Der Erste Weltkrieg an der Grenze. Grenzregionen und -gesellschaften im europäischen Vergleich. Jahrestagung des Arbeitskreises Historische Friedensforschung (AKHF)

Der Erste Weltkrieg an der Grenze. Grenzregionen und -gesellschaften im europäischen Vergleich. Jahrestagung des Arbeitskreises Historische Friedensforschung (AKHF)

Veranstalter
Zentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen; in Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedensforschung (AKHF)
Veranstaltungsort
Freie Universität Bozen/Libera Università di Bolzano
Ort
Bozen/Bolzano
Land
Italy
Vom - Bis
14.11.2014 - 15.11.2014
Deadline
31.10.2013
Website
Von
Zentrum für Regionalgeschichte, Universität Bozen

Kriege schaffen neue Räume. Sie trennen oder verbinden Regionen und regionale Gesellschaften nach einer vom Krieg und den militärischen Auseinandersetzungen bestimmten, meist bündnisimmanenten Freund-Feind-Logik. Auf diese Weise konstruierte und etablierte auch der Erste Weltkrieg eine neue spezifische Räumlichkeit des Krieges. In dem Maße, wie er neue Grenzen schuf, löste er alte auf oder relativierte sie.

Die vom Zentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen (http://www.unibz.it/zefuer) in Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedensforschung (http://www.akhf.de/) organisierte internationale Tagung fragt aus verschiedensten Blickwinkeln nach der spezifischen Bedeutung von Grenzen und Grenzräumen im Ersten Weltkrieg. Raumtheoretische Erörterungen finden darin genauso ihren Platz wie regional- oder mikrohistorisch perspektivierte alltags-, erfahrungs-, kultur- und geschlechterhistorische Zugänge und Themenfelder. Im Rahmen der Tagung sollen vor allem verschiedene europäische Grenzregionen (unabhängig davon ob in West-, Nord-, Ost- oder Südeuropa) aus einer vergleichenden Perspektive in den Blick genommen werden.

Ziel der Tagung ist es, zumindest eine partielle Antwort auf die Frage zu liefern, inwiefern die neue Räumlichkeit des Krieges und kriegsbedingte Grenzziehungen die gesellschaftlichen Raumerfahrungen als solche tangiert bzw. verändert und die Lebenswelten grenzregionaler (oder auch lokaler) Gesellschaften beeinflusst haben. Anspruch der Tagung ist es, moderne mikro- und regionalgeschichtliche Ansätze einerseits und Methoden der spatial und border studies andererseits mit den Feldern der neuen Militärgeschichte und der Historischen Friedensforschung zusammenzubringen.

Vorschläge für Tagungsbeiträge werden für vier inhaltlich relativ offen formulierte Sektionen erbeten:

1. Raumkonstrukte – Grenzen ziviler und militärischer (Kriegs-)Räume:
Militärische Fronträume sind spezielle „Kriegsterrains“ und verkörpern als Grenzräume und „Schlachtfelder“ eine spezifische Räumlichkeit, die etwa die soldatische Perspektive auf Orte, Dinge und Lebewesen verändert. Die Räume des Krieges differenzieren sich nach militärischen Kategorisierungen in voneinander funktional abgegrenzte Subräume, von denen die „Front“, die „Etappe“ oder auch das „Hinterland“ bzw. die „Heimatfront“ als allgegenwärtige Begrifflichkeiten auch in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeflossen sind. Die praktische oder imaginäre Existenz (neuer) militärischer Räume und die daraus resultierende spezifische Semantik haben auch die Bedeutung ziviler Räume im Krieg neu geordnet und definiert. Die Referate dieser Sektion stellen sich deshalb u. a. die Frage nach der Entstehung, Entwicklung und Veränderung räumlicher Konnotationen und nach der spezifischen räumlichen Semantik im Krieg. In welcher Weise wird das Bild oder die Performanz von „Kriegsräumen“ (wann, von wem und in welchen spezifischen Situationen) gedeutet? Welche Etikettierungen, Zuordnungen und Kategorisierungen sind mit diesen Begriffen verbunden? Allein schon mit dem für sich isoliert betrachtet relativ nichtssagenden Begriff der „Front“ wird eine Vielzahl von (militärischen, gesellschaftlichen, zivilen oder auch geschlechtsspezifischen) Zuschreibungen positiver und negativer Natur assoziiert, und es drängt sich förmlich die Frage auf, welchen konkreten Ausprägungen und Veränderungen diese semantischen, sprachlichen oder auch visuellen Codierungen unterworfen waren? Wo verlaufen die (realen oder imaginierten) Grenzen zwischen den verschiedenen Räumen, und welche spezifischen Voraussetzungen und Bedingungen trugen zu ihrer Scharf- bzw. Weichzeichnung bei?

