Unternehmen und Krieg. Neuere Studien zum Ersten Weltkrieg. 36. Wissenschaftliches Symposium der GUG e.V.

Unternehmen und Krieg. Neuere Studien zum Ersten Weltkrieg. 36. Wissenschaftliches Symposium der GUG e.V.

Veranstalter
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) e.V.
Veranstaltungsort
TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit
Ort
Mannheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.10.2013 - 11.10.2013
Deadline
15.01.2013
Von
Gabriele Pieri

Der Erste Weltkrieg war der erste industrielle Krieg, der nicht nur an der Front, nicht nur aus den Arsenalen geführt und entschieden wurde, sondern wesentlich auch über die Erschöpfung des Gegners: Menschen, Material, Rohstoffe, Ernährung. Dies erklärt auch seine Länge. Wirtschaftlich gesehen war dieser Krieg eine Verlagerung vom privaten zum öffentlichen Konsum. In der Dimension hatte keine der beiden Seiten eine Erfahrung, weder der Staat, noch die Unternehmen, noch die Konsumenten. Alle tasteten sich daher an die neuen Bedingungen heran, was die Unvollständigkeit der Maßnahmen verständlich macht. Dennoch wurde diese Kriegswirtschaft zur Erfahrung für den Zweiten Weltkrieg.

Im Gegensatz zur älteren wirtschaftshistorischen Forschung zum Ersten Weltkrieg aus den 1960er und 1970er Jahren, bei der die kriegswirtschaftliche, d.h. behördliche Lenkung im Mittelpunkt stand, soll auf dieser Tagung der einzelwirtschaftliche Anpassungsprozess auf Restriktionen und Chancen behandelt werden, welche die Behörden dem einzelnen Unternehmen einräumten. Chancen und Probleme waren je nach Branche höchst unterschiedlich verteilt. Manche Bereiche, wie die Luxusindustrie, wurden reduziert, andere hatten dagegen enorme Entwicklungschancen und die Möglichkeit zur Massenproduktion, wie etwa Flugzeuge, Motoren, Auto, etc. Denn das Militär war ein großzügiger Auftraggeber mit geringem Kostenbewusstsein.

Es ist beabsichtigt, auf der Tagung neuere Forschungen zur Geschichte der Kriegswirtschaft der Mittelmächte zu präsentieren, wobei deren Kriegsgegner gerne auch vergleichend in den Blick genommen werden können. Im Zentrum sollte dabei die Frage nach den strategischen Handlungsspielräumen von Unternehmen und deren Nutzung unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft sowie des Zusammenbruchs der bisherigen Welthandelsordnung stehen. Im Einzelnen kann das unter folgenden Aspekten geschehen:

1. Die Anpassung der Unternehmen an die kriegswirtschaftliche Regulierung
2. Ressourcenmanagement und Ersatzstoffwirtschaft
3. Arbeitskräfteeinsatz und sozialen Konflikte
4. Ausländische Unternehmen in der Kriegswirtschaft der Mittelmächte

Das erste Themenfeld behandelt die Umstellung von deutschen und österreichischen Unternehmen auf die Kriegswirtschaft und ihr Anpassungsverhalten gegenüber der stark veränderten Nachfragestruktur. Im Mittelpunkt sollte dabei die Frage stehen, wie wirksam die von den Behörden gesetzten Anreize waren und inwieweit Zwang eine Rolle spielte? Je länger der Krieg dauerte, desto klarer muss es den Unternehmern geworden sein, dass die alte weltwirtschaftliche Arbeitsteilung nach dem Krieg nicht einfach wiederhergestellt werden konnte – egal wer den Krieg gewann. Insofern sollte auch die Bedeutung der Erwartungen für die Nachkriegszeit etwa bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden. Abstrakter ausgedrückt zielt dieses Themenfeld auf die Frage, wie ein komplexes System reagiert, wenn es in eine in seinen Ausmaßen unvorhersehbare Ausnahmesituation gerät.

