38. Internationaler Wolfenbütteler Sommerkurs: Frühneuzeitliche Historiographie (1400-1800) – Praktiken und Medien / Historiography in the Early Modern Period (1400-1800) – Practices and Media

38. Internationaler Wolfenbütteler Sommerkurs: Frühneuzeitliche Historiographie (1400-1800) – Praktiken und Medien / Historiography in the Early Modern Period (1400-1800) – Practices and Media

Veranstalter
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; Leitung: Prof. Dr. Markus Völkel (Rostock)
Veranstaltungsort
Bibelsaal in der Bibliotheca Augusta
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.08.2013 - 17.08.2013
Deadline
28.02.2013
Von
Volker Bauer

English version below

Thema und Programm

Kaum 20 Jahre ist es her, da wurde die frühneuzeitliche Historiographie noch als ‚vorwissenschaftlich‘ abqualifiziert. Ihre Leistungen entsprachen nicht der Definition von „Geschichte“ der neuen Berufshistoriker des 19. Jahrhunderts und wurde noch von der aufgeklärten Geschichtsdidaktik des späten 20. Jahrhunderts nicht als Teil ihrer eigenen Fachgeschichte akzeptiert. Das hat sich inzwischen einschneidend geändert: Der ‚vorparadigmatische Zustand‘, die Kopplung der Geschichte (historia) an Rhetorik, Naturgeschichte (historia naturalis), die Schönen Künste und performative Praktiken wie Fest und Ritual erweist sich inzwischen als unerschöpfliche Quelle für die neuen Kultur-, Medien-, Politik- und Kunstwissenschaft. Dass es der im älteren Wissensmodell verankerten frühneuzeitlichen Historiographie trotz vielfältiger Versuche misslang, sich in der demonstrativen Wissenschaft zu verankern, und sie deshalb gezwungen war, immer neue Modelle einer ‚Logik der Überzeugung‘ zu entwickeln, macht sie erst unserem Zeitalter globalisierter Wissenschaft, die auf der Suche nach ‚dem Anderen‘ ist, wieder interessant. Gleichwohl ist die gegenwärtige Forschung zur frühneuzeitlichen Historiographie noch weit davon entfernt, ihre Ansätze einer umfassenden Synthese und Reflexion unterzogen zu haben.

Im Sommerkurs werden wir versuchen, der frühneuzeitlichen Historiographie Europas näher zu kommen, in dem wir uns auf zwei zentrale Phänomene konzentrieren: die Praktiken der Historiker und die medialen Erscheinungsformen ihrer Erzeugnisse. Praktiken und Medien haben sich in der frühen Neuzeit gegenseitig in hohem Maß herausgefordert und eine Pluralisierung der Bedingungen historischen Arbeitens, aber auch der Ausbildung neuer Formen von Geschichtsdarstellung und ihrer Rezeption ermöglicht.

Die Programmatik frühneuzeitlicher Historiographie ist bekannt, über die Praktiken der Historiker wissen wir erst in Ansätzen Bescheid: Wie verschafften sie sich Zugang zur ‚historischen Information`? Wie bearbeiteten sie diese Informationen weiter, und welcher Bearbeitungszustand gelangte schließlich zum Druck und Vertrieb? Welches waren die Arbeitsschritte des Historikers (Exzerpieren, Abschreiben, Übersetzen, Kommentieren, Kompilieren und Komponieren)? Welches „Netzwerk“ war Voraussetzung für seine historische Arbeit, wie und mit wem stand er im Austausch, und wie prägte diese Kommunikationen seinen Alltag? In welchem Verhältnis standen das technische Repertoire, die sozialen Kompetenzen und der Habitus der Historiker zur offiziellen Programmatik der historischen Theorie beziehungsweise der „artes historicae“? Wie verhalten sich die genannten Praktiken und Kompetenten zu dem immer wieder beschworenen Prozess einer zunehmenden ‚Verwissenschaftlichung‘ der Historie in der Frühen Neuzeit?

