Materielle Kulturforschung – eine Zwischenbilanz. Zum epistemischen Gewinn einer vermeintlich neuen Perspektive

Materielle Kulturforschung – eine Zwischenbilanz. Zum epistemischen Gewinn einer vermeintlich neuen Perspektive

Veranstalter
Forschungszentrum für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Gotha der Universität Erfurt/ Martin Mulsow; International Graduate Centre for the Study of Culture der JLU Gießen/ Annette Cremer
Veranstaltungsort
Forschungszentrum
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.12.2013 - 07.12.2013
Deadline
15.04.2013
Website
Von
Annette Cremer

Teil I, 5.-7.12.2013: Early Modern Material Culture (Gotha)
Teil II, 11/ 2014: Materielle Kulturforschung trans-epochal. Dinge im Kontextwandel: Bewertung, Entwertung, Umdeutung. Phänomene der Epochenübergänge und gesellschafts-politische Krisen im Spiegel der Dinge (Gießen)

Spätestens seit der Ausschreibung des BMBF im Mai 2012 boomt die Materielle-Kultur-Forschung auch in Deutschland. Dabei handelt sich keinesfalls um eine neue Perspektive, sondern um das Ergebnis interdisziplinärer Forschungsansätze, die bereits zu Beginn der 1990er in der USA entwickelt und von dort als objektgestützte Methode auf andere Felder übertragen und so erstmals für die Kulturwissenschaften erschlossen wurde. Die Beschäftigung mit materiellen Hinterlassenschaften vergangener Epochen war bis dahin die Domäne von Archäologie und Volkskunde/ Europäischer Ethnologie. Als material culture studies hat sich die Beschäftigung mit den Dingen als Leitmedium im anglo-amerikanischen Raum bereits als eigenständiges Fach etabliert. Die wissenschaftspolitische Dimension des nun auch im deutschsprachigen Raum ausgelobten Forschungsfeldes gilt es, kritisch zu hinterfragen: Handelt es sich bei der materiellen Kulturforschung um ein Modeerscheinung, ein Teilgebiet oder möglicherweise um eine eigene Disziplin innerhalb der historischen Wissenschaften? „Funktioniert“ materielle Kultur als Erkenntnismedium in allen Epochen gleich gut?

Das Ziel der Tagungen ist, den erhofften epistemischen Gewinn der materiellen Kulturforschung grundlegend auf seine Tragfähigkeit hin zu prüfen. Welche Erkenntniserweiterungen ergeben sich durch die Beschäftigung mit Objekten/Dingen/Artefakten als Quelle? Wie lassen sich die Begriffe abgrenzen? Werden bereits bekannte historische Phänomene im Spiegel der Dinge neu zu perspektivieren sein? Nach Latour sind Objekte Akteure mit eigenem Handlungsskript und beinhalten Aussagen über die Personen, die sich mit ihnen umgeben oder sie nutzen, wie ebenso über zeitgenössische Praxis und Normen. Können Dinge als Quelle dazu dienen, Denkmodelle oder kulturelle Praxis zu erschließen, die durch Text- oder Bildquellen nicht sichtbar zu machen wären? Welches Mehr an Informationen transportieren Objekte in unmittelbarer Weise und wie lässt sich dieser Informationsgehalt übersetzen? Reicht zum Vorgang der Übersetzung Sprache oder müssen haptische Informationsgehalte integriert werden? Damit verbunden werden erneut Fragen nach der Wiederholung historischer Wahrnehmung gestellt. Methodisch von besonderem Interesse sind u.a. die medialen Brüche, die sich ergeben, wenn die Dinge nicht in ihrer dreidimensionalen Körperlichkeit, sondern ausschließlich als Beschreibung vermittelt durch Texte, Bilder oder literarische Verarbeitungen vorliegen.

Teil 1 der Tagung konzentriert sich auf die Epoche der Frühen Neuzeit und lädt zur interdisziplinären Auseinandersetzung mit den Dingen ein. Schwerpunkt der Tagung soll die anhand von Beispielen (auch zeitgenössisch) geführte Auseinandersetzung mit materieller Kultur als Erkenntnismedium liegen. Was kann materielle Kulturforschung leisten und wo liegen ihre Grenzen? Wir laden daher besonders zu Vorträgen ein, die sich mit den theoretischen Implikationen der materiellen Kulturforschung befassen.

Vorträge können in Deutsch oder Englisch verfasst werden. Die Tagung wird zweisprachig gehalten.

Mögliche Vortragsthemen:

Alltagsgegenstände
Luxusgegenstände
Objekte der Wissenschaft
Numismatik
Alchemie
Astronomie
Textil- und Möbelkunde
Nahrungsmittelproduktion/ Ernährung
Kultobjekte
Kunstwerke und Sammlungskunst
Beschaffenheit/Größe/ Materialwertigkeit/-Ikonographie
Symbolhafte Nutzung/ Zeremoniell/ Ritual
Umgangspraxis, Ständische Differenzierungen
Geschlechtsgebundenheit von Objekten
Mediale Übersetzungsbrüche
Frühneuzeitliche Theoriediskurse über Objekte

Vortragsvorschläge (30 Min.) über max. 250-300 W. und Kurzbiographie bis zum 12. April 2013 an:
annette.cremer@gcsc.uni-giessen.de

Die Tagungen finden in Kooperation zwischen dem Forschungszentrum für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Gotha der Universität Erfurt und dem International Graduate Centre for the Study of Culture der JLU Gießen statt. Tagungsort 2013 ist Schloss Friedenstein Gotha.

Das Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien ist eine zentrale Einrichtung der Universität Erfurt. Untergebracht im Gothaer Schloss Friedenstein steht es in engem Kontakt zur dortigen Forschungsbibliothek, einer der bedeutendsten Frühneuzeit-Bibliotheken Deutschlands. Es versteht sich in dieser Anbindung als Forschungszentrum für Frühneuzeitforschung und hat die besondere Aufgabe, auf der Grundlage der Bestände der Forschungsbibliothek Konferenzen und Vorträge zu organisieren sowie als Plattform für Stipendiaten, Gastwissenschaftler und Forschungsprojekte zu dienen.
http://www.uni-erfurt.de/forschungszentrum-gotha/

Das im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder geförderte International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) der Justus-Liebig-Universität Gießen bietet eine strukturierte kulturwissenschaftliche Doktorandenausbildung in drei Jahren. Mit einem exzellenten forschungsintensiven Umfeld, einem zielgruppengerechten Promotionsprogramm und einer intensiven persönlichen Betreuung bietet das Graduiertenzentrum optimale Promotionsbedingungen und eine maßgeschneiderte Vorbereitung auch auf die Zeit nach der Promotion, sowohl für wissenschaftliche als auch außeruniversitäre Karrieren.
http://gcsc.uni-giessen.de/wps/pgn/home/gcsc_eng/

Programm

Kontakt

Annette Cremer

International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) Justus-Liebig-Universität Gießen
Alter Steinbacher Weg 38 35394 Gießen
Tel.: +49.641.99 300 27

annette.cremer@gcsc.uni-giessen.de