Riskante Technologien. Wahrnehmung und Regulierung in der Hochmoderne

Riskante Technologien. Wahrnehmung und Regulierung in der Hochmoderne

Veranstalter
Thomas Hänseroth / Uwe Fraunholz / Detlev Fritsche / Martin Schwarz / Sylvia Wölfel / Anke Woschech, SFB 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“, Teilprojekt M: „Das Fortschrittsversprechen von Technik und die Altruismusbehauptung der Ingenieure in der technokratischen Hochmoderne (ca. 1880-1970)“
Veranstaltungsort
TU Dresden, BZW, Zellescher Weg
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.11.2012 - 15.11.2012
Deadline
31.08.2012
Von
Uwe Fraunholz

Technischer Wandel birgt einen latenten Risikocharakter in sich und zeitigt stets auch nicht intendierte Nebenfolgen. Diese Resultate von „Fortschritten“ waren durch immer weiter gehende „Fortschritte“ zu kompensieren. Dabei scheint im Vergleich zur Vormoderne im Industriezeitalter das Ausmaß der durch technische Unfälle und Katastrophen hervorgerufenen Schäden noch zugenommen zu haben.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts setzten sowohl Diskurse über technisch verursachte Risiken als auch die Etablierung von Regulierungsmustern riskanter Technologien ein: Obwohl Kontingenzreduktion im Ideenhaushalt der Hochmoderne (ca. 1880-1970) einen prominenten Platz einnahm, hatte sich offenkundig bereits um 1900 ein robustes Niveau an Akzeptanz technischer Risiken durchgesetzt. Riskante Technologien wurden entweder positiv wahrgenommen oder als Spektakel eingehegt. Zugleich mehrten sich Reden vom notwendigen „Tribut zollen an den technischen Fortschritt“. Technische Desaster wurden auf diese Weise nachgerade als Bestandteil steten „Fortschritts“ interpretiert, da ihre Auswertung technische Vervollkommnung versprach.

Andererseits etablierte sich ein von Bürokratisierung, Verrechtlichung und Szientismus als Leitbildern geformtes Regulierungsparadigma, das wesentlich sowohl zur Akkulturation und Normalisierung riskanter Techniken als auch zur Einhegung und Bewältigung technischer Desaster beitrug und Ingenieure letztlich zu konkurrenzlosen Experten in Dingen technischer Sicherheit, also de facto in eigener Sache machte. Die Bewältigung von Unfällen und Katstrophen erfolgte fortan vornehmlich durch expertengestützte Ursachenforschung, Versicherungsleistungen, juristische Aufarbeitung sowie die über Aushandlungsprozesse verschiedener Akteursgruppen vorgenommene Implementation von normierten Regelwerken und Sicherheitsstandards. Dabei entstanden Regelungsbereiche, die sich nicht durch überkommene Ordnungsvorstellungen erfassen ließen, sondern in denen Privatautonomie und „Gemeinwohl“ auf neue Art auszutarieren waren.

Über diese Diskurse und Praktiken erfolgte wesentlich die Konstruktion der die Hochmoderne prägenden Auffassungen sowohl von Risiko und Sicherheit als auch der Perzeptions- und Regulierungsmuster von (Un)Sicherheitsproblemen, Unfällen und Katastrophen. Die solcherart konstituierten Orientierungs- und Handlungstableaus begründeten Pfadabhängigkeiten und wirkten weit in das 20. Jahrhundert hinein. Erst seit den 1970er Jahren sorgten sich wechselwirkend verstärkende öffentliche und innerwissenschaftliche Diskurse dafür, dass das überkommene Regulierungsparadigma riskanter Technik allmählich unter Druck geriet: Das Versprechen von Sicherheit und Gewissheit durch Verwissenschaftlichung wurde als Rationalitätsfiktion dekonstruiert.

In dem geplanten Workshop sollen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Regulierungsmuster riskanter Technologien sowie Strukturen des Risiko- und Katastrophenmanagements diskutiert werden. Weshalb vermochten durch Technikversagen ausgelöste Unfälle und Katastrophen in der Hochmoderne den technisierten Fortschrittsoptimismus der Epoche nicht grundsätzlich zu konterkarieren? Wie reagierten Ingenieure auf Irritationen, die von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommene, versagende Technik hervorrief? Was bedeutete das Versagen „normengerecht“ konstruierter Technik für die von Ingenieuren zur Legitimation ihres Insistierens auf Wertneutralität und „Sachzwängen“ reklamierte „normative Kraft des Faktischen“? Ist bereits für die Hochmoderne nachweisbar, dass sich ein Paradigmenwechsel im Denken über (Un)Sicherheit anbahnte, indem die Strategie, unverfügbare Gefahren durch Quantifizierung von Risiken verfügbar zu machen, in die Defensive geriet?

Abstracts für Vortragsvorschläge (max. 350-400 Wörter) sowie ein Kurzlebenslauf von einer Seite werden bis zum 31. August 2012 erbeten an: Uwe.Fraunholz@tu-dresden.de

Reise- und Übernachtungskosten der Referenten werden übernommen.

Programm

Kontakt

Uwe Fraunholz

SFB 804, TU Dresden, 01062 Dresden

0351-46334899
0351-46337265
uwe.fraunholz@tu-dresden.de

http://www.sfb804.de/
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