Das 'Andere des Körpers': Darstellungen und Systematisierungen von 'Seele' im 12./13. Jahrhundert

Das 'Andere des Körpers': Darstellungen und Systematisierungen von 'Seele' im 12./13. Jahrhundert

Veranstalter
Graduiertenkolleg "Kulturtransfer im europäischen Mittelalter" der Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltungsort
Kloster Irsee
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.12.2003 - 07.12.2003
Website
Von
Anne Prior

Das 'Andere des Körpers': Darstellungen und Systematisierungen von 'Seele' im 12./13. Jahrhundert

Ein Thema, das die Mediaevistik in den letzten Jahren in besonderem Maße beschäftigt hat, ist der KÖRPER, seine Symbolik, sein Sozialbezug und seine Performativität. Die Auseinandersetzung mit ihm hat in der literaturwissenschaftlichen Mediaevistik dazu verholfen, die Kultur des Mittelalters als eine 'Kultur der Sichtbarkeit' zu betrachten - höfische Kommunikation innerhalb und außerhalb von Texten wird nun vorrangig aus dem Blickwinkel ihrer 'Materialität' beschrieben.

Die Veranstaltung versteht sich als eine Ergänzung dazu: Denn wenn im Mittelalter tatsächlich Unsichtbares in Sichtbares eingekleidet und Ungegenständliches gegenständlich vermittelt wurde, so ist die 'Kultur der Sichtbarkeit' im Umkehrschluss ebenso als 'Kultur der Unsichtbarkeit' zu beschreiben. Einem Blick 'hinter' die Körper und ihre Materialität eröffnet sich denn auch ein Geflecht aus Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Gegenwärtigkeit und Abwesenheit, Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit, das sich in Körpern und Dingen nicht erschöpft. Schon allein weil die Dichtung selbst z.B. im Rahmen von Jenseitsfahrten oder der 'Unio Mystica' nicht nur die 'sêle' thematisiert, sondern auch verschiedene Aspekte oder Instanzen von 'Inwendigkeit' in 'sin', 'herze', 'geiste' und 'muot' begrifflich differenziert, drängt sich die Frage auf, was mit diesen Begriffen angesprochen ist und ob der Darstellung 'inwendiger' Vorgänge (wie Erinnerung oder Zorn) in der Dichtung eine Systematik zugrundeliegt, die sie an zeitgenössische dualistische oder hylemorphische Konzeptionen anschlussfähig macht. Eine solche Systematik - wenn denn die Dichtung tatsächlich über sie verfügt - kann kaum voraussetzungslos sein und ist vermutlich nicht in Isolation entstanden, sondern in einem Prozess von Abgrenzung, Übernahme, Angleichung und Selektion bereits vorliegender Systematisierungen von Seele. Deshalb schließt das Tagungsprogramm jene Bereiche mit ein, die mit der Dichtung des Mittelalters in einem erkenn- und nachvollziehbaren Austausch gestanden haben wie die (arabische) Philosophie, Theologie und Kunst. Ziel der Tagung ist eine Verständigung darüber, wie die Seele im 12./13. Jahrhundert in diesen jeweiligen Kulturen dargestellt und systematisiert worden ist.

Programm

Vortragende (in alphabetischer Reihenfolge):

Dr. Alexander Brungs (Philosophie, Universität Zürich): Elemente stoischer Philosophie in mittelalterlichen Seelenlehren

Dr. Jutta Eming (Germanistik, FU Berlin): Affektüberwältigung als Körperstil im höfischen Roman

Prof. Dr. Gerhard Endreß (Orientalistik, Universität Bochum): Körper, Geist, Seele in den Wissen-schaftsparadigmen der arabisch-islamischen Kultur

Dr. David Ganz (Kunstgeschichte, Universität Münster): Äußeres Auge, inneres Auge, Auge Gottes. Markierung und Verschleierung von Grenzen in mittelalterlichen Visionsdarstellungen

Dr. PD. Udo Reinhold Jeck (Philosophie, Universität Bochum): Gehirn und Geist im Mittelalter. Zum Problem der zerebralen Lokalisation seelischer Potenzen in der Philosophie des 12. und 13. Jahrhunderts

Prof. Dr. Hildegard-Elisabeth Keller (Germanistik, Universität Zürich): Der Diener, die Frauen und ihr Zorn. Psychagogische Lektüre im Seuse-Codex (Einsiedeln Cod. 710[322])

Prof. Dr. Susanne Köbele (Germanistik, Universität Erlangen): Der paradoxe Fall des Ich: Zur 'Klage' Hartmanns von Aue

PD. Dr. Andreas Krass (Germanistik, Universität Konstanz): Die Seele des Textes. Ein poetologi-scher Versuch

Prof. Dr. Hartmut Kugler (Germanistik, Universität Erlangen): Die Seele im Modell von Mikrokosmos/Makrokosmos

Prof. Dr. Jan-Dirk Müller (Germanistik, Universität München): Verkörperung von Innerem

Dr. Jens Pfeiffer (Germanistik, TU Berlin): Die Seele und ihr Körper. Zur philosophiegeschichtli-chen Bedeutung des aufrechten Gangs im Mittelalter

Dr. Katharina Philipowski (Germanistik, Universität Erlangen): Bild und Begriff: sêle und herze in Streitgedichten des Mittelalters

Anne Prior (Germanistik, Universität Erlangen): Seelen in der Unterwelt. Konzeption im Eneas-Roman Heinrichs von Veldeke

Prof. Dr. Rüdiger Schnell (Germanistik, Universität Basel): Homo exterior und homo interior im monastischen und laikalen Diskurs

Prof. Dr. Mireille Schnyder (Germanistik, Universität Konstanz): Die Architektur des Innen

Prof. Dr. Avinoam Shalem (Kunstgeschichte, Universität München): Der Mensch ohne Seele. Zu mittelalterlichen Volkslegenden und Darstellungen des Golem

Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks (Kunstgeschichte, Universität Erlangen): Die Seele als Kriegs-Schauplatz: Der Kampf der Tugenden und Laster in der mittelalterlichen Kunst

Prof. Dr. Uta Störmer-Caysa (Germanistik, Universität Mainz): Seelenanomalien. Beseelung toter Dinge und ausgelagerte Unholdseelen in der mittelalterlichen Dichtung

Dr. Haiko Wandhoff (Germanistik, HU Berlin): Von Herzensklöstern und Seelentempeln: Die Spiegelung des 'inneren Menschen' in mittelalterlichen Architekturbeschreibungen

Kontakt

Anne Prior
Koordinationsbüro des GRK 516, Krankenhausstraße 2-4
91054 Erlangen
aeprior@phil.uni-erlangen.de
und
Dr. Katharina Philipowski
katharinaphilipowski@web.de


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