Die Expansion der Medien in der Frühen Neuzeit unterwirft die Historiographie einerseits der Konkurrenz zwischen Text- und neuen Bildmedien, eröffnet ihr aber andererseits auch neue Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Adressaten, Modellen, Formen und Kontexten ihrer Wahrnehmung bis hin zu neuen Ausprägungen von Vergessen, Verschwinden und des Transfers historischen Wissens. Zum medialen Kontext der neuen Historiographie gehören die Ausweitung ihrer Leserschaft, der Abbau bzw. die Transformationen der Mündlichkeit in Text und Bild, die Pluralisierung der „Geschichtssprachen“ im Hinblick auf Nationalsprachen aber auch auf eine adressatenbezogene Ausdrucksweise (Politiker, Frauen, Kinder, Wissenschaftler) sowie der Aufbau neuer historischen ‚Informationssysteme‘ (Bibliographie, Bibliothek, Journal). Was dabei die Frühe Neuzeit besonders auszeichnet ist die ihr inhärente Tendenz zum Medienwechsel bzw. zur Intermedialität, die den Text in der Regel nicht ‚abschafft‘, sondern auf neuen sozialen und diskursiven Ebenen verankert.

Die ‚Historica-Abteilung‘ der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel gehört zu den größten Sammlungen historiographischer Literatur weltweit. Ziel des Sommerkurses ist es, unter Rückgriff auf diese Bestände die mediale Vielfalt frühneuzeitlicher Historiographie zu erfassen und gezielt Phänomenen des Medienwechsels nachzugehen. Die Bibliothek bewahrt zudem Dokumente, die historiographische Praktiken vor Augen führen können. Das Programm wird den Kursteilnehmern die Gelegenheit bieten, ihr eigenes Forschungsvorhaben im Kreise der Kolleginnen und Kollegen vorzustellen und zu diskutieren. Bewerben können sich Angehörige sämtlicher historisch arbeitender Fächer, darunter insbesondere, den Ausprägungen der frühneuzeitlichen Historiographie entsprechend, neben Historikern auch Literaturhistoriker, Kunstwissenschaftler und Medienhistoriker. Den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern wird ausreichend Zeit verbleiben, um das eigene Forschungsvorhaben im Umgang mit den historischen Beständen der Bibliothek voranzutreiben.

Neben Herrn Völkel werden sechs weitere Dozenten teilnehmen:
- Prof. Dr. Gary Ianziti (Queensland, Australien, Centre for the History of
European Discourses);
- Prof. Dr. Daniel Woolf (Ontario, Kanada, Queen’s University);
- PD. Dr. Markus Friedrich (Frankfurt a.M./Gotha): Archivgeschichte Europas in der Frühen Neuzeit;
- Dr. Harald Bollbuck (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel): Historische Methode und Arbeitstechnik der Magdeburger Zenturien;
- PD Dr. Christian Kuhn (Bamberg);
- PD Martin Hille (Passau).

Bewerbungen

Die Ausschreibung richtet sich an Studierende aus dem In- und Ausland, die ihre Abschluss- oder Doktorarbeiten verfassen. Arbeitssprachen sind Deutsch und Englisch.

Die Bibliothek bietet bis zu fünfzehn Plätze für Teilnehmer/innen und übernimmt die Kosten für Übernachtung und Frühstück. Außerdem erhält jeder Teilnehmer ein Handgeld von € 200. Es wird erwartet, dass Teilnehmer/innen die Reisekosten selbst tragen.

Die formlosen Bewerbungen sollen neben einem Anschreiben mit der Begründung des Interesses an der Teilnahme einen Lebenslauf enthalten, der Bildungsweg und wissenschaftliche Arbeit beschreibt. Außerdem benötigen wir die Adresse einer Hochschullehrerin/eines Hochschullehrers, die/der bereit wäre, auf Anfrage eine Empfehlung zu schreiben. Bewerbungsschluss ist der 28. Februar 2013. Bitte senden Sie Ihre Bewerbungen vorzugsweise per E-Mail an:

forschung@hab.de

bzw.

Dr. Volker Bauer
Herzog August Bibliothek
Postfach 13 64
D-38299 Wolfenbüttel
Fax-Nr.: +49 5331-808 266.

Topic and Programme

Not twenty years ago early modern historiography was still being written off as pre-scientific. Its achievements did not correspond to the definition of “history” promoted by the new professional historians of the 19th century and even the enlightened discipline of history didactics in the late 20th century did not recognise it as part of the history of its own subject. In recent years, research on early modern historiography has undergone a fundamental shift: Its „pre-paradigmatic condition“, that is the linking of history (historia) to rhetorics, natural history (historia naturalis), arts and performative practices such as ceremonies and rituals, has proven an inexhaustible source of new approaches in cultural, media, political and art history studies. Despite many attempts early modern historiography, though anchored in traditional concepts of knowledge, failed to gain a place within demonstrative science and was thus forced to keep developing new models of a “logic of persuasion”. Its techniques make it appealing in our age of globalised research which pays special attention to „alterity“. Despite this, current research on early modern historiography is a long way from producing a synthesis of and reflection on its own approaches.

