Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit

Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Sonderforschungsbereich 573 „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“ unter Leitung von Winfried Schulze, Ralf-Peter Fuchs, Arndt Brendecke
Veranstaltungsort
Universität München, Historicum, Schellingstraße 12, 80539 München, Raum 201
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2003 - 03.10.2003
Website
Von
Brendecke, Arndt

Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit

Die Tagung wird die sich wandelnden Formen frühneuzeitlicher Konstruktion von Zeit in den Blick nehmen. Sie wird dabei an die bestehende Forschung zur Zeit anknüpfen, möchte jedoch zugleich einer weiteren Spezialisierung der je eigenen Forschungsdiskurse etwa zur Kalenderrechnung, Zeittheologie und -philosophie entgegenwirken. Sie möchte zweitens auf den unbefriedigenden Befund von Aporien reagieren. Diese stellen sich ein, sobald man historische Zeitkonzeptionen auf ihre inhaltliche Kohärenz analysiert: Wie lässt sich beispielsweise der Glaube an das nahe Weltende mit dem Entwurf ‚ewiger Kalen­der’ vereinbaren, wie sie teilweise in der Vorstellung eines Gelehrten koexistierten? Hier von einer Überlappung ‚noch’ heilsgeschichtlicher und ‚schon’ moderner Zeitkonzepte zu sprechen oder gar, die Frühe Neuzeit vor die ‚Erfindung’ der Zukunft zu verlegen, scheint der funktionalen Komplexität des Phänomens ‚Zeit’ wenig gerecht zu werden.

Ausgegangen wird vielmehr von einem spezifischen Spannungsfeld: So lässt sich einerseits beobachten, dass Zeitsysteme selbst als vorgegebene, unveränderbare Ordnungsfaktoren, denen entscheidende Autorität zukam, betrachtet wurden. Andererseits brachte es die Koexistenz verschiedener Vorstellungen, zu denen nicht zuletzt verschiedene Kalender gehörten, mit sich, dass man die menschliche Gestaltbarkeit von Zeit­ordnungen zunehmend als Selbstverständlichkeit empfand.

In diesem Zusammenhang interessiert nicht nur, wie die jeweiligen ‚Aneignungen’ von Zeit durch Individuen, Gruppen und Institutionen vollzogen wurde, sondern auch, in welche individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereiche die Regulierung von Zeit hineinwirkte.

Zeit als Regulativ in der Frühen Neuzeit zu thematisieren, bedeutet in diesem Sinne, ihren pragmatischen Funktionen sowie ihren sinngebenden Bedeutungen nachzugehen. Konkret wird deshalb u. a. zu fragen sein, wie den ge- und erfundenen Formen von ‚Zeit’ Geltung verschafft wurde und welche, auch konfessionellen Vorstellungen den Bestrebungen, Zeit als Ordnungsfaktor nutzbar zu machen, zugrundelagen.

Thematisch lassen sich drei Ebenen unterscheiden: Erstens: Der Bereich wissenschaftlich begründeter Zeitordnungen. Zeit wurde hier, basierend auf Kenntnissen von Natur, Chronologie und Astronomie, in kalendarische Systeme überführt. Zweitens: Eine religiöse Ebene, die Zeitordnungen höhere Dignität verlieh und sie schließlich auch in konfessionelle Gegensätze mit einbezog. Drittens: Eine pragmatische Ebene, auf der zeitliche Ordnung im Rahmen individueller Lebens- und obrigkeitlicher Herrschaftspraxis reguliert wurde und regulierend wirkte.

Faktisch sollen die Vorträge zu sechs Blöcken zusammengefasst werden, die nicht jeweils die wissenschaftlichen, religiösen oder pragmatischen Zeitordnungen getrennt behandeln, sondern konkrete ‚Anwendungsbereiche’ des Zeitphänomens in das Zentrum stellen und die jeweiligen Forschungsdiskurse bewusst miteinander zu konfrontieren versuchen: Im Fokus bleiben so Mensch, Kultur und Gesellschaft, d.h. die Produzenten und Rezipienten der jeweiligen Zeitordnungen.

