Räume der Herkunft. Fallstudien zu einer historischen Narratologie

Räume der Herkunft. Fallstudien zu einer historischen Narratologie

Veranstalter
Dr. Katrin Dennerlein, Institut für Deutsche Philologie, Universität Würzburg; Dr. des. Maximilian Benz, Deutsches Seminar, Universität Zürich
Veranstaltungsort
Akademie Frankenwarte Würzburg, Leutfresserweg 81-83, 97082 Würzburg
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.06.2013 - 23.06.2012
Website
Von
Maximilian Benz

RÄUME DER HERKUNFT. Fallstudien zu einer historischen Narratologie

Tagung an der Universität Würzburg vom 21. bis 23. Juni 2013

In vielen Erzähltexten der abendländischen Tradition spielt der Raum, aus dem der Held stammt, eine besondere Rolle. Schon Odysseus hat von Anfang an nur das Ziel, nach Ithaka zurückzukehren, das zu Beginn des Epos nahe scheint, dann aber wieder in weite Ferne rückt, bevor er schließlich nach dem Aufenthalt am Phaiakenhof dorthin zurückkehrt. In zahlreichen Erzähltexten, vom sogenannten antiken Roman über den mittelalterlichen Liebes- und Abenteuerroman, das arthurische Erzählen, den galanten Roman und den höfisch-historischen Roman des Barock bis hin zu modernen Epen und Romanen ist der Raum, aus dem die Hauptfigur stammt, Ausgangs- und Endpunkt der ‚histoire’. Das Muster von Auszug, (Abenteuer-)Reise und Rückkehr kann dabei verdoppelt oder vervielfacht werden. In einigen Texten kommt der Held ohne sein Wissen dorthin zurück, wo er geboren wurde, und gerät so in schlimmste Verstrickungen. Der Raum der Herkunft kann aber auch ein bloßer Ausgangspunkt sein, den die Hauptfigur zurücklassen will oder muss (Migrationsliteratur), um z. B. seine eigentliche Heimat zu finden. Gelegentlich wird der Raum der Herkunft als Raum der Heimkunft perspektiviert, in dem sich die Figur aber nicht mehr zurechtfindet.

Trotz seiner Präsenz in der europäischen Literatur von der Antike bis heute und trotz seiner inhaltlich-strukturellen Wichtigkeit ist der Zusammenhang von Raum und Herkunft bislang nicht zum Gegenstand einer breiter vergleichenden, narratologisch interessierten Arbeit geworden. Deshalb fragen wir danach,
- wie die Räume der Herkunft als konkrete Räume der erzählten Welt unterschiedlich dargestellt und mit normativen Aspekten verknüpft werden sowie
- welche Funktion sie für die Erzählung vor allem der Geschichte der Hauptfigur übernehmen.
Gegenstand sind Erzähltexte und Gattungen der europäischen Literatur von der Antike bis heute, in denen der Raum der Herkunft ein wichtiger Teil der erzählten Welt ist, ohne jedoch Haupthandlungsschauplatz zu sein. Die Beiträge der Tagung analysieren diesen Raum sowohl mit Blick auf einzelne Erzähltexte, aber auch übergreifend anhand von Gattungen. In erster Linie geht es dabei nicht um Heimatliteratur oder Heimatdichtung. Es werden aber selbstverständlich auch Erzählungen untersucht, in denen die Räume der Herkunft als Heimat apostrophiert und dadurch für die Handlung bedeutsam werden.

Als Ausgangspunkt der einzelnen Beiträge haben wir das in jüngster Zeit innovierte erzähltheoretische Beschreibungsinstrumentarium für Räume vorgeschlagen. Mit einer genuin narratologischen Ausrichtung will die Tagung einen Beitrag zur historischen Narratologie leisten. Ausgehend von der narratologischen Beschreibung soll auch die Frage nach der Bedeutung der Räume der Herkunft, insbesondere nach ihrer werthaften Besetzung, gestellt werden. Es ist zu ermitteln, mit welchen Bedeutungen auf wörtlicher und übertragener Ebene die Räume der Herkunft im je konkreten Fall aufgeladen werden, welche Rolle semantische Oppositionen, Raummodelle und phänomenologische Konzepte hier spielen.

Die Veranstaltung ist öffentlich. Die einzelnen Beiträge werden den Teilnehmern vorab zur Verfügung gestellt. Es wird daher um Anmeldung per E-Mail gebeten.

Die Tagung wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Programm

PROGRAMM

Freitag, 21. Juni

14.00 Maximilian Benz (Zürich) und Katrin Dennerlein (Würzburg): Begrüßung und Einführung
14.15 Fotis Jannidis (Würzburg): Zur historischen Narratologie

ANTIKE

14.30 Cornelia Heinsch (Freiburg i. Br.): Die Rückkehr des Odysseus – „Nichts Süßeres sonst als das eigene Land“
15.15 Felix Mundt (HU Berlin): Der Herkunftsraum im griechischen Roman
16.00 Kaffeepause
16.30 Therese Fuhrer (München): Korinth oder Madauros? Die (De-) Konstruktion der Herkunftsräume in Apuleius’ Metamorphosen

MITTELALTER

17.15 Julia Weitbrecht (Göttingen): Die funktionale Verschaltung von Herkunftsraum und Fremde in mittelalterlichen Epen (König Rother, Herzog Ernst B, D und G)
18.00 Dominik Hey (München): Dietrichs Bern. Überlegungen zur mhd. Dietrichepik
19.00 gemeinsames Abendessen

Samstag, 22. Juni

9.30 Franziska Hammer (Tübingen): Die räumliche Multiplikation der Herkunft im höfischen Roman am Beispiel von Gottfrieds von Straßburg Tristan und Wolframs von Eschenbach Parzival
10.15 Markus Stock (Toronto): Heterotopien der Herkunft im mhd. Roman
11.00 Kaffeepause
11.30 Coralie Rippl (Zürich): Raum der Herkunft, Ort des Erzählens. Zum Phänomen der anderweltlichen Herkunft im Roman der Frühen Neuzeit

NEUZEIT

12.15 Erik Schilling (München): „Addio, monti“. Zur dynamischen Semantisierung des Herkunftsraumes in Manzonis I promessi sposi
13.00 Mittagspause
15.00 Sebastian Wilde (Göttingen): Zur narrativ erzeugten Korrespondenz zwischen empirischer und symbolischer Raumstruktur in Friedrich von Hardenbergs Heinrich von Ofterdingen
15.45 Fabian Lampart (Freiburg i. Br.): Herkunftsräume im historischen Roman des 19. und 20. Jahrhunderts
16.30 Kaffeepause
17.00 Christine Knoop (FU Berlin): Ausgangspunkte neu erzählen: Der Raum der Herkunft in Jean Genets Journal du Voleur
17.45 Anja Burghardt (Salzburg): Blick in Räume der Vergangenheit. Ol’ga Sedakovas Reise nach Tartu und zurück
19.00 gemeinsames Abendessen

Sonntag, 23. Juni

09.30 Wolfgang Hallet (Gießen): Die Re-Semiotisierung von Herkunftsräumen im multimodalen Roman
10.15 Jörg Döring (Siegen): „Die ganze Gegend erzählen, die Zeit“. Räume der Herkunft in Peter Kurzecks Vorabend
11.00 Kaffeepause
11.30 Michael C. Frank (Konstanz): London, (post)koloniale Heimat: „Räumliche Geschichten“ in englischsprachiger Migrationsliteratur von Sam Selvon, Pauline Melville und Manzurul Islam
12.30 Mittagessen
14.00 Antje Ziethen (Montreal): Heteropolis. Der Großstadtraum in postkolonialer Migrationsliteratur
14.45 Abschlussdiskussion

Kontakt

Maximilian Benz

Universität Zürich, Deutsches Seminar, Schönberggasse 9, 8001 Zürich

maximilian.benz@ds.uzh.ch

Dr. Katrin Dennerlein
Universität Würzburg
Institut für Deutsche Philologie
Am Hubland
97074 Würzburg
katrin.dennerlein@uni-wuerzburg.de


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Deutsch
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