Körperpraxen, ökonomische Anforderungen usw. Hierin sind Objekte und Objektivierungen ausdrücklich eingelassen, man denke etwa an landwirtschaftliche Geräte, Mobilitätstechnologien wie Eisenbahnen oder an medizinische Dinge wir Prothesen.

Seit Jahrzehnten setzt sich die feministische Forschung mit dem Körper- Ding Verhältnis auseinander. Am deutlichsten wird dies in der Debatte rund um Cyborgs und Cyborgisierung (z.B. Haraway 1989). Grenzziehungen zwischen Körpern und Dingen, Organischem und Anorganischem, Echtem und Künstlichem, Natürlichem und Kulturellem wurden dabei zum Einen als soziale und politische Figurationen analysiert, zum Anderen wurden in diesem Kontext neue, subversive Narrative entwickelt, die jenseits der ‚humanistischen’ Fixierung utopische Potenziale des Körperlichen/Materiellen beinhalteten. Hiervon ist nicht zuletzt das komplexe und ausgesprochen kontroverse Feld der
Reproduktionstechnologien betroffen, beispielsweise Phänomene wie invitro- Fertilisationen, Eizellen-Freezing usw.

Die Akteur-Netzwerk-Theorien (z. B. Callon 1986, Latour 1996, Law 1992) begannen in den 1990er, die Dinge nicht nur als Handlungsobjekte von Menschen/Körpern zu betrachten, sondern als Entitäten mit agency, und das heißt auch, als (gleichwertige) Teilnehmende an sozialen Praxen. Die Dinge wurden, neben den Körpern, zu Entitäten, die die Welt aktiv mitgestalten, anstatt passive Adressaten menschlicher Handlungen zu sein. So wurden Türen, Schlüsselanhänger (Latour 1992) oder medizinische Geräte zum aktiven Teilhaber an sozialen Phänomenen (Mol 2000).

Theorien, die seit einigen Jahren unter der Klammer ‚New Materialism’ (Dolphijn/Van der Tuin) subsumiert werden, haben in den letzten zehn Jahren das Körper-Ding Verhältnis noch einmal herausgefordert und umgeschrieben. Vor allem Karen Barads Konzept der Exteriority Within (Barad 2003, 2007) verlagert agency in einen Prozess der Ausdifferenzierung und Abgrenzung, in denen Körper und Dinge Grenzen erhalten, die real und materiell, aber nicht starr und natürlich sind. Barads ‚Agentieller Realismus’ definiert das Körper-Ding Verhältnis als Teil eines Phänomens in dem beide Relata Materialität und Bedeutung erhalten und somit auch von einander abgegrenzt werden. Die Trennung von Körpern und ihren Umgebungen repräsentiert aber keine ontologische Trennung, sondern führt eine performative Abgrenzung innerhalb von Phänomenen aus (agential cuts). Interaktion wird aus dieser Perspektive zu Intra- Aktion, da beide Entitäten, Körper und Ding, aus dem gemeinsamen Werden heraus definiert werden. Empirische Beschreibungen zeichnen diese gemeinsamen Prozesse der Begrenzung und Grenzverschiebung nach, indem sie versuchen die Verflechtungen des Phänomens zu beschreiben. So werden Bakterien verwoben mit Spurenelementen und Ökopolitik (Schrader 2010), menschliche Körper eingebettet in geographische Orte und musikalische Rhythmen (Saldana 2002), werdende Eltern verdichtet in Verbindungen mit Formularen, Detektoren und Produkten (Schadler, 2013) oder Körper im Fahrstuhl (Hirschauer, 1999) analysiert. Auch die queer theory hat die Verflechtung und verqueerung von Dingen und Personen nunmehr thematisiert (vgl. Dietze/Michaelis/Haschemi Yekani 2012).

Obige Ansätze implizieren, dass eine isolierte Theoretisierung und
Definition von Körpern oder Dingen, nicht ohne die anderen Teile des Phänomens, mit denen sie gemeinsam werden, möglich ist. Gleichzeitig wird es auch möglich, die Trennung der Definitionen von Körpern und Dingen zu hinterfragen. Auch die Frage, nach der ontologischen Qualität von Körpern – als Dinge? Oder gerade nicht? – bleibt angesichts der interdisziplinären Forschung virulent. Wie werden Körper und Dinge als unterschiedlich materialisiert und definiert? Ansätze in den Sozialwissenschaften, die unter der Chiffre ‚Praxeologie’ geführt werden, greifen diese Fragen in empirischer Absicht zunehmend auf. Dem folgend sind wir für das Themenheft der Zeitschrift Body Politics an Artikeln interessiert, die ausgehend von obigen Theorieansätzen, das Verhältnis und die Herstellung der Grenzen zwischen Körpern und Dingen Gegenstandsbezogen an Hand von empirischen Daten, historischen oder gegenwärtigen Beispielen/Erzählungen analysieren.