Programm

Tagungsplan
Mittwoch, 1. 10.2003

Begrüßung: 14.00 Uhr

Eröffnungsvortrag: 14.15 - 15. 00 Uhr
Zeitverständnisse in der Philosophie der Renaissance (Eckhard Keßler)

I. Zeitordnungen und Zeitökonomie: 15.00 Uhr - 18.30 Uhr

Zeit der Kirche – Zeit der Händler – Zeit der Städte (Gerhard Dohrn v. Rossum)

Die Recht-Zeitigkeit bäuerlichen Lebens und Arbeitens: Wiederholen oder Verändern, Hinnehmen oder Zergliedern? (Jan Peters)

Kaffeepause: 16. 30 – 17.00 Uhr

Zeitökonomie in Selbstzeugnissen (Kaspar v. Greyerz)

Theologische und rationale Begründungen der Zeitordnung und der Zeitökonomie in religiösen Sozialsystemen (Klaus Schreiner)

Donnerstag, 2. 10.2003

II. Lebenszeit, Lebensalter: 9.15 – 12.45 Uhr

Zeit und Leib in der medikalen Kultur der Frühen Neuzeit (Michael Stolberg)

Zeitkonzepte in pädagogischem Schrifttum und schulischer Praxis (Stefan Ehrenpreis)

Kaffeepause: 10.45 - 11.15 Uhr

Die Bedeutung des Lebensalters im frühneuzeitlichen Recht (Thomas Duve)

Lebensalter und Konfession. Zum Problem der Mündigkeit in Religionsfragen (Dagmar Freist)

Mittagspause: 12.45 - 14.15 Uhr

III. Zeitgefühl, Zeitbewußtsein: 14.15 - 15.45 Uhr

Zeit am Hof. Ordnung, Rhythmus und Bewußtsein der Zeit am Welfenhof (Antje Stannek)

Zeit des Exils - Zuwanderer in Sachsen im 17. und 18. Jahrhundert (Alexander Schunka)

Kaffeepause: 15.45 - 16.15 Uhr

IV. „Öffentliche Zeit“ - Zeitsetzungen: 16.15 - 17.45 Uhr

Reglementierung, Disziplinierung und Fragmentierung von Zeit in frühneuzeitlichen Policey-Ordnungen (Karl Härter)

Alter oder Neuer Kalender? Die Suche nach der richtigen Zeit (Edith Koller)

Anschließend: Gemeinsames Abendessen

Freitag, 3. 10.

V. Handlungszeit – Zeitpunkte: 9.15 – 12.00 Uhr

Verschwiegen und verjährt – Verflossene Zeit als Argument vor Gericht (Christiane Birr)

Zeitvorstellungen in Religionsfriedensverträgen (Winfried Schulze)

Kaffeepause: 10.45 - 11.15 Uhr

Die Autorität von „Normaljahren“ im konfessionellen Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg. Ein Vergleich zwischen dem Fürstbistum Osnabrück und den jülich-klevischen Ländern (Ralf-Peter Fuchs)

Mittagspause: 12.00 - 13.15 Uhr

VI. Historische Zeitordnungen: 13. 15 - 16.45 Uhr

Zukunft um 1500. Die reformatorische Zeitenwende zwischen Prophetie und Exegese (Markus Sandl)

Apokalyptik und Politiktheorie im Luthertum des 16. Jahrhunderts (Thomas Kaufmann)

Kaffeepause: 14.45 - 15.15 Uhr

Narration und Chronologie (Markus Völkel)

Maßstäbe historischer Zeit. Eine Analyse chronologischer Tabellenwerke der Frühen Neuzeit (Arndt Brendecke)

16.45 Uhr Schlussdiskussion

Kontakt

Frau Ursula Ballhaus
Geschwister-Scholl-Platz 1
D-80539 München
Telefon: 089/2180-1389
Telefax: 089/2180-13558
sfb.frueheneuzeit@lrz.uni-muenchen.de


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