Lazarus - Kulturgeschichte einer Metapher

Lazarus - Kulturgeschichte einer Metapher

Veranstalter
Prof. Dr. Ursula Hennigfeld, Institut für Romanistik/Latinistik, Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft, Universität Osnabrück
Veranstaltungsort
Zimeliensaal der Universitätsbibliothek Osnabrück, Alte Münze 16 / Kamp, 49074 Osnabrück
Ort
Osnabrück
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.09.2013 - 07.09.2013
Website
Von
Angelika Groß

Die Figur des von den Toten zurückgekehrten Lazarus begegnet uns im Neuen Testament, in Mythen und Legenden; sie ist ein beliebtes Motiv der Literatur. Die kulturwissenschaftlich angelegte Tagung soll zunächst eine Bestandsaufnahme jener heilsgeschichtlichen und literarischen Texte liefern, die sich mit der Figur des Lazarus beschäftigen, um auf diese Weise eine Kulturgeschichte der Lazarus-Figur zu konturieren. Dabei steht die Frage im Vordergrund, was Lazarus als Motiv und Metapher leistet, ob es sich sogar um einen Diskurs handelt, der kulturelles Wissen (z.B. über die Grenze von Leben und Tod) produziert. Darüber hinaus bieten sich auch Anknüpfungspunkte zu Medizin und Naturwissenschaften, die ebenfalls „Lazarus-Phänomene“ oder „Lazarus“-Effekte kennen. Dabei ist bemerkenswert, dass wissenschaftliche Fachtermini von einer christlichen Erzählung abgeleitet werden. Dieser Befund soll genutzt werden, um – gegen den allgemeinen Trend zunehmender Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Wissenschaften – zu fragen, wie anhand der Lazarus-Phänomene in Geistes-, Naturwissenschaften und Medizin eine wechselseitige Verständigung und Diskussion über Wissensbestände und ihre Produktion sowie die Methoden der jeweiligen Disziplinen möglich ist.

Die geplante Tagung soll eine Bestandsaufnahme der Metaphern, Mythen, Motive und Diskurse leisten, die sich um Lazarus ranken. D.h. in der interdisziplinären und historischen fokussierten Herangehensweise soll eine Kulturgeschichte der „Lazarus-Phänomene“ nachgezeichnet werden, die Ausdifferenzierungen, historische Umbrüche und Konfigurationen berücksichtigt. Dies stellt insofern ein innovatives Forschungsdesiderat dar, als Lazarus-Phänomene – sowie das mit ihnen verbundene historisch-kulturelle Wissen und die narrativen Prozesse, die es produzieren – bislang nicht jenseits von Motiv-Studien interdisziplinär erforscht wurden. Für die Erforschung der kognitiven Kraft der Lazarus-Metapher kann z.T. auf einschlägige Forschung zur Metapher allgemein (Lakoff/Johnson 2003, Ricœur 1986) sowie auf solche Arbeiten zurückgegriffen werden, die sich der Bedeutung von Metaphern in der jeweiligen Fachsprache widmen.

Es wird von der Hypothese ausgegangen, dass es sich bei den Lazarus-Phänomenen nicht bloß um ein literarisches Motiv handelt. Vielmehr haben wir es mindestens mit dem sprachlichen Mittel der Metapher, möglicherweise aber sogar mit einem Diskurs i.S. Foucaults oder einem kulturellen Paradigma i.S. Kuhns zu tun. Auch diese Differenzierung soll im transdisziplinären Dialog genauer herausgearbeitet werden. Eine wissenschaftliche Zielsetzung der Tagung besteht außerdem darin, die spezifische Qualität der Lazarus-Metapher im Unterschied zu anderen Wiedergänger-Figuren (z.B. Orpheus), Untoten (Werwölfen, Vampiren usw.) oder Stigmatisierten (Jesustransfiguration) herauszuarbeiten, die eben nicht mit gleicher Rekurrenz auftauchen und auch nicht zur Benennung naturwissenschaftlicher Phänomene herangezogen werden.

Daher stellt sich die Frage, ob es den Lazarus-Phänomenen zugrunde liegende gemeinsame Wahrnehmungsdimensionen gibt, die in verschiedene Welt- und Wissenschaftsverständnisse integriert werden. Ob es Vorstellungen von oder Grundannahmen über die Grenze zwischen Le-ben und Tod gibt, die verschiedene Wissenschaftsdisziplinen teilen und die man anhand der Lazarus-Figur nachvollziehen kann, soll ebenfalls ergründet werden.

Programm

Donnerstag, 05. September 2013
14:00 Grußworte

14:30 Ursula Hennigfeld: Einführung

I. Produktion von Wissen
15:00 Vittoria Borsò: Lazarus und die Latenz des (Un-)Möglichen. Krisen und Chancen des Vergessens

16:00 Kaffeepause

16:30 Christoph auf der Horst: Lazarus-Figurationen in der ars moriendi Heinrich Heines

II. Lazarus zwischen Mythos und Geschichte
17:30 Bernhard Lang: Lazarus der Bettler und Lazarus der Freund Jesu. Zwei biblische Erzählungen

18:30 Kay Peter Jankrift: Lazarus und das mittelalterliche Bild der "lebenden Toten" in christlicher und jüdischer Sicht

Freitag, 06. September 2013
III. Lazarus-Phänomene in den Naturwissenschaften
9:00 Roland Berger: Der Lazarus-Effekt in der Physik

10:00 Alexander Nützel: Die Lazarus-Metapher in der Paläontologie: unterbrochener Fossilbericht

11:00 Kaffeepause

11:30 Christoph Küffer: Warum fehlt die Lazarus-Metapher in der Biodiversitätsdebatte?

IV. Grenzen und Übergänge
14:00 Larissa Lorenz: Effekt, Projekt und Teilchen. Überlegungen zu christlich-mythischen Anleihen in der Physik

15:00 Peter Schneck: Dead Man Walking: Die Ambivalenz der Lazarus-Figur in der U.S.-amerikanischen Kultur

16:00 Kaffeepause

V. Lazarus in der Kunstgeschichte
16:30 Wolfgang Urban: "Herr, aber er riecht schon." Narration und theologische Interpretation in der Geschichte des Lazarus-Bildes

Samstag, 07. September 2013
VI. Lazarus in Literatur und Film
9:00 Stephan Packard: "One day, I shall come back." Lazarus-Motive um Altern und Wiedergängertum in Doctor Who und bei Heinleins Lazarus Long

10:00 Ursula Hennigfeld: Lazarus-Figuren in der französischen Nachkriegsliteratur

11:00 Kaffeepause

11:30 Abschlussdiskussion

Kontakt

Ursula Hennigfeld

Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft, Institut für Romanistik/Latinistik

+49 541 969 4986

ursula.hennigfeld@uni-osnabrueck.de


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