Wegbereiter des Nationalsozialismus – Personen, Organisationen, Netzwerke des völkisch-antisemitischen Aktivismus 1919-1933

Wegbereiter des Nationalsozialismus – Personen, Organisationen, Netzwerke des völkisch-antisemitischen Aktivismus 1919-1933

Veranstalter
Dr. Massimiliano Livi, Exzellenzcluster "Religion und Politik", Münster; Dr. Daniel Schmidt, Institut für Stadtgeschichte, Gelsenkirchen; Michael Sturm M.A., Geschichtsort Villa ten Hompel, Münster
Veranstaltungsort
Wissenschaftspark
Ort
Gelsenkirchen
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.09.2013 - 02.10.2013
Deadline
30.11.2012
Website
Von
Daniel Schmidt

Die Inkubationsphase des Nationalsozialismus, die bereits zeitgenössisch von der NSDAP mythisch überhöhte „Kampfzeit“ zwischen 1919 und 1933, ist zuletzt zwar nicht gänzlich aus dem Blickfeld der historischen NS-Forschung verschwunden, stand allerdings auch nicht unbedingt in deren Mittelpunkt. Unter dem Titel „Wegbereiter des Nationalsozialismus“ wird im kommenden Jahr in Gelsenkirchen eine Tagung stattfinden, die sich jenen Personen, Gruppen und Netzwerken widmet, die während der Weimarer Republik den Aufstieg des Nationalsozialismus organisierten, auch wenn sie selbst nicht unbedingt Teil der NS-Bewegung waren oder wurden. Der Fokus liegt also auf individuellen und kollektiven Akteuren, die die völkisch-antisemitische, antirepublikanisch-revanchistische, militant-nihilistische Subkultur der langen 1920er Jahren ausmachten. Diese ebenso heterogenen wie amorphen Strukturen bildeten die Grundlage für den Aufstieg des Nationalsozialismus, der sich in beispielloser Rasanz vollzog, als es die äußeren Bedingungen ab 1930 zuließen.

Ausgehend von der Annahme, es im Nationalsozialismus mit einem fluiden Phänomen zu tun zu haben, dessen Ausgestaltung in der Praxis der Akteure geschah, sollen im Rahmen der Tagung vor allem diejenigen Männer und Frauen in den Blick genommen werden, die sich an diesem Prozess seit den für sie traumatischen Erfahrungen von Kriegsniederlage und Revolution aktiv beteiligten.

Dabei interessieren wir uns erstens für die individuellen Akteure, die sich in unterschiedlichen organisatorischen Zusammenhängen aus einer rechtsextremen politischen Haltung heraus gegen die Weimarer Republik stellten, beispielsweise Hermann Ehrhardt, Paul Schulz, Waldemar Pabst, Edmund Heines, Walter Stennes oder Gregor Strasser. Auch die verschiedenen regionalen NS-Führer (für das Ruhrgebiet z. B. Josef Wagner, Wilhelm Schepmann, Alfred Meyer oder Josef Terboven) sowie die Frauen, die sich wie etwa Gertrud Scholtz-Klink, Elsbeth Zander oder Guida Diehl in der völkischen Bewegung engagierten, sollten Berücksichtigung finden.

Zweitens sollen die organisatorischen Zusammenhänge selbst, also die Sozialisationsagenturen der Akteure, thematisiert werden, Denkbar wären Beiträge zur Freikorpsbewegung, zu rechten Geheimbünden und Terrororganisationen wie der Organisation Consul, zu völkischen Splitterparteien, aber auch zu Frauenvereinen, konservativ-konfessionellen Zirkeln oder intellektuellen bzw. universitären Gruppierungen.

Drittens soll sich die Tagung mit jenen prägenden Orten befassen, an denen die Netzwerke der Bewegung geknüpft wurden, also beispielsweise mit dem Baltikum und Oberschlesien, wo die Freikorpsbewegung ihren Zenit erreichte, mit dem Ruhrgebiet, wo mit der Niederschlagung der Märzrevolution 1920 und dem Widerstand gegen die französische Besatzung sowohl der innere als auch der äußere Feind bekämpft wurden, mit dem Rheinland und dem dortigen Kampf gegen Besatzung und Separatismus, aber auch mit den ostelbischen Landgütern, die in den 1920er Jahren zu Rückzugsorten und Schutzzonen der paramilitärischen Bewegung wurden.

Viertens ist an eine Sektion gedacht, die sich mit dem erinnerungskulturellen Nachleben dieser „Kampfzeit“ und ihrer heterogenen Akteure befasst. Hier interessieren wir uns zum einen für die Topoi und Inszenierungspraktiken, mit denen der historische Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 seine Nahvergangenheit deutete. Besonders in seiner Konsolidierungsphase nahm das NS-Regime in vielfacher Weise Bezug auf Figuren wie den SA-Führer Horst Wessel, den Freikorps-Aktivisten Albert Leo Schlageter, aber auch auf andere, in der Zwischenkriegszeit zu Tode gekommene Protagonisten extrem rechter Strömungen. Das NS-Regime stilisierte diese zu „Märtyrern“ der „Bewegung“. Die propagandistischen Ausdrucksformen reichten von Denkmalsetzungen, über Massenaufmärsche und Gedenkveranstaltungen bis zu einer verklärenden Erinnerungsliteratur. Zum anderen soll der Frage nachgegangen werden, welchen Stellenwert die Bezugnahme auf die „Bewegungsphase“ des Nationalsozialismus im heutigen Rechtsextremismus einnimmt. Vor allem die Aktivisten der neonazistischen Freien Kameradschaften sind bestrebt, rhetorisch sowie in ihren Selbstdarstellungsformen an die Tradition der SA und der Freikorps anzuknüpfen.

Es wäre wünschenswert, in allen vier geplanten Sektionen eine Brücke zu parallelen Entwicklungen in anderen faschistischen Bewegungen in Europa zu schlagen und gegebenenfalls auch Transferprozesse und internationale Netzwerke sichtbar zu machen. Vorschläge, die eine internationale bzw. vergleichende Perspektive aufzeigen, sind also willkommen. Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind aufgerufen, bis zum 30. November 2012 eine kurze Ideenskizze (max. 400 Wörter) einzureichen.

Programm

Kontakt

Daniel Schmidt

Institut für Stadtgeschichte
Munscheidstr. 14 (Wissenschaftspark)
45886 Gelsenkirchen
0209/1698555

daniel.schmidt@gelsenkirchen.de