Herrscherdarstellung in historiographischen und biographischen Texten des Renaissance-Humanismus / Portraying the Prince in the Renaissance: The Humanist Depiction of Rulers in Historiographical and Biographical Texts

Herrscherdarstellung in historiographischen und biographischen Texten des Renaissance-Humanismus / Portraying the Prince in the Renaissance: The Humanist Depiction of Rulers in Historiographical and Biographical Texts

Veranstalter
Johannes Helmrath / Patrick Baker / Ronny Kaiser / Maike Priesterjahn, Sonderforschungsbereichs 644 – "Transformationen der Antike", Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltungsort
Humboldt-Universität zu Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.11.2014 - 08.11.2014
Deadline
14.02.2014
Website
Von
Ronny Kaiser, Sonderforschungsbereich 644 "Transformationen der Antike", Humboldt-Universität zu Berlin

[English below]

Der Sonderforschungsbereich „Transformationen der Antike“ an der Humboldt-Universität zu Berlin veranstaltet vom 6.-8. November 2014 eine internationale Tagung zum Thema „Herrscherdarstellung in historiographischen und biographischen Texten der Renaissance“ und bittet um Abstracts für mögliche Beiträge. Im Rahmen dieses interdisziplinären Forschungsbereichs, in dem eine eigene Theorie zum kulturellen Wandel entwickelt wird, beschäftigt sich das von Prof. Johannes Helmrath geleitete Teilprojekt mit der humanistischen Historiographie und ihrer Aneignung von antiken Texten, Methoden, Praktiken und Modellen. Im Anschluss an die bereits veranstalteten Tagungen und daraus hervorgegangen Publikationen, die sich im Rahmen humanistischer Geschichtsschreibung vor allem auf Medien und Sprachen, literarische Praktiken und soziale Kontexten sowie narrative Transformationen konzentrierten, fokussiert das Teilprojekt nun die Frage nach den Funktionen einzelner Personen in humanistischen Texten.

Dass humanistische Geschichtswerke gerade menschliches Handeln unter dem Vorzeichen der Kontingenz (im Gegensatz etwa zur göttlichen Providenz) beschreiben und reflektieren, wird seit langem in der Forschungsliteratur als ein wesentliches Charakteristikum herausgestellt. Von dieser Vorannahme, die zugleich kritisch zu hinterfragen ist, gehen wir aus und fragen nach Darstellung von Herrschergestalten, die nicht nur inhaltlich, sondern auch formal eine funktionale Schlüsselstellung in historiographischen und biographischen Texten zahlreicher Humanisten einnehmen. Eine solche thematische Ausrichtung verspricht neue, gewinnbringende Einblicke in die literarischen Produktionsprozesse und Geschichtskonzeptionen humanistischer Gelehrter. Die Texte und Autoren, die im Rahmen der Tagung diskutiert werden, sollen einen möglichst breiten Zeitraum und von ihrer Provenienz her ein möglichst gesamteuropäisches Spektrum abdecken, um so Kontinuitäten und Brüche auf der einen Seite, nationale, respektive regionale Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf der anderen Seite zu identifizieren und zu konturieren.

Doch was ist eigentlich ein historischer Text? Stellt diese Frage bereits für den heutigen Wissenschaftler eine kaum zu meisternde Herausforderung dar, so wird sie mit Blick auf den Renaissance-Humanismus nicht leichter lösbar. Während antike Autoren wie Nepos oder Plutarch deutlich zwischen Biographie und Historiographie unterschieden, waren Humanisten weniger präzise in der Differenzierung von biographischen Beschreibungen und Erzählungen historischer Ereignisse. Vielmehr verläuft die Grenze zwischen biographischen und historiographischen Narrativen in humanistischen Werken sehr fließend. Diese Hybridität historischer Texte zeichnet sich zudem durch ihre Integrationsfähigkeit unterschiedlicher Diskurse aus. So gibt es zahlreiche historiographische Werke, die wie Paolo Emilios De Rebus Gestis Francorum (1539) entlang von Gründer- und Herrscherfiguren biographisch strukturiert sind. Andererseits haben Werke, deren Titel zunächst den Eindruck erwecken, als gehörten sie dem Genre der Biographie an, aus der Perspektive der modernen Forschung einen mehr historiographischen Charakter, wie etwa Lorenzo Vallas Gesta Ferdinandi regis (1449). Darüber hinaus lassen sich auch solche Werke beobachten, die durch die Wahl ihres Titels einen historiographischen Charakter suggerieren, allerdings auch der Biographie zugeschrieben werden könnten, wie Thomas Morus` Historia Richardi regis Angliae eius nominis tertii (1513). Im Rahmen der Untersuchung von Herrscherdarstellungen in historischen Texten des Renaissance-Humanismus erscheint es daher sinnvoll, ein breiteres Spektrum an Textgattungen mit biographischen und historiographischen Inhalten in den Blick zu nehmen.

