'Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere'. Der Ullstein Verlag in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts

'Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere'. Der Ullstein Verlag in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts

Veranstalter
Juniorprof. Dr. des. David Oels / Prof. Dr. Ute Schneider, Institut für Buchwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltungsort
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.04.2013 - 27.04.2013
Deadline
30.05.2012
Website
Von
Oels, David

"Der ganze Verlag ist einfach eine Bonbonniere", berichtete der Verlagsvertreter des Münchner Georg Müller Verlags Mitte der1920er Jahre entnervt über die dominante Marktpräsenz des Ullstein Verlags. Er biete seinen Lesern Süßwaren für jeden Geschmack, ansprechend verpackt und in betörender Überfülle, so dass das literarische Schwarzbrot aus dem eigenen Haus dagegen nicht ankommen könne. In der Tat erreichte Ullstein (1938-1945 Deutscher Verlag, 1946-1952 Verlag des Druckhauses Tempelhof/Ullstein Verlag Wien) in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, insbesondere aber in den Jahren der Weimarer Republik eine markt-, vor allem aber die öffentliche Wahrnehmung beherrschende Stellung im Bereich der Printmedien. Die "Berliner Illustrirte" war die erste und auflagenstärkste illustrierte Wochenzeitung, der "Querschnitt" eines der meist verkauften intellektuellen Zeitgeistmagazine, mit der "Vossischen Zeitung" gehörte die älteste bürgerlich-liberale Tageszeitung zum Verlag und 1929 gelang dem Buchverlag mit "Im Westen nichts Neues" einer der größte deutschsprachigen Bucherfolge überhaupt. Ullstein gehörte bis in die dreißiger Jahre zu den führenden Medienkonzernen Europas.

Bereits1934 wurde der Verlag enteignet und mittelbar dem Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf. zugeschlagen, jedoch blieben, ebenso wie nach dem Zweiten Weltkrieg, viele der leitenden und das Unternehmen prägenden Mitarbeiter auf ihren Posten. Weder 1934 noch 1945 kann also von einem kompletten Bruch in der Verlagstradition ausgegangen werden, wiewohl die Besitzverhältnisse und damit auch die Führung des Unternehmens sich änderten, um von Programm und inhaltlicher Ausrichtung zu schweigen.

Der Verlag war nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil er einerseits oft hochinnovativ an die neuesten kulturellen, gesellschaftlichen, medialen, ökonomischen, technischen und politischen Entwicklungen anzuknüpfen wusste. Das galt für die Modernisierung des Maschinenparks, die frühzeitige Vermarktung von Filmrechten, die Gründung der ersten modernen Frauen- und Jugendzeitschriften, die Ratgeber zu Haushaltsfragen und die legendären Ullstein-Schnitte in Zeiten von Inflation und Wirtschaftskrise, für Sprachlernprogramme und günstige Unterhaltungsliteratur. Andererseits gründete der Erfolg des Verlags auch im konsequenten Ausnutzen der Verwertungskette für Texte und Bilder. So sollten Ullstein-Romane stets für den sukzessiven Vorabdruck, den Buchdruck und eine spätere Verfilmung geeignet sein, das Anwachsen populärwissenschaftlicher Beiträge in den Zeitungen und Zeitschriften zog folgerichtig verlagseigene Sachbuchreihen nach sich, darunter die "Du und . . ."-Reihe, die über Jahrzehnte erfolgreich blieb, und der Ullstein Bilderdienst versorgte zunächst die Publikationen des eigenen Hauses mit Fotografien, dann aber gegen nicht geringe Lizenzgebühren zunehmend die gesamte Medienlandschaft Deutschlands und Europas.

Dieser inhaltlichen, programmatischen und medialen Vielfalt, die Ullstein nicht selten den Vorwurf opportunistischer Indifferenz eintrug, den unternehmensinternen Verflechtung sowie den Wechselwirkungen mit den kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in interdisziplinärer Perspektive nachzugehen, ist das Ziel der Tagung. Rahmendaten, die jedoch begründet auch überschritten werden können, sind die Gründung des Buchverlags 1903, mit dem Ullstein die verlagseigene Verwertungskette begründete, und die Restitution des Verlags 1952 sowie die Übernahme der Ullstein-Mehrheit durch Axel Springer 1959. Erwünscht sind Beiträge zu einzelnen Publikationsorganen, Verlagen und Unternehmensbereichen des Konzerns, zu bestimmenden oder auch exemplarischen Publizisten, Lektoren, Redakteuren, Autoren, Herstellern, Vertretern und Propagandisten, zur Programmatik, zu inhaltlichen Konzepten oder repräsentativen Publikationen, zur öffentlichen Wahrnehmung und zur am konkreten Beispiel verhandelten kultur-, literatur-, medien- und sozialgeschichtlichen Relevanz des Verlags und seiner Geschichtsschreibung.

Ausdrücklich verzichtet wird auf eine disziplinäre Eingrenzung, erwünscht sind literatur-, geschichts- und kulturwissenschaftliche ebenso wie buch-, medien- und kommunikationswissenschaftliche, oder kunst-, wissens- und wirtschaftsgeschichtliche Beiträge. Besonderer Wert wird auf innovative methodische Ansätze im Umgang mit Verlagen und ihrer Geschichte, auf die Auswertung bislang unerschlossener oder nicht bekannter Materialbestände und die Erforschung von Verlagsbereichen, die noch nicht im Fokus der Aufmerksamkeit lagen.

Ihr Exposé für einen halbstündigen Vortrag senden Sie im Umfang von maximal 3.500 Zeichen bitte bis zum 30. Mai 2012 an JProf. Dr. des. David Oels (oels@uni-mainz.de) oder Prof. Dr. Ute Schneider (uschneid@uni-mainz.de). Reisekosten und Unterkunft werden, verfügbare Mittel vorausgesetzt, für die Referentinnen und Referenten übernommen. Ausgewählte Ergebnisse der Konferenz werden in der Schriftenreihe des "Archivs für Geschichte des Buchwesens" veröffentlicht.

Programm

Kontakt

Juniorprofessor Dr. des. David Oels

Institut für Buchwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
D-55099 Mainz
Tel. ++49-6131-3920094

eMail oels@uni-mainz.de