Der Papst und das Buch im Spätmittelalter (1350-1500): Bildungsvoraussetzung, Handschriftenherstellung, Bibliotheksgebrauch

Der Papst und das Buch im Spätmittelalter (1350-1500): Bildungsvoraussetzung, Handschriftenherstellung, Bibliotheksgebrauch

Veranstalter
Hugo von Sankt Viktor - Institut in Kooperation mit dem Erbacher Hof, Akademie der Diözese Mainz
Veranstaltungsort
Erbacher Hof
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.09.2014 - 06.09.2014
Deadline
06.09.2014
Von
Britta Müller-Schauenburg

Die rapide Zunahme der Schriftlichkeit im ausgehenden lateinischen Mittelalter stellt auch im Blick auf das Papsttum dieser Epoche einen zentralen Befund dar. Dieses Faktum betrifft nicht nur das Kanzleiwesen, das insbesondere mit der fortschreitenden Verrechtlichung eine signifikante Weiterentwicklung erfuhr, sondern ebenfalls den Bereich der Bücher und der Bibliotheken. Diese letztgenannten Dimensionen päpstlicher Schriftlichkeit wurden verglichen mit der hervorragend betriebenen Erschließung des Kanzleiwesens und der Urkundenüberlieferung, trotz großartiger Einzelleistungen, insgesamt noch weniger erforscht. Der Kongress möchte dazu beitragen, diese Lücke weiter schließen zu helfen, indem er die Beziehung zwischen dem höchsten Leitungsamt der lateinischen Kirche und dem handschriftlichen Buch im späten Mittelalter fokussiert.

Nach dem Verlust mehrerer kleinerer Buchsammlungen seit der Antike begann Johannes XXII. am Beginn des 14. Jahrhunderts, in Avignon residierend, erneut mit der Zusammenstellung einer Bibliothek, die bis zum Tod des letzten Papstes der Avignoneser Linie im Jahr 1423 auf einen Bestand von ca. 2300 Bänden anwuchs. Nach dem Ende des Avignoneser Papsttums ging dieser Bestand teilweise in den Bestand der heutigen Bibliotheca Vaticana ein. Fast noch gleichzeitig mit dem Ende der Avignoneser Bibliothek begann in Rom 1447 Papst Nikolaus V. auf der Grundlage von 350 Bänden aus seinem Privatbesitz ebenfalls eine neue Sammlung, die bis zu seinem Tod im Jahr 1455 auf immerhin 1500 Bände anwuchs und bis zum Jahr 1481 eine Größe von bereits 3500 Bänden erreichte. Der Zeitraum bis 1500 bezieht auch den Ausblick auf den Beschluß der Krise des Papsttums und die erste Phase der Einführung des Buchdrucks ab 1454 noch mit ein.

Drei Sektionen thematisieren jeweils ein Gebiet der Bibliotheksforschung. Die erste Sektion ist der Vor- und Ausbildung derjenigen Personen, die auf den Stuhl Petri gelangten, als einer inneren Grundbedingung des Umganges mit Büchern gewidmet. Welche konkreten Ausbildungen besaßen die papabilen Mitglieder des Kardinalskollegiums im Zeitraum zwischen 1350 und 1500? Welche der Bildung gegenüber besonders positiv eingestellten Personen oder auch Entscheidungen lassen sich mit Blick auf das Papsttum dieser Epoche identifizieren und beschreiben? Gab es, und wenn ja, in welcher Form und mit welcher begleitenden zeitgenössischen Reflexion, auch bildungsfeindliche Tendenzen? Die zweite Sektion widmet sich den Handschriften als der äußeren, materialen Vorbedingung einer Beziehung zwischen Papst und Buch und der Existenz einer päpstlichen Bibliothek – ihrer Herkunft, der Möglichkeit päpstlicher Einflußnahme auf die Ausstattung, den Belegen und Spuren solcher Einflußnahmen sowie ihrer Interpretation, sowohl für Texte als auch für Illuminationen. Die dritte Sektion widmet sich der päpstlichen Bibliothek als einem Raum päpstlicher Bildung und intellektueller und persönlicher Begegnung.

Die Tagung steht im Kontext des DFG-Forschungsprojektes „Gebildetes Papsttum“ (www.sankt-georgen.de/hugo/forschung/gebildetespapsttum.php), in dessen Rahmen seit 2012 die päpstliche Bibliothek als Spiegel des Denkens exemplarisch bei Benedikt [XIII.] (Pedro de Luna) untersucht und die bibliotheksgeschichtliche Methode als Instrument der Personengeschichtsschreibung reflektiert wird.

Programm

PROGRAMM

Donnerstag, 4. September 2014

Eröffnung

18:00 RAINER BERNDT, BRITTA MÜLLER-SCHAUENBURG: Begrüßung
18:15 Öffentlicher Abendvortrag: RAINER BERNDT: Die päpstliche Bibliothek als Fingerabdruck

Freitag, 5. September 2014

SEKTION I: BILDUNGSVORAUSSETZUNG

Moderation: ALEXANDER FIDORA
09:00 RALF LÜTZELSCHWAB: Schule, Studium, Karriere? Bildungswege der Kardinäle

09:30 PATRICK ZUTSHI: An Urbanist Cardinal and his Books. The library and writings of Adam Easton

11:00 KLAUS REINHARDT: Die römisch-kurialen Verflechtungen des Cusanus am Beispiel seiner Bibliothek und derjenigen der Päpste

11:30 JESSICA NOWAK: Freunde der Bildung? Bildungshunger und Bildungspflege als Faktoren der Papstwahl

SEKTION II: HANDSCHRIFTENHERSTELLUNG

Moderation: CHRISTOPH EGGER
14:30 ANETTE LÖFFLER: Wessen Hände schreiben das Große Abendländische Schisma? Entstehung und Kontextualisierung der Libri de scismate

15:00 BRIGIDE SCHWARZ: Päpstliche Kanzlei und Handschriftenherstellung (angefragt)

Moderation: REJANE GAY-CANTON
16:30 ANGELA FRANCO MATA: Espagnoles? Les manuscrits pontificaux de la fin du XIVe siècle et le commencement du XVe siècle

17:00 JOSEFINA PANELAS BADENAS: The Papal scriptorium of Benedict XIII and the schism: Illuminated manuscripts in Peñíscola (El scriptorium de Benedicto XIII y el cisma de la Iglesia: Códices iluminados en Peñíscola)

17:30 MARTA MARIA PAVON RAMIREZ: La producción de manuscritos a la curia pontifical en los siglos 14 y 15

Samstag, 6. September 2014

SEKTION III: BIBLIOTHEKSGEBRAUCH

Moderation: GILBERT FOURNIER
09:00 BÉNÉDICTE SÈRE: Die päpstliche Bibliothek als Raum des Wissens und der Freundschaft (angefragt)

09:30 PAUL PAYAN: Raumordnung des Palastes und Bibliotheksgebrauch der Päpste in Avignon

Moderation: ANDREA RAPP
10:45 BERNHARD SCHIMMELPFENNIG: Die Handbibliothek des Papstes im 14. Jahrhundert

11:15 CHRISTINE MARIA GRAFINGER: Die Auflösung der mittelalterlichen Bibliothek der Päpste in Avignon und die Gründung der Vatikanischen Bibliothek in Rom

12:15 BARBARA VON LANGEN-MONHEIM, kurzer Werkstattbericht: Die Edition der Akten eines von einem die Bibliothek hochschätzenden Papstes strikt geführtes Konzils: Perpignan 1408 und die fehlenden Spuren der Bücher

Moderation: BRIGITTE HOTZ
14:30 BRITTA MÜLLER-SCHAUENBURG: Die päpstliche Bibliothek als Privatbibliothek?

15:00 MICHAEL EMBACH: Tücken und Tiefpunkte der Rekonstruktion einer mittelalterlichen Buchaufstellung

16:00 RAINER BERNDT, BRITTA MÜLLER-SCHAUENBURG, ANETTE LÖFFLER: Ertrag und Forschungsperspektiven

Kontakt

Dr. Britta Müller-Schauenburg
Hugo von Sankt Viktor - Institut für mittelalterliche Quellenkunde
PTH Sankt Georgen
Offenbacher Landstraße 224
60599 Frankfurt
mueller-schauenburg@sankt-georgen.de

http://www.bistummainz.de/einrichtungen/erbacher_hof/akademie/index.html?f_action=show&f_event_id=164105