Ein wesentliches Ziel der Tagung besteht darin, eine Diskussion über gattungsspezifische Merkmale unterschiedlicher Texte anzuregen, in denen Herrscherdarstellungen eine prominente Rolle einnehmen. In diesem Zusammenhang sind zunächst die Genres der national fokussierten res gestae, decades und historiae zu erwähnen, in denen Fürsten eine bedeutende Rolle zukommt, wie bspw. Antonio Bonfinis Rerum Ungaricarum decades (1503), Elio Antonio de Nebrijas Rerum a Ferdinando et Elisabe Hispaniarum regibus gestarum decades (1509) oder Polydor Vergils Anglica historia (1514). Die Darstellung einzelner Herrscher kann aber ebenso in Chroniken und Annalen eine entscheidende Schlüsselstellung einnehmen, wie bspw. in Hartmann Schedels Weltchronik (1493) und Johannes Aventins Annales ducum Boiariae (1521). Darüber hinaus sind aber auch historische Epen wie Basinio Basinis Hesperis (ca. 1450-57, auf Sigismondo Malatesta), Giovanni Mario Filelfos Amyris (1471-76, auf Mehmed II) und Girolamo Vidas Christiad (1535) oder die Edition des mittelalterlichen, in Hexametern verfassten Werkes Ligurinus zu berücksichtigen, die Conrad Celtis und weitere Mitglieder der sodalitas Augustana (1507) publizierten. Auch Sammelbiographien sollten in die Untersuchung miteinbezogen werden: Während Platinas Vitae Pontificum (1479) bspw. eindeutig eine Papstgeschichte darstellt, zielt Enea Silvio Piccolominis De viris illustribus (ca. 1449) als Gesamtwerk auf die Darstellung europäischer Politikgeschichte des frühen 15. Jhs. Nicht zuletzt ergänzen Einzelbiographien, wie Tito Livio Frulovisis Vita Henrici V (1436), die Liste der traditionell mit historischen Textgattungen in Verbindung gebrachten Werke. Darüber hinaus lassen sich weitere Textgattungen bestimmen, die aufgrund ihrer biographischen Elemente ebenfalls berücksichtigt werden können, wie Satiren, Traueranthologien, Panegyriken, Leichenreden, Lobgedichte, Hagiographien und Kommentare, in denen Herrscherdarstellungen eine prominente Rolle einnehmen.

Eine weitere, sehr vielversprechende Herangehensweise an die Fragestellung könnte auch darin bestehen, nach den möglichen Verwendungen und Transformationen antiker biographischer Modelle in humanistischen Werken zu fragen: Welchen Einfluss haben die biographischen Modi eines Sueton, dessen Biographien intern nicht chronologisch, sondern kategorial geordnet und insofern – mit Blick auf die Darstellung des jeweiligen Kaisers – stark selektiv sind? Inwiefern sind humanistische Texte bestimmt von den Modi eines Plutarch, dessen Personendarstellungen zum einen chronologisch angelegt und zudem unmittelbar an die jeweiligen Parallelviten gekoppelt sind? Spielten auch andere biographischen Modi antiker Autoren, wie etwa die des Hieronymus oder Xenophon, für die humanistische Darstellung von Herrschergestalten eine Rolle?