Body Politics ist eine Zeitschrift mit dem Fokus Körpergeschichte, die den Körper als "mulitdimensionalen Forschungsgegenstand", als "Medium der Subjektivierung" und als "Ort gesellschaftlicher Ordnungsversuche und nicht zuletzt politischer Konflikte" betrachten möchte (http://bodypolitics.de/). Im Heft Nr. 9, das für Mitte 2016 geplant ist, möchten wir in diesem Sinne das Verhältnis von Körpern und Dingen näher untersuchen. Wir fordern Geistes- und Sozialwissenschafter*innen dazu auf, Artikelvorschläge im Umfang von 1500 Wörtern zu verfassen.

Beitragsvorschläge schicken Sie bitte bis zum 15.November 2014 an
Paula.Villa@lmu.de und
Cornelia.Schadler@soziologie.uni-muenchen.de.

Alle zunächst angenommenen Vorschläge werden, gemäß den Richtlinien der Zeitschrift, einem anonymisierten peer review Verfahren unterzogen. Mitte Dezember 2014 ergeht die endgültige Rückmeldung bzgl. der Beiträge, die Einreichung der fertigen Beiträge wird voraussichtlich am 30.06.2015 fällig.

Literatur
Appardurai, A. (Hg.) (1986): The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective. Cambridge, CUP.
Barad, K. (2003). Posthumanist Performativity: Toward an Understanding of how Matter comes to Matter. Sings: Journal of Women in Culture and Society 28: 802.
Barad, K. (2007). Meeting the Universe Halfway: Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Duke, Durham.
Callon, M. (1986). Some Elements of a Sociology of Translation: Domestication of the Scallops and the Fishermen of St Brieuc Bay. In: Law, John: Power, Action and Belief: A New Sociology of Knowledge. London: Routledge. 196-233.
Dietze, G./ Michaelis, B./ Haschemi Yekani, E. (Hg.) (2012): The Queerness of Things not Queer - Entgrenzungen – Affekte und Materialitäten – Interventionen. Heft der feministischen studien 2/2012
Dolphijn, R. und Van der Tuin, I. (2012): New Materialism: Interviews and Cartographies. Ann Arbor: Open Humanities Press.
Haraway, D. J. (1991). A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist- Feminism in the Late Twentieth Century. In: Haraway, D. J.: Simians, Cyborgs, and Women: The Reinvention of Nature. Routledge, New York. 149–181.
Hirschauer, S. (1999): Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt. Soziale Welt 50: 221- 246.
Latour, B. (1996): On Actor Network Theory. A Few Clarifications. Soziale Welt 47/4: 369–381.
Latour, B. (1992). Where Are the Missing Masses? The Sociology of a Few Mundane Artifacts.In: Bijker, W. und Law, J.: Shaping Technology. Cambridge: MIT Press.
Law, J (1992): Notes on the Theory of the Actor-Network: Ordering, Strategy and Heterogeneity. Systems Practice 5: 379-93.
Mol, A. (2000): What Diagnostic Devices Do. The Case of Blood Sugar Measurement. Theoretical Medicine and Bioethics 21: 9-22
Plessner, H. (1975; Orig. 1928): Die Stufen des Organischen und der Mensch. Berlin, de Gryuter.
Saldanha, A. (2002): Music Tourism and Factions of Bodies in Goa. Tourist Studies 2: 43–62.
Schadler, C. (2013): Vater, Mutter, Kind werden: Eine posthumanistische Ethnographie der Schwangerschaft. Bielefeld: transcript.
Schrader, A. (2010): Responding to Pfiesteria piscicida (the Fish Killer):
Phantomatic Ontologies, Indeterminacy and Responsibility in Toxic
Microbiology. Social Studies of Science 40: 275-306
Tilley, Ch. et al (Hg.): Handbook of Material Culture. London, Sage.

Programm

Kontakt

Paula-Irene Villa und Cornelia Schadler,
Institut für Soziologie, LMU München,
Paula.Villa@lmu.de und C.Schadler@lmu.de