Within the scope of the Summer Course we will attempt to analyse early modern European historiography by looking at two central phenomena – historians’ practical work and the various media in which their works were framed. In the early modern period, practices and media represented strong challenges to one another and enabled not only a pluralisation of the conditions under which historical work took place, but also the development of new forms for the depiction of history and its reception.

Whilst the agenda of early modern historiography has been looked into, not much is known about a historian’s actual work: How was “historical information” collected and processed and at what stage in the editing process did it actually go into print and distribution? What work steps were involved (excerpting, copying, translating, commenting, compiling and composing)? What sort of “network” was required when working as a historian, how and with whom did he communicate? What impact did this exchange have on his everyday life? What was the relationship between the technical repertoire, the social competence and the habitus of historians and the official agenda of historical theory, respectively the “artes historicae”. How do the practices and components mentioned correlate with the much invoked concept of a presumed “scientification” of historiography in the early modern period?

On the one hand, the early modern expansion of media submitted historiography to a competition between textual and visual media. However, on the other hand, it also opened up a whole new range of possibilities, allowing historians not only to choose between various audiences, models, forms and contexts of reception, but also to introduce new means of forgetting, disappearing and transferring historical knowledge. With respect to the medial context we can observe an increasing readership, a reduction, or rather transformation, of orality in textual and visual media and a pluralisation of “history languages”, both in respect to national languages as well as target-group related forms of expression (politicians, women, children, scholars). Also, new historical “information systems” were introduced (bibliography, library, journal). What makes the early modern period stand out is its inherent tendency to ex- or interchange of its media. This generally did not mean that texts were dispensed with, but rather were they anchored on a new social and discursive level.

The “Historica-Section” of the Herzog August Bibliothek is one of the world’s largest collections of historiographical works. The aim of the Summer Course is to describe the media diversity of early modern historiography and to analyse practices of media exchange with regard to these holdings. Using the source material available in the library will also allow us to touch on the issue of actual historiographical practices. Participants will have the opportunity to present their own research to the group. The Summer Course is open to all historically orientated disciplines. In accordance with the specifics of early modern historiography, this would include in particular historians, as well as literary, art and media historians. There will also be scope within the programme to allow participants to conduct their own research in the library.

Markus Völkel will head the course and he will be joined by other scholars:

- Prof. Dr. Gary Ianziti (Queensland, Australien, Centre for the History of European Discourses);
- Prof. Dr. Daniel Woolf (Ontario, Kanada, Queen’s University);
- PD. Dr. Markus Friedrich (Frankfurt a.M./Gotha): Archivgeschichte Europas in der Frühen Neuzeit;
- Dr. Harald Bollbuck (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel): Historische Methode und Arbeitstechnik der Magdeburger Zenturien;
- PD Dr. Christian Kuhn (Bamberg);
- PD Martin Hille (Passau).

Applications

The call for applications is addressed to masters or doctoral students from Germany and abroad. The languages used in the course will be German and English.

The library offers up to fifteen places for participants and will cover their expenses for accommodation and breakfast. Each participant will receive a subsidy of 200 Euros to cover living costs. Participants are expected to pay their own travel expenses.

There are no application forms. Applicants should state their reasons for wishing to participate in the course and send a c.v. which describes their academic career and their current research. Please also supply the address of an academic referee who may be contacted to supply a reference if needed. The deadline is 28th February 2013. Applications should be submitted, preferably by email, to:

forschung@hab.de

Dr. Volker Bauer
Herzog August Bibliothek
Postfach 13 64
D-38299 Wolfenbüttel
Fax-Nr.: +49 5331-808 266.

Programm

Kontakt

Dr. Volker Bauer

Herzog August Bibliothek Postfach 1364 D-38299 Wolfenbüttel

forschung@hab.de

http://www.hab.de/forschung/nachwuchs/SK2013_deutsch.htm bzw. http://www.hab.de/forschung/nachwuchs/SK2013_english.htm
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