Das zweite Themenfeld widmet sich dem Problem der Ressourcenverknappung. Mit der Blockade der Alliierten war die Wirtschaft der Mittelmächte weitgehend von den bisher aus Übersee importierten Rohstoffen und Nahrungsmitteln abgeschnitten. Das galt zum einen für überseeische Rohstoffe wie Baumwolle, Guano oder Kautschuk, zum anderen aber auch für solche Rohstoffe, die zwar auch in Mitteleuropa gefördert oder erzeugt wurden, aber deren inländische Bereitstellung bei weitem nicht den Bedarf befriedigen konnte. Das galt für Mineralöl, Wolle oder Leder, aber natürlich auch für viele Nahrungsmittel. Für diese Rohstoffe mussten Ersatzstoffe entwickelt werden, wobei in manchen Fällen die Ersatzstoffe durchaus den zu ersetzenden Stoffen ebenbürtig waren. Das prominenteste Beispiel ist zweifellos die Stickstoffproduktion (Frank-Caro-Verfahren, Haber-Bosch-Synthese) für Düngemittel und Munition. In manchen Fällen gelang es jedoch nicht marktfähige Ersatzstoffe zu entwickeln. Ein Beispiel hierfür sind etwa die Zellstofffasern, mit denen die ausbleibenden Baumwollimporte substituiert wurden. Dabei ist danach zu fragen, wie sich die Unternehmen auf die Ersatzstoffe einstellten, inwieweit sie etwa bereit waren, aufwändig Produktionsanlagen umzubauen, um damit Waren zu produzieren, die unter freien Weltmarktbedingungen nicht absetzbar gewesen wären oder welche Forschungsanstrengungen sie selber unternahmen, um nicht auf minderwertige Ersatzstoffe angewiesen zu sein.

Die Einberufungen einer hohen Zahl von jungen und körperlich besonders leistungsfähigen Arbeitskräften stellten die Unternehmen von Anfang an vor besondere Herausforderungen und bildet damit den Ausgangspunkt für das dritte Themenfeld der Tagung. Jugendliche, Frauen und später auch Kriegsgefangene konnten diese Lücken nur unzureichend schließen. Dennoch konnte der Einsatz von ungelernten Arbeitskräften auch zu einem Rationalisierungsschub führen, wenn die höhere Kapitalintensität aufgrund von Serienfertigung und hoher Auslastung auch zu Friedenszeiten zukunftsfähig erschien. Andererseits führten die langen Arbeitszeiten bei gleichzeitig unzureichender Ernährung immer wieder zu Konflikten innerhalb der verbliebenen Stammbelegschaft, die mit der latenten Drohung einer Einberufung immer weniger im Zaum zu halten war, je länger der Krieg dauerte. Manche Unternehmen entwickelten deshalb ( z.T illegale, aber geduldete) Strategien, um die Lebensmittelversorgung ihrer Belegschaften zu verbessern. In diesem Zusammenhang wäre aber auch zu fragen, zu welchen Pazifizierungsstrategien die Unternehmensleitungen bereit waren und wo die Grenze lag – etwa mit Blick auf die Partizipationsrechte der Werksbelegschaften.

Der vierte Themenbereich behandelt den Umgang der Behörden mit ausländischen Unternehmen. Denn es musste gewährleistet werden, dass sich auch diese Unternehmen ganz in den Dienst der kriegswirtschaftlichen Anstrengungen im Reich stellten, wobei zu berücksichtigen war, dass im Fall von Zwangsmaßnahmen sichergestellt werden musste, dass es nicht zu Friktionen bei den Arbeitsabläufen kam. Von besonderem Interesse wären in diesem Zusammenhang auch die Beziehungen deutscher oder österreichischer Unternehmen zu Unternehmen im neutralen Ausland. Denkbar wäre es etwa, dass auf bilateralem Wege versucht wurde, die Restriktionen durch die inländische Regulierung zu unterlaufen. Daneben kann aber auch die Perspektive der ausländischen Unternehmen ins Zentrum gerückt und gefragt werden, inwieweit sich die Partner im neutralen Ausland auf den Nachfrageüberhang aus den kriegführenden Staaten einstellte – nicht zuletzt mit Blick auf die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung in der Nachkriegszeit?

Die Tagung findet am 10. und 11. Oktober 2013 im TECHNOSEUM Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim statt.
Vorschläge mit einen zwei- bis dreiseitigen Abstract und einem CV werden bis zum
15. Januar 2013 erbeten an die
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Dr. Andrea H. Schneider
Sophienstr. 44
60487 Frankfurt am Main
Email: gug@unternehmensgeschichte.de
Als Ansprechpartner und für Rückfragen stehen die wissenschaftlichen Leiter der Tagung zur Verfügung:
Prof. Dr. Dieter Ziegler, Ruhr-Universität Bochum (Dieter-Ziegler@web.de) und Prof. Dr. Dieter Stiefel (dieter.stiefel@univie.ac.at).

Programm

Kontakt

Andrea H. Schneider

Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Sophienstr. 44, 60487 Frankfurt am Main
069 / 97 20 33 14
069 / 97 20 33 57
gug@unternehmensgeschichte.de

http://www.unternehmensgeschichte.de
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