Ehrregime: Akteure, Netzwerke und Praktiken lokaler Ehrungen im 19. und 20. Jahrhundert

Ehrregime: Akteure, Netzwerke und Praktiken lokaler Ehrungen im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
Dietmar von Reeken / Malte Thießen, Arbeitsstelle Regionale Geschichtskulturen, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Veranstaltungsort
Schlaues Haus Oldenburg, Schlossplatz 16, 26122 Oldenburg (weiter Informationen zum Veranstaltungsort unter: http://schlaues-haus-ol.de/)
Ort
Oldenburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.06.2014 - 28.06.2014
Von
Dietmar von Reeken & Malte Thießen

Seit dem 19. Jahrhundert verleihen Regionen, Städte und Gemeinden einzelnen Personen oder Gruppen vermehrt eine besondere Ehre. Die Tagung spürt solchen Praktiken des Ehrens als Benennung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden, beim Setzen von Denkmälern und Gedenktafeln, bei der Verleihung von Medaillen, Ehrenbürgerschaften oder Ehrengräbern nach, um neue Erkenntnisse zur Identitäts- und Geschichtspolitik vor Ort zu gewinnen.

Ehrungen eröffnen demnach ein facettenreiches Forschungsfeld. Sie sind Medien lokaler und regionaler Geschichtskultur und dienen der Identitätsstiftung. Ehrungen sind damit das Ergebnis gesellschaftlicher Debatten und Aushandlungsprozesse. Insofern werden Regime auf der Tagung nicht als Herrschaft im umgangssprachlichen Sinne, als "top-down-Prinzip" verstanden. Vielmehr zielen die Referentinnen und Referenten auf die Erkundung konfliktreicher Kommunikationsprozesse zwischen unterschiedlichen Akteuren über Normen und Machtverhältnisse. Der jeweiligen Ehrung geht somit eine Klärung gemeinsamer Bedürfnisse, Vergangenheitsbezüge und Zukunftserwartungen der ehrenden Gemeinschaft voraus. Die Benennung eines Straßennamens und Verleihung einer Ehrenbürgerschaft, die Eintragung ins goldene Buch, die Widmung eines Denkmals oder einer Briefmarke verleiht dem oder der Geehrten folglich eine Ehre, die für die Ehrenden konsensfähig sein und zur allgemeingültigen Norm, ja zum Vorbild der Region, Stadt oder Gemeinde erklärt werden soll.

Mit dieser Schwerpunktsetzung möchte die Tagung neue Erkenntnisse über die Aushandlung sozialer Ordnungen und Normen vor Ort gewinnen und Einblicke in die Verhandlung und Formierung lokaler und regionaler Gemeinschaften seit dem 19. Jahrhundert eröffnen. Obwohl die Erforschung regionaler und lokaler Erinnerungskulturen seit längerem en vogue ist, stehen Ehrungen bislang selten im Fokus. Diese Forschungslücke ist umso erstaunlicher, weil gerade in letzter Zeit zahlreiche hitzige Debatten über Ehrregime geführt wurden, in denen das Problem von Straßennamen, Ehrenbürgerschaften und Denkmalen zur Sprache kam. Der Streit in Münster um den Hindenburgplatz oder die Hannoveraner Debatte um Hinrich Wilhelm Kopf bieten für diese überregional beachteten Konflikte nur einige aktuelle Beispiele. Kurz gesagt möchte die Tagung ein wenig erkundetes Forschungsfeld eröffnen, auf dem sich bisherige Studien zur Erinnerungskultur und Geschichtspolitik um soziale, räumliche und praxeologische Dimensionen erweitern lassen.

Wir freuen uns über den Austausch auf der Tagung mit interessierten TeilnehmerInnen und bitten um eine Anmeldung zur Tagung per Mail an Anke Berding, Institut für Geschichte der CvO Universität Oldenburg (anke.berding@uni-oldenburg.de). Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos, Reise- und Übernachtungskosten für Nicht-ReferentInnen können von der Arbeitsstelle Regionale Geschichtskulturen leider nicht übernommen werden.

Programm

Freitag, 27.06.2014

11:00-11:30 Dietmar von Reeken und Malte Thießen: Einführung in die Tagung

11:30-13:30 Panel 1 – Heldenfiguren

Inge Marszolek: Freiherr von Hünefeld und der erste Nordatlantikflug von Europa nach Amerika: Aushandlungen über Vaterland, Ehre und Modernität in Bremen 1928 – 1998
Yvonne Robel: Ernst Thälmann zur Ehre: Öffentliche Deutungskämpfe in Hamburg
Christoph Rass: Die Stadt und der gute General. Aufstieg und Fall eines Helden

13:30-14:00 Kaffeepause

14:00-16:00 Panel 2 – akademische Ehrungen

Jörg Seifert: Hamburg – Hannover – Hamburg: Die Vergabe des Fritz-Schumacher-Preises seit 1950
Kerstin Thieler: Der lange Weg zur Briefmarke: Max Born und James Franck zwischen politischer Stellungnahme und vergangenheitspolitischen Ehrbezeugungen
Lena-Elisa Freitag: Akademische Ehrvorstellungen und Wissenschaftspolitik. Ehrungen an der Universität Göttingen im Nationalsozialismus

16:00-16:30 Kaffeepause

16:30-18:30 Panel 3 – Milieus und Praktiken

Daniel Schmidt: Industrielle Herrlichkeit. Bürgerliches Ehrregime in Gelsenkirchen 1875-1928
Marcus Weidner: "Wir beantragen…unverzüglich umzubenennen." Die Straßenbenennungspraxis in Westfalen und Lippe im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit

19:00-20:30 Abendvortrag (im Staatsarchiv Oldenburg)

Winfried Speitkamp: Verlorene Ehre. Ehrungen im politischen Streit um Vergangenheit und Gegenwart

ab 21:00 gemeinsames Abendessen

Samstag, 28.06.2014

09:30-12:00 Panel 4 – internationale Perspektiven

Antoine Mandret-Degeilh: Regieren durch Rituale. Die Entwicklung städtischer Ehrungsrituale in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich
Bàlint Varga: Symbolische Politik im Spannungsfeld von Nationalstaat, lokalen Gedächtnissen und konkurrierender Nationsbildungen in Ungarn am Ende des 19. Jahrhunderts
Susanne Lang: Wenn die Ehre endet. Das Nelson-Denkmal in Dublin und seine Wahrnehmung
Markus Wurzer: Die Südtiroler Sepp-Innerkofler-Verehrung unter italienischer Herrschaft: Akteure, Praktiken und Funktionen

12:00-13:00 Mittagssnack

13:00-14.15 Panel 5 – konfessionelle Ehrungen

Hansjörg Buss: "Den Dahingeschiedenen zum Gedächtnis. Den Lebenden zur Mahnung in Treue zum Vaterland, es den Heimgegangenen gleichzutun." Kirchliches Erinnern und Gedenken an den "großen Krieg" am Beispiel der Lübecker Landeskirche (1918-1933)
Nina Fehrlen-Weiss: "O Tilly, leicht hast Du es nicht, zu der Ehre zu kommen, die Dir schon lange gebührt!" Der steinige Weg zum Denkmal für einen katholischen Kriegshelden in Altötting

14.15-15:00 Tagungsbeobachtungen und Abschlussdiskussion

Nikolaus Buschmann, Stephan Scholz und Winfried Speitkamp

Kontakt

Anke Berding
Institut für Geschichte der CvO Universität Oldenburg

anke.berding@uni-oldenburg.de

http://www.regionale-geschichtskulturen.de
Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger