Prävention. Nachfrage und Inanspruchnahme gesundheitserhaltender Maßnahmen seit 1918

Prävention. Nachfrage und Inanspruchnahme gesundheitserhaltender Maßnahmen seit 1918

Veranstalter
Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung
Veranstaltungsort
Stuttgart
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.11.2012 - 23.11.2012
Deadline
27.05.2012
Von
Sylvelyn Hähner-Rombach

1970 wurde der vorsorgende Gesundheitsschutz im System der sozialen Krankenversicherung rechtlich verankert, seit Ende der 1970er Jahre bis Anfang des 21. Jahrhunderts waren die politischen Vorgaben für die gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich ihres Engagements in der Prävention jedoch abhängig von der jeweiligen Kassenlage. Seit 2004 dürfen sie Versicherten, die Präventionsprogramme in Anspruch nehmen, Boni gewähren. Angesichts der demographischen Entwicklung und immer knapper werdender Ressourcen im Gesundheitswesen besteht über die Notwendigkeit von Prävention, kein Zweifel mehr. Trotz des aktuellen Konsenses über die Dringlichkeit einer stärkeren Ausrichtung des Gesundheitswesens auf Vorbeugung können sich die Parteien jedoch weiterhin nicht auf ein Präventionsgesetz einigen. Auch sind die Leistungen der Krankenkassen in der Primärprävention (Krankheitsverhinderung) und betrieblichen Gesundheitsförderung zwar gestiegen, aber noch lange nicht ausreichend. Im Jahr 2009 nahmen insges. 2,1 Mio. Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung an krankenkassengeförderten Präventionskursen – zumeist zur Ernährung, Bewegung, Stressbewältigung und Suchtprävention – teil. Das Einsparpotential durch Prävention ist damit aber nicht annähernd ausgeschöpft. 2005 kam eine Studie der OECD zu dem Ergebnis, dass nur 3 Prozent der Gesundheitsausgaben in OECD-Ländern für Prävention und öffentliche Gesundheitsprogramme verwendet werden, in Deutschland waren es 4,8 Prozent.

Dieser aktuelle Befund ist Ausgangspunkt einer historischen Analyse. Dazu schlagen wir drei Perspektiven vor:

1. Sowohl auf Seiten der Anbieter als auch bei der Nachfrage sind zunächst Akteure zu beachten. Die Anbieterseite ist durch eine starke Heterogenität charakterisiert, dazu gehören staatliche und kommunale Einrichtungen (z. B. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Gesundheitsämter), Körperschaften des öffentlichen Rechts (wie Krankenkassen, Berufsgenossenschaften), Arztpraxen, Betriebe und Unternehmen, private Vereine, Selbsthilfegruppen sowie ein zunehmend ausdifferenzierter privater Gesundheitsmarkt.
Die Akteure auf Seite der Inanspruchnahme sind u. a. Privatpersonen/Selbstzahler, Betriebsangehörige, Krankenkassenmitglieder, die sich hinsichtlich ihres Geschlechts, ihrer Altersgruppe, ihrer Nationalität usw. unterscheiden. Bei ihnen stellen sich Fragen nach ihrer Motivation, ihrer Wahrnehmung der einzelnen Maßnahmen und ihres Lebensstils sowie nach ihrer Einschätzung der Durchführung von Präventionsmaßnahmen.

2. Der zweite Zugang zum Untersuchungsgegenstand sind zum einen eigenständige Praktiken, die unabhängig von Präventionsmaßnahmen gesundheitsfördernd sind, wie beispielsweise Yoga-Übungen oder regelmäßiger Sport, zum anderen Angebote und ihre Ausgestaltung durch z. B. Krankenkassen und drittens Forderungen nach speziellen Präventionsmaßnahmen, wie beispielsweise die Einführung von Angeboten in einem Kindergarten oder Unternehmen: Welche Maßnahmen umfassten sie, wie waren das Setting und die Zugangswege konzipiert, welche Ziele wurden angestrebt, auf wen waren sie zugeschnitten (ab wann und weshalb gab es beispielsweise zielgruppenspezifische Angebote), inwieweit fanden soziale Benachteiligungen Beachtung, welche Rolle spielten Wirtschaftlichkeit und Einsparpotentiale, welche Maßnahmen galten als erfolgreich, welche nicht, was waren die Gründe für die angenommene/belegte Wirkung und welche Formen der Übermittlung (Medien) wurden gewählt? Außerdem stellt sich die Frage, wodurch längerfristige Änderungen im Gesundheitsverhalten hervorgerufen und wie sie umgesetzt wurden. Schließlich sind auch immer noch die Zwangsmaßnahmen im Bereich der Prävention zu bedenken.

3. Außerdem sollen die Orte, an denen Prävention stattfindet, innerhalb einer Skala von Freiwilligkeit und Zwang identifiziert werden, also Schule, Gesundheitsamt, Betriebssport- und Werksarzteinrichtungen, Trimm-Dich-Pfad, Sportverein, Kurort, Volkshochschule usw. Hier stellen sich Fragen nach dem Charakter, der Wirkung und Auswirkung des Ortes auf Angebot und Nachfrage.

Im Fokus der Tagung sollen vor allem die Praktiken der Prävention, die Implementierung von Präventionsangeboten und ihre Inanspruchnahme seit dem Ende des Ersten Weltkriegs stehen. Der zeitliche Schwerpunkt wird allerdings auf der Zeitgeschichte nach 1945 liegen. Beim Untersuchungsraum ist nicht nur an (Ost- und West-)Deutschland gedacht, andere Länder und Kulturen sind ebenso willkommen. Wir bitten um eine sozialhistorische Perspektive, auch wenn Beiträge aus anderen Disziplinen sehr erwünscht sind.
Für jeden Beitrag stehen 45 Minuten zur Verfügung, 20 Minuten für den Vortrag und 25 Minuten für die Diskussion. Die Tagungssprache ist Deutsch, einzelne Vorträge können auch auf Englisch gehalten werden. Bahnreise- und Aufenthaltskosten werden übernommen.

Anmeldung
Die Abstracts mit rd. 400 Wörtern Länge sollen die Fragestellung, Methoden und Quellen besonders hervorheben und außerdem den Titel des Vortrags sowie Name und Anschrift des Verfassers bzw. der Verfasserin enthalten. Bitte schicken Sie sie bis spätestens 27. Mai 2012 per Post oder E-Mail an Sylvelyn Hähner, Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Straußweg 17, 70184 Stuttgart, oder sylvelyn.haehner@igm-bosch.de. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden bis zum 18. Juni benachrichtigt.

Programm

Kontakt

Sylvelyn Hähner-Rombach

Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Straußweg 17
70184 Stuttgart
0711 460 84 169
0711 460 84 181

sylvelyn.haehner@igm-bosch.de

http://www.ihm-bosch.de
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung