Politische Klugheit und Recht. Staat bei Christian Thomasius

Politische Klugheit und Recht. Staat bei Christian Thomasius

Veranstalter
Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltungsort
Franckeplatz 1, Hs. 54, 06110 Halle (Saale)
Ort
Halle (Saale)
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2013 - 02.10.2013
Website
Von
Frank Grunert

Christian Thomasius gilt in der politischen Ideengeschichte als bedeutender Frühaufklärer, „Rechtsstaats“-Theoretiker und Universitätsreformer, dessen Werk eng mit dem politischen und kulturellen Aufstieg von Brandenburg-Preußen im 18. Jahrhundert verflochten ist. Gleichwohl wird er von der Staatslehre zumeist entweder nur als Popularisator Pufendorfs oder als eklektischer Kritiker der großen Systementwürfe wahrgenommen, der trotz wegweisender Leistungen, wie die Trennung von Recht und Moral und wichtigen Weichenstellungen im rechtlichen Verhältnis zwischen Staat und Kirche am Ende doch keinen größeren Einfluss auf die Genese des Konzepts moderner Staatlichkeit reklamieren kann. Dies mag an den von Thomasius getroffenen theoretischen Entscheidungen liegen, die nach den Standards späterer Theoriebildung als defizitär angesehen wurden, oder an dem nur ausschnitthaften Blick auf den Gesamtkomplex der von Thomasius in unterschiedlichen Texten und Textgattungen entwickelten Staatslehre. Immerhin steht diesem Befund die zeitgenössische Wirkung entgegen. Sie ging etwa von den beiden von Thomasius vorgelegten Naturrechtslehren aus und reichte – an Christian Wolff und dessen Schule vorbei – bis in das späte 18. Jahrhundert. Dies berücksichtigend, will die Tagung den landläufigen Befund kritisch hinterfragen, indem er das staatstheoretische Werk von Thomasius konsequent in den historischen Kontext einbettet. Dabei soll das in der Thomasius-Forschung bisher dominante juridische bzw. rechtssystematische Erkenntnisinteresse in die weiterreichende Perspektive einer staatswissenschaftlichen Machtanalytik eingeordnet werden, die vor allem nach den von Thomasius praktisch wie theoretisch begründeten bzw. präferierten Handlungs- und Gestaltungsoptionen des Staates fragt. Mit diesem nur interdisziplinär einzulösenden, in seinem Kern aber staatswissenschaftlichen Ansatz wird die umfassende politische Dimension von Thomasius’ Staatstheorie in den Mittelpunkt gerückt. Von hier aus lassen sich im Spannungsfeld von politischer Klugheit einerseits und Recht als normativer Grundlage andererseits sowohl neue als auch bereits tradierte Fragestellungen bearbeiten: Welche Vorteile bietet eine erfahrungsbasierte historische Methode gegenüber dem abstrakten Universalismus des mos geometricus, um das Verhältnis des allgemeinen Staatskonzeptes zu seinen politischen Attributen (Macht-, Verwaltungs-, Rechts- und Wohlfahrtsstaat) zu beschreiben? In welchem genauen und wie perspektivierten Verhältnis stehen Klugheit und Naturrecht zueinander? Welche Handlungsfelder sieht Thomasius aus welchen Gründen für den Staat vor und wie weit reicht dessen Handlungskompetenz? In welchem Verhältnis stehen Staat und Untertan/Bürger zueinander, d.h. welche Handlungs- und Gestaltungsoptionen bzw. Handlungs- und Gestaltungskompetenzen hat der Untertan/Bürger? Bei der gesamten Darstellung soll der historisch-politische Status von Thomasius’ Staatstheorie als praktischer Beitrag zur Staatsbildung ernst genommen werden, damit soll nicht zuletzt eine teleologische Perspektive vermieden werden, die ein bestimmtes Staatskonzept als eine quasi-apriorische Essenz der historischen Interpretation zugrunde legt.

Programm

Dienstag, 01.10.2013
09.00-09.15
Frank Grunert (Halle) / Axel Rüdiger (Halle): Begrüßung und Einführung

09.15 10.15
Wolfgang E.J. Weber (Augsburg): Staatsräson und Individualinteresse. Zum Stand des deutschen Diskurses um 1700

10.15 11.15
Frank Grunert (Halle): Konsens / Dissens. Thomasius‘ Beziehung zu Samuel Pufendorf

11.15-11.45 Kaffeepause

11.45 12.45
Axel Rüdiger (Halle): Klugheitslehre und Decorum im Kontext politischer Affektorganisation

12.45 14.15 Mittagspause

14.15 15.15
Dieter Hüning (Trier): Thomasius‘ Begründung des Strafrechts

15.15 16.15
Peter Nitschke (Vechta): Policey und Politik

16.15 16.45 Kaffeepause

16.45 17.45
Georg Steinberg (Wiesbaden): Staat und Justiz

19.30 Gemeinsames Abendessen

Mittwoch, 02.10.2013

09.00 10.00
Ian Hunter (Brisbane): Church and State in Thomasius‘ »Cautelen zur Kirchenrechts-Gelahrheit«

10.00 11.00
Peter Schröder (London): Die politische Klugheit des Bürgers

11.00 11.30 Kaffeepause

11.30 12.30
Martin Kühnel (Halle): Ökonomie

12.30 14.00 Mittagspause

14.00 15.00
Merio Scattola (Padua): Die Wirkung von Thomasius‘ Staatslehre im 18. Jahrhundert

15.00 16.00
Perspektiven der Thomasius-Forschung:

Matthias Hambrock (Halle): Bericht über die Edition der Briefe von und an Christian Thomasius.

Frank Grunert (Halle): Bericht über die »Ausgewählten Werke« von Christian Thomasius

Kontakt

Frank Grunert

Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung.
Franckeplatz 1, Hs. 54, 06110 Halle (Saale)
0345-5521773
0345-5527252
frank.grunert@izea.uni-halle.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung