Ziel der Konferenz ist es, methodische und sachliche Grundfragen der Relation von realhistorischer Ausformung ökonomischer Strukturen, insbesondere der Expansion geldwirtschaftlicher Beziehungen, und dem jeweiligen zeitgenössischen Wissen von Ökonomie, insbesondere dem Versuch, diese auf den häuslichen Raum zu beschränken, zu eruieren, um vor diesem Hintergrund die Geschichte der Transformation "ökonomischer" Wissensbestände in der europäischen Geschichte zu rekonstruieren.
Angesetzt wird in einem ersten Schritt in der griechischen Antike des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., die einerseits durch haus- und polisübergreifende Wirtschaft und eine Bedeutungszunahme der Agora gekennzeichnet war, in der sich andererseits, prominent bei Xenophon und Aristoteles, Konzeptionen der Oikonomia etablierten, die bewusst gegen ausdifferenziert wirtschaftliche Beziehungsmuster und Rationalitäten (Chrematistike) Stellung nahmen und den Bereich des Hauses als den Ort männlicher "despotischer" Herrschaft über Frau, Kinder und Sklaven sowie als die Basis des "guten Lebens" in der politischen Gemeinschaft der Polis konzeptualisierten.
In einem zweiten Schritt soll es um die Transformation des antiken Theorie- und Wissensbestandes in der Renaissance gehen. Seit dem 15. Jahrhundert zeichnet sich, zunächst in Italien, später vor allem in Frankreich und England, ein intensiver Rückgriff auf die Oikonomia-Konzepte von Aristoteles und Xenophon ab, dessen Motive und Reichweite bislang angesichts der Privilegierung der Rezeption ethischen und politischen Wissens nicht zureichend herausgearbeitet wurden.
Im Einzelnen stellen sich folgende Fragen:
1) Welche ökonomischen Entwicklungen (Bankwesen, etc.) motivieren die Auseindandersetzung mit dem antiken Wissen, welche Selektionen lassen sich beobachten und wie sind sie funktional zu verstehen?
2) Welche konzeptuellen Innovationen zeichnen sich als Reaktion auf neue komplexe ökonomische Praktiken ab? In welchem Bezug stehen sie zu mittelalterlichen theologischen Konzepten?
3) In welchen Formen manifestiert sich die Transformation des ökonomischen Wissens und wie sind diese mit ökonomischen Praktiken verknüpft? Das Spektrum reicht hier vom ökonomischen Hausbuch über Traktat- und Dialogformen bis zu fiktionalen Durcharbeitungen.