Wo war eigentlich „oben“ in den vormodernen Gesellschaften Europas? Die immer noch in Schulbüchern zu findenden „Lehnspyramiden“ hatten darauf eine klare Antwort, und auch die gegen dieses Modell gerichteten Studien zu „Aufsteigern“ setzen voraus, dass klar sei, in welche Richtung der Aufstieg ginge. Als Beleg haben oft genug Formen und Praktiken adeliger Repräsentation – „höfische“ Literatur, Turnierteilnahme, Burgenbau, Wappenkunst – zu dienen: Wer diese Repräsentationsformen pflegte, so die Annahme, hatte entweder den entsprechenden Status inne oder wollte ihn erreichen.
Das Wappenbuch Grünenbergs, eine der einflussreichsten Sammlungen seiner Art, bietet die Chance, über komplexere und subversivere Gestaltungsweisen sozialer Beziehungen nachzudenken, als es mit Schlagwörtern wie „Adelskultur“ und „Aufsteiger“ fast reflexartig geschieht. Der Workshop soll laufende Forschungsprojekte, die jeweils sehr zahlreiche Wappenbücher erforschen, dadurch ergänzen, dass hier mit Grünenbergs Wappenbuch gezielt ein einzelnes Werk in den Blick genommen wird, zu dem bereits umfangreiche, bislang aber stark getrennte Forschungen aus verschiedenen Disziplinen vorliegen oder im Entstehen begriffen sind. Im Mittelpunkt der Gespräche sollen die Gestaltungsmöglichkeiten stehen, die Grünenberg und seine Fortsetzer hatten. Welche konkurrierenden Ordnungsvorstellungen wurden hier formuliert, welche bei den Rezipienten vorausgesetzt? Wie wurde Individuen und Gruppen in der Repräsentation ihrer Wappen Rang zugesprochen? Welche wechselnden oder überlappenden Zugehörigkeiten werden in wechselnden, kombinierten oder uneindeutigen Darstellungen der entsprechenden Wappen einzelner Personen, Herrschaften oder Gruppen ausgedrückt?
Bei Interesse wird um eine Anmeldung per E-Mail an Christof Rolker gebeten.