Bildung und Differenz in historischer Perspektive. Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft

Bildung und Differenz in historischer Perspektive. Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft

Veranstalter
Sektion Historische Bildungsforschung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft
Veranstaltungsort
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2013 - 21.09.2013
Website
Von
Gerhard Kluchert

In der aktuellen erziehungswissenschaftlichen und bildungssoziologischen Diskussion spielt die Aufklärung des Zusammenhangs von Bildung und Differenz eine wichtige Rolle. Neben den 'klassischen' Dimensionen von 'class, race and gender' sind dabei zuletzt auch Differenz markierende Kategorien wie 'disability' verstärkt in den Blick genommen worden. 'Differenz' wird in dieser Diskussion nicht essentialistisch als eine gegebene Tatsache verstanden, sondern als etwas, das in gesellschaftliche Strukturen eingelagert ist und durch gesellschaftliche Diskurse und Praktiken – nicht zuletzt der Erziehung, Bildung und Sozialisation – im Sinne eines 'doing differences' hervorgebracht wird. Dem entsprechend haben neben sozialwissenschaftlichen Ansätzen, denen es vorrangig um die Erkenntnis 'objektiver' Strukturen geht, die neueren kulturwissenschaftlichen Ansätze mit ihrer Orientierung auf Praktiken und Akteure zunehmend Beachtung und Anwendung gefunden. Historische Betrachtungsweisen, welche die gesellschaftliche Einbettung und Produktion von Differenz in ihrer Entwicklung und Veränderung zeigen würden, haben in dieser aktuellen Diskussion bislang allerdings noch keine prominente Rolle gespielt.

Dabei ist der bildungshistorischen Forschung das Thema 'Bildung und Differenz' keineswegs fremd. Seit den 1970er Jahren wird 'soziale Ungleichheit' hinsichtlich der Beteiligung an institutionalisierter Bildung wie hinsichtlich von Erziehung und Sozialisation in ihrer historischen Entwicklung intensiv erforscht. Auch Geschlechterdifferenzen sind in ihrer bildungshistorischen Dimension bereits umfassend analysiert worden und ebenso hat sich die Historische Bildungsforschung eingehend mit der Frage befasst, wie bezüglich religiöser und ethnischer Minderheiten (z. B. jüdischer bzw. polnischer Bevölkerungsteile in den deutschen Staaten) Differenz konstruiert und wie mit ihr umgegangen worden ist. Doch nicht nur thematisch, auch was die theoretischen Ansätze und die methodischen Zugänge betrifft, zeigt sich die einschlägige bildungshistorische Forschung breit gefächert: Strukturgeschichtliche Untersuchungen stehen neben kulturgeschichtlichen, die Arbeit mit statistischem Material und die Konstruktion langer Zeitreihen neben hermeneutischer Textinterpretation und Bildanalyse.

Dieser Vielfalt an bildungshistorischer Forschung zum Thema 'Bildung und Differenz' ein Forum zu bieten, wechselseitige Bezugnahmen zu ermöglichen, neue Forschungen anzuregen und auf diese Weise den Beitrag der Historischen Bildungsforschung zu einer differenzierten Analyse des Themas zu verdeutlichen – dies ist Sinn und Zweck der Tagung, an der teilzunehmen neben den Mitgliedern der Sektion auch Interessierte aus anderen Teilbereichen der Erziehungswissenschaft, aus der Fachhistorie und aus allen mit dem Thema befassten Wissenschaften eingeladen sind.

Programm

Donnerstag, 19. September 2013

ab 08.45 Registrierung im Tagungsbüro (Thomas-Ellwein-Saal, Mensa-Gebäude)

09.30 Begrüßung durch den Präsidenten der Helmut-Schmidt-Universität, Prof. Dr. Wilfried Seidel
09.45 Begrüßung durch die Vorsitzende der Sektion Historische Bildungsforschung, Eva Matthes, Augsburg
10.00 Carola Groppe, Hamburg / Gerhard Kluchert, Flensburg: Bildung und Differenz in historischer Perspektive. Einführung in das Thema

10.45 Kaffeepause

11.00 Rita Casale, Wuppertal: Der begriffsgeschichtliche Unterschied von Bildung und Differenz
11.45 Katharina Walgenbach, Wuppertal: Von Differenz zu Differenzen. Chancen und Herausforderungen einer Komplexitätssteigerung in der historischen Bildungsforschung

12.30 Mittagessen

13.30-15.30
Sektion 1: Differenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit
Gerrit Deutschländer, Hamburg: Gebildet oder nur höfisch erzogen? Die Herrscher aus dem Geschlecht der Luxemburger im Spätmittelalter
Danica Brenner, Trier: „…kein leer knecht auffnemenn, er sei dann eelich geborn“. Differenz und Exklusion in der zunftgebundenen Ausbildung in Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit
Tobias Schmidt, Siegen: „Glück im Unglück“ – Waisenkinder im frühneuzeitlichen Bildungssystem Sienas

Sektion 2: Die Konstruktion von Differenz I: Utopie und Theorie
Hans-Ulrich Grunder, Basel: Alle gleich oder jede(r) anders? Erziehungs- und Bildungsideen in utopischen Konzepten
Katja Petersen, Hamburg: Zu Konstruktion und Umgang mit Differenz in biographischen Bildungsprozessen – Karl Philipp Moritz’ Erfahrungsseelenkunde
Rebekka Horlacher, Zürich: Die Idee der allgemeinen Menschenbildung als Negierung von Differenz

15.30 Kaffeepause

16.00-18.00

Sektion 3: Disability
Erik Beck, Arne Timm, Dortmund: Halbmensch‘ oder ‚erfahrenster Lehrer der christlichen Religion‘? Überlegungen zu Bildungschancen und -grenzen von Menschen mit Behinderung im Mittelalter
Ylva Söderfeldt Pieter Verstraete, Aachen / Leuven: Disability, Education and the Happinazation of the World: A Historical Study of the Role Played by Hapiness in the Emergence of Educational Initiatives for the Blind and Deaf
Sven Werner, Dresden: Der pädagogische Umgang mit Differenz am Beispiel der Krüppelfürsorge

Sektion 2: Die Konstruktion von Differenz II: Pädagogische Praxen
Sabine Reh, Joachim Scholz, Berlin / Wuppertal: Auseinandersetzungen um die Organisation von Schulklassen. Die Etablierung des „Leistungsprinzips“ als pädagogische Ordnung in der modernen Schule im 19. Jahrhundert
Lucien Criblez, Karin Manz, Zürich: „Unterricht auf werktätiger Grundlage“ oder die Konstruktion einer doppelten Differenz: geschlechter- und leistungsdifferenzierter Unterricht auf der Sekundarstufe I
Susanne Timm, Hamburg: Differenzierungspraktiken im Lehrerhandeln in der DDR. Exemplarische Rekonstruktionen handlungsleitender Orientierungen

18.30 Verleihung des Julius-Klinkhardt-Preises

19.30 Abfahrt zum gemeinsamen Essen im Literaturhaus an der Außenalster

Freitag, 20. September

09.00-11.20

Sektion 4: Soziale Differenz I
Frederic Groß, Tübingen: Differenz in Staat und Gesellschaft? Die Erziehungskonzepte der Hohen Karlsschule in Stuttgart (1770-1794) im Spannungsfeld von altständischer Ordnung und bürgerlich-aufgeklärtem Leistungsdenken
Kerrin Klinger, Jena: Mathematische Bildungsprofile und soziale Differenzierung. Die Entwicklung der Weimarer Schulen von 1770 bis in die 1830er Jahre
Alexander Griebel, Lüneburg: Zur Deutung von Differenzen in Kommunikationsnetzwerken zur Bildungsentscheidung

Sektion 5: Die Erforschung von Differenz
Heike Dierckx, Gießen: Intersektionalitätsforschung: Die Strukturmächtigkeit von Kategorien
Torben Kneisler, Axel Nath, Lüneburg: Zur Balance zwischen der Hierarchisierung und Horizontalisierung von Bildungs- und sozialen Differenzen – theoretische und empirische Erörterungen zum historischen Prozess
Jürgen Budde, Georg Rißler, Flensburg: Erziehungswissenschaftliche Ethnographie und Differenz – Transformationslinien, Potentiale, Risiken

11.30 Oberstleutnant Lothar Dobschall und Studierende der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg: Zum Verhältnis von Militärischem und Akademischem an der Universität der Bundeswehr

12.30 Mittagessen

13.30-15.30

Sektion 4: Soziale Differenz II
Jakob Benecke, Augsburg: Soziale Ungleichheit in Programmatik, Praxis und subjektivem Erleben der Hitler-Jugend
Ingrid Miethe, Gießen: Historische und kulturelle Transformation einer Bildungsinstitution. Arbeiterfakultäten in der Sowjetunion, der DDR, Kuba, Mosambik und Vietnam
Regina Soremski, Gießen: Bildung und soziale Ungleichheit. Historische und biografische Rekonstruktionen von Bildungsaufstiegen in Ost- und West-deutschland

Sektion 6: Differenz der Geschlechter I
Walburga Hoff, Erfurt: Disziplin, Profession und Geschlecht. Zur Entstehung Sozialer Arbeit als Wissenschaft
Dayana Lau, Halle-Wittenberg: Zur Differenzierung von Professionen und Disziplinen am Beispiel der frühen sozialen Arbeit in den USA
Edith Glaser, Kassel: Geschlechterdifferenzen und Bildungsreformen

15.30 Kaffeepause

16.00-18.00

Sektion 7: Bildungsreform und Differenz
Adrian Schmidtke, Göttingen: ‚Das benachteiligte Kind’ im Reformdiskurs der 1960er und 1970er Jahre
Patrick Ressler, Berlin: Hochschulen und gesellschaftliche Differenz. Deutsche Hochschulen und amerikanische higher education in den 1960er und 70er Jahren
Wilfried Rudloff, Mainz/Kassel: Ungleiche Bildungschancen: Bildungsforschung, öffentlicher Diskurs und Bildungsreform in Deutschland und England in den Jahren des Bildungsbooms

Sektion 6: Differenz der Geschlechter II
Ami Kobayashi, Berlin: Turnunterricht in Japan (1900-1945): konstruierte neue Geschlechterrolle und eliminierte alte Geschlechterdifferenz
Morvarid Dehnavi, Hamburg: Die Erfahrung von Geschlechterdifferenz als Motiv politischen Handelns? Rekonstruktion von politischen Orientierungen am Beispiel von Aktivistinnen der Neuen Frauenbewegung im Kontext der Studentenbewegung
Christine Ott, Würzburg: Geschlechterstereotypen auf der Spur. Ein Plädoyer für mehr Linguistik in der Bildungsforschung

18.30 Mitgliederversammlung der Sektion

20.00 Abendessen in den Gesellschaftsräumen der Helmut-Schmidt-Universität

Samstag, 21. September

09.00-10.20

Sektion 8: Stadt und Land
Manuel Kretz, Bern: Bildungskluft zwischen Zentrum und Peripherie. Kulturpolitische Konstruktion eines Stadt-Land-Topos sowie reale Leistungsdifferenzen im ausgehenden 19. Jahrhundert
Wilfried Göttlicher, Wien: Die „Eigenständigkeit der Landschule“. Ländliche und städtischen Lebenswelt als Differenz in der österreichischen Schulreform-Debatte in den langen 1950er-Jahren

Sektion 2: Die Konstruktion von Differenz III: Leitdifferenzen
Marcelo Caruso, Berlin: Erwachsen/Kind als Leitdifferenz. Das Bild des unterrichtenden Kindes im 19. Jahrhundert
Julia Kurig, Hamburg: Die Differenz zwischen Mensch und Maschine als Inspiration bildungstheoretischer Diskussion im 20. Jahrhundert

10.20 Kaffeepause

10.40-12.40

Sektion 9: Ethnische Differenz
Cristina Alarcón, Berlin: Ethnische Differenz als erziehungspolitisches Problem – Schulen des Staates und Indianerschulen des bayerischen Kapuzinerordens zur Erziehung der Mapuche in Chile (1883-1930)
Toshiko Ito, Mie: Dialekt und Hochsprache im schulischen Raum des japanischen Kaiserreichs: Assimilationspolitik und Diskurs über die Differenz der Sprachen
Elke Kleinau, Köln: Bildungs- und Differenzerfahrungen über drei Generationen

Sektion 2: Die Konstruktion von Differenz IV: Sozialtechnologie
Andrea de Vincenti, Norbert Grube, Andreas Hoffmann-Ocon, Zürich: Sozial-technologische Gemeinschafts- und Differenzkonstruktionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Rezeption von und Transformation durch Lehrpersonen und Schule
Vera Moser, Berlin: Die Konstruktion des Hilfsschulkindes – ein modernes Symbol zur Regulation des Sozialen?
Jane Schuch, Berlin: Nivellierung von Differenz als Bildungsideal – Dimensionen der Bildungszusammenarbeit von Mosambik und DDR

12.40 Imbiss

13.20 Zusammenfassung und Abschlussdiskussion

14.30 Ende der Tagung

Das Anmeldungsformular zur Tagung geht Ihnen auf Anfrage zu. Bitten wenden Sie sich dazu per E-Mail an Frau Sylvia Draack (draacks@hsu-hh.de), Sekretariat von Prof. Dr. Carola Groppe, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Postfach 700822, 22008 Hamburg. Tel.: 0049/40/6541-2103.

Kontakt

Prof. Dr. Carola Groppe
Professur für Erziehungswissenschaft, insbesondere Historische
Bildungsforschung
Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Postfach 700822
22008 Hamburg
mailto: groppe@hsu-hh.de

PD Dr. Gerhard Kluchert
Institut für Erziehungswissenschaften
Abt. Allgemeine Erziehungswissenschaft
Universität Flensburg
Auf dem Campus 1a
24943 Flensburg
mailto: gerhard.kluchert@uni-flensburg.de