Für die Untersuchung von Herrscherdarstellungen in diesen oder anderen historiographischen und biographischen Texten gibt es zahlreiche attraktive Ansätze: Wie werden die einzelnen Herrscher bei verschiedenen Autoren oder über unterschiedliche Genres hinweg beschrieben? Werden bestimmte Texttypen für bestimmte Persönlichkeiten (verstorben vs. lebendig, gut vs. schlecht, ausländisch vs. einheimisch usw.) für besonders geeignet gehalten? Welche sozialen und politischen Kontexte lagen der Textkomposition zugrunde? Was lässt sich über die causa scribendi oder den offiziellen Charakter des Werkes sagen? Welchen Einfluss hatte der soziokulturelle Hintergrund eines Autors auf die Wahl der Textgattung oder auf die Art und Weise, wie ein Herrscher dargestellt wird? Weist ein Werk enkomiastische Tendenzen auf oder ist es als Invektive angelegt? Über die Autorität klassischer Autoren hinaus wären auch exemplarische Untersuchungen zur Modellhaftigkeit antiker oder mittelalterlicher Herrscher – wie die eines Alexanders, Augustus oder Karls des Großen – in humanistischen Texten möglich. Denn die Art und Weise, wie gerade zeitgenössische Könige und Fürsten von Humanisten dargestellt werden, ist nicht zuletzt dadurch charakterisiert, dass diese mit Blick auf ihre (bspw. politischen oder militärischen) Leistungen auch mit prominenten Herrschergestalten der antiken oder mittelalterlichen Geschichte verglichen werden.

Der Call for Papers richtet sich insbesondere an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet des Renaissance-Humanismus. Wir freuen uns insbesondere über Beiträge zum nord- und osteuropäischen Humanismus sowie zu humanistischen Werken, die den außereuropäischen Raum mit einbeziehen. Die Abstracts können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden und sollten maximal 500 Wörter umfassen. Zusätzlich wird um einen kurzen, einseitigen Lebenslauf gebeten. Die späteste Abgabefrist ist der 14. Februar 2014. Mögliche Interessenten schicken ihre Abstracts bitte im .doc- oder .docx-Format an: Herrscherdarstellung2014@hu-berlin.de.

-----------------------------------------------------------------------

The collaborative research center “Transformations of Antiquity” at the Humboldt University in Berlin is now soliciting abstracts for an international conference, to be held 6-8 November 2014, devoted to the portrayal of rulers in historiographical and biographical texts written by Renaissance humanists in the period from 1350-1550. In the larger context of interdisciplinary research on the transformative reception of antiquity across the ages and the development of a nuanced theory of how such inter-epochal cultural change actually takes place, an équipe within the research center, led by Prof. Johannes Helmrath, has focused for the past nine years on the topic of Renaissance humanist historiography and its relationship to ancient sources, methods, practices, and models. Having hosted conferences and issued publications that approach this topic by way of language and media, literary practice and social context, and the transformation of ancient narrative strategies, the research group is now turning its attention to the portrayal of individuals in humanist texts.

An emphasis on contingency and human agency (as opposed, for example, to divine providence) has long been considered a hallmark of Renaissance historiography. The conference begins from this premise but also aims to review it critically. Rulers, who occupy a central place in both the organization and the content of so many historical works, will provide the focus. By investigating the manifold ways these individuals and their historical impact are portrayed, contributors will offer crucial insight into this essential aspect of humanist literary production and the broader humanist conception of history. The texts and authors discussed at the conference should represent the broadest possible chronological and geographical spectrum (within the boundaries set) in order to facilitate the identification and description of temporal continuity and change on the one hand, national and regional similarities and differences on the other.

