Das Unheimliche, Gespenstische und Spukhafte

Das Unheimliche, Gespenstische und Spukhafte

Veranstalter
Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien
Veranstaltungsort
Ort
Bamberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.04.2015 - 19.04.2015
Deadline
30.09.2014
Von
Lehmann, Florian


Freuds Essay über DAS UNHEIMLICHE von 1919, lange Zeit kaum rezipiert, gilt heute als einer seiner bekanntesten Texte. Im Foucaultschen Sinne fungiert Freud zweifellos als Diskursbegründer für das Konzept des Unheimlichen, wiewohl der Begriff zumindest etymologisch auf eine ältere Tradition verweisen kann. Insbesondere Schellings Diktum, demnach das Unheimliche alles sei, „was ein Geheimnis, im Verborgenen bleiben sollte und hervorgetreten ist“, hat sich für den psychoanalytischen Verdrängungsbegriff als anschlussfähig erwiesen. So greift Lacan in seinem Seminar über DIE ANGST (1962/63) das Unheimliche als Ausgangspunkt derselben vor dem ‚Objekt a‘ auf, einem Objekt, das seinen Status als solches noch nicht erreicht hat. Weiterhin bezieht sich Lacans Angstkonzeption auf die Philosophen Kierkegaard und Heidegger. In Heideggers SEIN UND ZEIT (1927) etwa liegt die Unheimlichkeit in der Grundbefindlichkeit der Angst, die „das Dasein eigens aus der Verlorenheit in das Man zurückholt zu ihm selbst“. Angst ist somit nicht psychologisch, sondern als fundamentale Kategorie des Daseins zu verstehen, als eine Form von Heimatlosigkeit in der Welt. Freuds und Heideggers Überlegungen zum Unheimlichen finden schließlich partiell in Derridas MARX’ GESPENSTER (1993) zueinander. Die Hantologie ist Derridas Versuch einer Philosophie der Heimsuchung. Das Unterdrückte kehrt als Gespenst zurück und entfaltet seine Wirkmächtigkeit für die Gesellschaft der Gegenwart in einem spektralen Zwischenstatus.

Auf der Tagung sollen neben den bereits skizzierten auch andere Ansätze zum Unheimlichen, Gespenstischen und Spukhaften aus theoretischer, ästhetischer und medialer Perspektive diskutiert werden. Willkommen sind Vorträge zu literatur-, medien- und kulturgeschichtlichen Themen sowie Vertiefungen gegenwärtiger Phänomene.

Folgende mögliche Fragestellungen ergeben sich somit für die Tagung:

- KONZEPTION: Welche Perspektiven bieten weitere, weniger prominente Auseinandersetzungen mit dem Unheimlichen (von Ernst Jentsch, Rudolf Otto u.a.)?

- ÄSTHETISCHE THEORIE: Wie verhält sich das Unheimliche zu anderen ästhetischen Grundbegriffen wie z.B. dem Erhabenen, dem Fantastischen, dem Wunderbaren, dem Grotesken oder dem Komischen?

- FAKT und FIKTION: Welche Konsequenzen ergeben sich aus Freuds Unterscheidung „zwischen dem Unheimlichen, das man erlebt, und dem Unheimlichen, das man sich bloß vorstellt, oder von dem man liest“?

- ZEITGEIST: Martin Jay charakterisiert das erste Jahrzehnt nach dem Ende des ‚Eisernen Vorhangs‘ als „Uncanny Nineties“. Welche Rolle spielt entsprechend das Unheimliche im literarischen und medialen Diskurs der vergangenen fünfundzwanzig Jahre?

- PRODUKTIVITÄT: Anneleen Masschelein bezeichnet das Unheimliche als „Unconcept“, das einer vielfältigen und widersprüchlichen Semantisierung ausgesetzt wurde. Welche möglichen Konsequenzen hat dies für die Produktivität und analytische Nutzbarmachung des Unheimlichen?

- Das (UN)HEIM(AT)LICHE: Bei Freud heißt es, „heimlich ist ein Wort, das seine Bedeutung nach einer Ambivalenz hin entwickelt, bis es endlich mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt.“ Wie werden Heimat und Unheimliches im literarischen, filmischen und fotografischen Medium zueinander in Bezug gesetzt?

- FOTOGRAFIE: Worin liegt das Unheimliche der Fotografie als einem Medium, dem von Beginn an stets ein – mit Thomas Mann gesprochen – „Einschlag von Spukhaftigkeit“ zu eigen ist? Welchen Stellenwert hat das Unheimliche für die Theorie der Fotografie (z.B. bei Kracauer, Barthes und Sontag)?

- SERIE: Spätestens seit David Lynchs TWIN PEAKS ist das Unheimliche auch im sogenannten ‚Quality TV‘ angekommen. Wie wird eine unheimliche Atmosphäre in jüngeren Shows wie z.B. LES REVENANTS generiert und ggf. dekonstruiert?

- FILM: Als Maxim Gorki 1896 den Film L’ARROSEUR ARROSÉ der Gebrüder Lumière besuchte, seien, so schreibt er, Schatten, Geister und Gespenster auf der Leinwand lebendig geworden. Sind die medialen Praktiken des Films bereits eo ipso unheimlich? Wie verhält sich das Unheimliche zu einschlägigen Genres wie z.B. dem Horrorfilm oder dem Heimatfilm?

- LITERATUR: Wie wird allgemein das Unheimliche, Gespenstische und Spukhafte in der Literatur erzählt und wie kann dieser Erzählvorgang narratologisch erfasst werden? In welchem Verhältnis steht die realistische Literatur des 19., 20. und 21. Jahrhunderts zum Unheimlichen? Wird in der Gegenwartsliteratur Bezug genommen auf unheimliche Erzählmuster von etwa E.T.A. Hoffmann und E.A. Poe?

Angesprochen sind Wissenschaftlerinnen aller Philologien, der Komparatistik sowie der Film-, Medien- und Kulturwissenschaft. Insbesondere Doktorandinnen sind ausdrücklich eingeladen, einen Beitrag einzureichen!

Die Tagung wird vom Freitag, 17.4.2015, bis zum Sonntag, 19.4.2015, an der Universität Bamberg stattfinden. Bitte senden Sie Ihren Beitragsvorschlag als Abstract mit (vorläufigem) Titel im Umfang von max. 300 Wörtern und einer kurzen biobibliographischen Notiz bis zum 30.9.2014 an Florian Lehmann (florian.lehmann@uni-bamberg.de). Eine Entscheidung über die Annahme Ihres Themas erfolgt im Oktober. Der fertige Vortrag sollte die Länge von 20 Minuten nicht überschreiten und wird in einem Tagungsband veröffentlicht.

Programm

Kontakt

Florian Lehmann
Doktorand an der Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien
c/o Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft
An der Universität 5 | 96047 Bamberg
florian.lehmann@uni-bamberg.de

http://www.uni-bamberg.de/bagralcm/aktuelle-veranstaltungen/tagung-das-unheimliche-gespenstische-und-spukhafte