2. Kriegsregionen: Regionale Lebenswelten an der Grenze:
Phänomenologisch betrachtet lassen sich im Krieg idealtypisch drei Arten von (zwischenstaatlichen) Grenzregionen mit jeweils spezifischen Charakteristika differenzieren: Freund-Feind-Grenzregionen (Frontregionen), Freund-Freund-Grenzregionen (Grenzregionen, deren Staaten im Krieg verbündet waren) und in den Krieg involvierte Regionen, die an neutrale Staaten grenzten. Ausgehend von der Thematisierung der Grenze im Rahmen der neuen Räumlichkeit des Krieges sollen weniger die allgemeinen, regionsübergreifenden bzw. gesamtstaatlichen Einwirkungen des Krieges, sondern die spezifischen Auswirkungen der veränderten Grenzsituation auf die regionale Grenzgesellschaft im Mittelpunkt stehen, die – selbstredend – in direkt von den militärischen Kampfhandlungen betroffenen Frontregionen besonders einschneidend waren. Deshalb stellt sich zunächst die wichtige Frage nach der Bedeutung der militärischen Front im grenzregionalen bzw. -gesellschaftlichen Kontext. Während die kriegsspezifischen Auswirkungen auf Frontregionen zwischen Feindstaaten offensichtlich sind, erscheinen die regionalen oder lokalen Lebenswelten in den anderen beiden genannten Typen von Grenzregionen bisher wenig erforscht. Neben Beiträgen, die den Charakter des Krieges in Freund-Feind-Regionen thematisieren, sind deshalb auch Referate erwünscht, die sich u. a. folgende Fragen stellen: In welcher Weise beeinflusste der Krieg die interregionale Vergemeinschaftung ‚verbündeter‘ Grenzregionen verschiedener Staaten? Und inwieweit veränderte sich der Charakter der (Staats-)Grenze in diesen Regionen durch den Krieg? In welcher Weise prägte (und veränderte) die Grenze zu neutralen Staaten die regionalen Kriegslebenswelten auf beiden Seiten der Grenze?

3. Grenzregionen und regionale Minderheiten. Der Erste Weltkrieg veränderte vielfach auch das Verhältnis und die Beziehungen von (politischer, ethnischer, religiöser) Mehrheit und Minderheit im grenzregionalen Kontext. Aufgrund der Bündnisstrukturen und der erwähnten Freund-Feind-Logik waren ethnische oder andere Minderheiten in Grenzregionen – als vermeintlich ‚Unzuverlässige‘, Spione, potentielle Verweigerer oder pauschal Verdächtige – in besonderer Weise von den Kriegseinwirkungen betroffen. Die Beiträge des geplanten Panels sollen deshalb zum einen die konkreten Auswirkungen des Krieges auf Minderheiten in Grenzregionen analysieren. Die Perspektive soll dabei nicht nur auf den gegenüber Minderheiten praktizierten Maßnahmen des Kriegsstaates liegen, sondern beispielsweise über identitäts-, alltags- und erfahrungsgeschichtliche Perspektiven auch die Ebene der Akteurinnen und Akteure mit einschließen. Diese kann im Rahmen einer erweiterten erinnerungsgeschichtlichen Perspektive durchaus Krieg und Nachkriegszeit transzendieren und auf diese Weise auch die infolge der neuen Grenzziehungen nach dem Krieg häufig veränderte Lage von Minderheiten (die zur Mehrheit avancieren oder, umgekehrt, durch die neuen Staatsgrenzen zur Minderheit werden) analytisch fassen. Ziel der Sektion ist es, im Rahmen konkreter regionaler Fallstudien die Mechanismen des (staatlichen bzw. hegemonial-gesellschaftlichen) Umgangs mit Minderheiten einerseits und die Erfahrungsgeschichte der Betroffenen andererseits zu vergleichen, um so Parallelentwicklungen gleichermaßen wie die Unterschiede im staatlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Minderheiten herausarbeiten.

4. Friedensvorstellungen, -artikulationen und -sehnsüchte im regionalen Kontext
Die Erforschung von Illusionierung und Desillusionierung, von mit dem Krieg verbundenen Hoffnungen und Ängsten, von artikulierten Friedensvorstellungen und -sehnsüchten ist im regionalen (und auch lokalen) Kontext besonders vielversprechend. Schon ein rudimentärer Blick auf die regionalgeschichtliche Illusionierungs- und Desillusionierungsforschung zeigt beträchtliche Unterschiede in der gesellschaftlichen Legitimierung und Delegitimierung des Krieges, die auch die Bedeutung makrogeschichtlich formulierter Erfahrungszäsuren (wie etwa jene des Jahres 1917) relativieren und infrage stellen.
Deshalb geht es in diesem Panel zunächst um die Frage der Zeitlichkeit desillusionierender und delegitimierender Deutungsmuster. Wann und in welchen ursächlichen Zusammenhängen gewinnen Friedensvorstellungen und -artikulationen „vor Ort“ an Bedeutung? Welche Akteurinnen und Akteure waren oder wurden zu Trägern des Wunsches nach Frieden? Und in welcher Weise wurde die Mediatisierung von Friedenssehnsüchten in einer von Zensur und Unterdrückung geprägten Kriegsgesellschaft gleichsam „technisch“ bewerkstelligt? Schließlich geht es auch um die Frage der konkreten (grenzregionsspezifischen) Friedensvorstellungen – also letztlich darum, wie der Frieden in regionalen wie lokalen Kontexten gedacht und imaginiert wurde. Der synchrone Vergleich zwischen verschiedenen lokalen und regionalen Wirklichkeiten könnte Unterschiede und Gemeinsamkeiten in gesellschaftlichen Desillusionierungs- und Delegitimierungsprozessen und in der jeweiligen konkreten Bedeutung des Friedensnarrativs im regionalgesellschaftlichen Diskurs herausarbeiten.

Konferenzsprachen:
Konferenzsprachen sind Deutsch und Italienisch (mit Simultanübersetzung)

Reise- und Übernachtungskosten:
Reise- und Übernachtungskosten werden vom Veranstalter getragen

Veröffentlichung der Tagungsbeiträge:
Die Veröffentlichung der Tagungsbeiträge in einem Band der Publikationsreihe des AKHF (Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedensforschung) ist geplant (Vgl.: http://www.akhf.de/FUK)

Bitte richten Sie Themenvorschläge (max. 500 Wörter) und ein kurzes Curriculum Vitae bis spätestens 31. Oktober 2013 unter dem Stichwort „Tagung Grenze“ an folgende E-Mail-Adresse: regional.history@unibz.it

Programm

Kontakt

Oswald Überegger

Zentrum für Regionalgeschichte, Freie Universität Bozen

regional.history@unibz.it

www.unibz.it
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch, Italienisch
Sprache der Ankündigung