But what exactly is an historical text? As difficult as this question can be for modern scholars, it is even thornier when applied to the Renaissance. As opposed to ancient authors like Nepos and Plutarch who distinguished clearly between biography and historiography, humanists were less scrupulous in observing the distinction between life-writing and the narration of historical events. On the contrary, the line between these activities is often blurred in humanist writings of an historical nature, which tend to be characterized by a hybridization of quite disparate text types and a successful integration of various discourses. Thus countless ostensible works of history, such as Paolo Emilio’s De rebus gestis Francorum (1539), are structured biographically along a line of founding figures and kings. On the other hand, writings whose titles suggest that they belong to the genre of biography, such as Lorenzo Valla’s Gesta Ferdinandi regis (1449), appear to modern eyes rather as examples of historiography. Yet again, a work like Thomas More’s Historia Richardi regis Angliae eius nominis tertii (1513) could legitimately be considered a biography. Thus when approaching the issue of how rulers were portrayed in works of history, it seems useful to undertake a broader investigation of historiographical and biographical texts.

A primary aim of the conference is therefore to encourage discussion of the distinguishing characteristics of and links between the various genres in which the historical portrayal of rulers features prominently. One thinks immediately of the nationally focused res gestae, decades, and historiae in which rulers play a decisive role, such as Antonio Bonfini’s Rerum Ungaricarum decades (1503), Elio Antonio de Nebrija’s Rerum a Ferdinando et Elisabe Hispaniarum regibus gestarum decades (1509), and Polydore Vergil’s Anglica historia (1514). The portrayal of individual rulers is also a key element in biographically arranged chronicles and annals, such as Hartmann Schedel’s Weltchronik (1493) and Johannes Aventinus’s Annales ducum Boiariae (1521). In addition, historical epics like Basinio Basini’s Hesperis (ca. 1450-57, on Sigismondo Malatesta), Giovanni Mario Filelfo’s Amyris (1471-76, on Mehmed II), even Girolamo Vida’s Christiad (1535) should be considered, as could the edition of the medieval hexametrical work Ligurinus, curated by Conrad Celtis and other members of the sodalitas Augustana (1507). Nor ought biographical collections to be neglected; while Platina’s Vitae Pontificum (1479) clearly embodies a history of the papacy, the political history of early-fifteenth-century Europe is inscribed in the vignettes of Aeneas Sylvius Piccolomini’s De viris illustribus (ca. 1449). Discrete biographies, such as Tito Livio Frulovisi’s Vita Henrici V (1436), round out the list of traditionally recognized historical genres. Yet a case can be made for others as well, such as satires, funerary anthologies, panegyric orations and poetry, funeral orations, hagiographies, and commentaries, all of which have a strong biographical component.

Beyond the question of genre, the theme of the conference could also be approached by considering the various uses and transformations of ancient biographical models in humanist works. What influence was exercised by Suetonius and his thematic, as opposed to chronological, and thus highly selective mode of biography? To what extent were humanist texts characterized by Plutarch’s comparative framework? And what of other biographical modes, such as those of Jerome or Xenophon?

Many other approaches are possible. How are individual princes portrayed differently by various authors or across various genres? Do certain text types lend themselves to specific kinds of rulers (dead vs. living, good vs. bad, foreign vs. domestic, friendly vs. enemy, etc.)? What is the social and political context of a particular composition? What can be said about the causa scribendi, the stated and unstated intentions of the author? Was a work commissioned or not? Was it written in an encomiastic or invective mode? Beyond the auctoritas of ancient authors, one might also consider the authoritative status of specific ancient and even medieval rulers, such as Alexander, Augustus, or Charlemagne. How were contemporary kings and princes fit into bygone molds when their political or military accomplishments were described?

This call for papers is addressed to scholars of Renaissance humanism. Particularly welcome are contributions on humanism in Northern and Eastern Europe as well as on humanist works with a non-European subject. Abstracts may be submitted in English or German and should contain a maximum of 500 words. Please also submit a one-page CV. The deadline is 14 February 2014. Submissions should be sent as .doc or .docx files to Herrscherdarstellung2014@hu-berlin.de.

Programm

Kontakt

Ronny Kaiser

HU Berlin, SFB 644 "Transformationen der Antike", Mohrenstraße 40/41, 10117 Berlin

ronny.kaiser@staff.hu-berlin.de