Drei Generationen: Shoa und Nationalsozialismus im Familiengedächtnis

Drei Generationen: Shoa und Nationalsozialismus im Familiengedächtnis

Veranstalter
Institut für jüdische Geschichte Österreichs
Veranstaltungsort
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
30.11.2012 -
Deadline
30.11.2012
Von
Sabine Hödl, Institut für jüdische Geschichte Österreichs

„Und dass ich jahrelang kein Kind hab’ haben wollen, weil ich gefunden hab’, unsere Rasse hat schon genug mitgemacht. Wär’ schon besser, sie wär’ nicht mehr da. Zwanzig Jahre hab’ ich nicht wollen. Und dann hab’ ich doch noch einen Sohn bekommen. Und der ist jetzt alles, was ich hab’. Obwohl er nicht bei mir ist. Und ich leb’ hier ganz allein,” erzählt eine in Wien geborene und 1938 nach Buenos Aires zur Flucht gezwungene Emigrantin im Interview.

Für die Vertriebenen und Überlebenden der Shoa war die Geburt ihrer Kinder eines der zentralsten Ereignisse im Nachkriegsleben, sie schufen die Basis zur Gestaltung einer lebensbejahenden Umgebung und waren Sinngeber für den Neuanfang. Die elterlichen Aufträge und Erwartungen an die Kinder waren dabei umfassend. Sie sollten eine Brücke zum Leben und ein Symbol des Sieges über die Verfolger sein, die traumatischen Erlebnisse annullieren, die Ermordeten ersetzen. Durch die Gründung neuer Familien begann die Zählung von neuem, die ZeitzeugInnen des Nationalsozialismus wurden zur „ersten Generation“.

Neben elterlicher Freude und Zuwendung konnten sich aber vielfältige Belastungen und Einschränkungen für die Nachkommen entwickeln, wobei es nahezu unmöglich erscheint, die Auswirkungen der Verfolgung auf einen Nenner zu bringen. Neben den Gefühlen der Verunsicherung und der Entwurzelung, des niemals Ankommens, der „ewigen Emigration“, ist es vor allem der Begriff der posttraumatischen Belastungsstörung, der die Forschungsliteratur über transgenerationelle Spätfolgen prägt.

Die Weitergabe an die „dritte Generation“ scheint dabei noch weitgehend unerforscht. Wie gehen Enkelinnen und Enkel mit diesem „Erbe“ um? Gelten dieselben Prämissen wie bei der „dritten Generation“ der „Tätergesellschaft“, von denen eine aktive Beschäftigung mit dem Thema, etwa unter den Titeln „Vom Großvater vertrieben, vom Enkel erforscht?“, „Schweigen die Täter, reden die Enkel“ oder „Opa war kein Nazi“, ausgeht?

Die interdisziplinäre Tagung will sich der Problematik aus unterschiedlichen, historischen, psychologischen, künstlerischen, literarischen etc. Perspektiven nähern. Strategien der Verarbeitung bzw. Verdrängungsphänomene sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene sollen dabei diskutiert werden. Von besonderem Interesse wird das Familiengedächtnis sein, das durch Kommunikation und Interaktion der einzelnen Familienmitglieder entstanden ist und somit ein dynamisches Konstrukt der Erinnerungsgemeinschaft verschiedener Generationen darstellt. Die Weitergabe der Familiengeschichte erfolgte nicht nur eindimensional von der älteren zur jüngeren Generation, sondern wurde in diesem Prozess der Auseinandersetzung und des intergenerationellen Dialogs von den jüngeren Generationen als Akteurinnen handelnd verarbeitet.

Wir freuen uns auf abstracts (max. 1 Seite) und bitten diese bis spätestens 30. November 2012 per E-mail an Dr. Sabine Hödl (sabine.hoedl@injoest.ac.at) zu schicken. Die Tagung findet vom 3.-5. Juli 2013 in Wien statt, den ReferentInnen steht eine halbe Stunde Rede- und 15 Minuten Diskussionszeit zur Verfügung. Die Tagungsorganisation erstattet für die Vortragenden Reise- und Hotelkosten. Die Ergebnisse der Tagung werden in einem wissenschaftlichen Sammelband veröffentlicht.

Programm

Kontakt

Institut für jüdische Geschichte Österreichs
Dr. Sabine Hödl
(sabine.hoedl@injoest.ac.at)

http://www.injoest.ac.at
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