Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob Kunstwerke, die antik aussehen, tatsächlich auch authentisch sind. Auf der einen Seite gibt es das Phänomen der allmählichen Veränderung zweifelsfrei echter Stücke, die sich aus ‚Verbesserungen’ wie Restaurierungen, Überarbeitungen und Ergänzungen fehlender Teile ergibt. Auf der anderen Seite tauchen komplett neu geschaffene Bronzewerke auf, die als antik ausgegeben werden. Da bei der Herstellung solcher Fälschungen immer raffiniertere Methoden angewandt werden, nimmt es nicht Wunder, dass gut gemachte Pseudo-Antiken immer häufiger in renommierte Sammlungen gelangen. Diese Situation ist wissenschaftlich umso prekärer, als die in den öffentlichen und privaten Sammlungen ausgestellten Werke ja Referenzpunkte für weitere kunsthistorische Untersuchungen und Vergleiche darstellen.
Vor geraumer Zeit hat die in Stendal ansässige Winckelmann-Gesellschaft eine Bronzebüste Alexanders des Großen ausgestellt. Dieses Stück wurde in Bezug auf seine Authentizität höchst kontrovers diskutiert. Die hierbei gestellten Fragen an das allem Anschein nach gefälschte Alexanderbildnis führten zu einem regen wissenschaftlichen Austausch und fanden in der Forschung wie auch in der regionalen und überregionalen Presse großes Interesse. Der erkennbar große wissenschaftliche Impuls, der von der Frage nach der Authentizität und Originalität antiker Großbronzen ausgeht, war der Anlass, ein Arbeitsgespräch zu diesem Thema zu organisieren, das am 5. Mai 2014 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stattfinden wird. Während dieser Veranstaltung werden Klassische Archäologen, Kunsthistoriker, Naturwissenschaftler, Philosophen und Restauratoren einen intensiven interdisziplinären Dialog zur Thematik der Authentizität und Originalität antiker Großbronzen führen und dabei auch neue Forschungsergebnisse zur Diskussion stellen.
Ausgangs- und Mittelpunkt des Arbeitsgespräches wird ein Bronzebildnis des Augustus aus Schweizer Privatbesitz sein, dessen antike Entstehung zweifelhaft ist und das stilistisch eine Nähe zum Umkreis des sog. Spanischen Meisters erkennen lässt. Erstmals kann jetzt eines der als Fälschung dringend verdächtigten Bronzeobjekte durch eingehende Autopsie naturwissenschaftlich und technisch sowie in einem kombinierten geisteswissenschaftlichen Zugriff untersucht werden, während außerwissenschaftliche Erwägungen außer Betracht bleiben sollen.

Prof. Dr. Stephan Lehmann
Archäologisches Museum der Martin-Luther-Universität