'Lebensbilder, die Zukunft zu bevölkern.' Von Rahel Levins Salon zur 'Sammlung Varnhagen'

'Lebensbilder, die Zukunft zu bevölkern.' Von Rahel Levins Salon zur 'Sammlung Varnhagen'

Veranstalter
Varnhagen Gesellschaft e. V. in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V., der Gleichstellungsstelle Siegen und 'Kultur Siegen'
Veranstaltungsort
Städtische Galerie Haus Seel, Kornmarkt 20, 57072 Siegen
Ort
Siegen
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.03.2012 - 25.03.2012
Deadline
25.03.2012
Von
Nikolaus Gatter

"Heute starb hier der Kammermusikus Franz Xaver Semler, beinahe fünfundachtzig Jahre alt", notierte Karl August Varnhagen von Ense am 27. Februar 1857: "Er spielte die Bratsche im Quartett Friedrich Wilhelms des Zweiten, war beim Prinzen Louis Ferdinand, beim Fürsten Anton Radziwill etc. und galt für einen der Ersten in seinem Fach. Ich sah ihn sehr oft im Cohenschen Hause Münzstraße 20, wo er gleichfalls im Quartett des Hausherrn theilnahm. Erst durch seinen Tod erfuhr ich, daß er noch bis dahin gelebt hatte. Wer weiß noch von diesem Gesellschaftskreise...? Nur Wilhelm Neumann, Heinrich von Kleist, Chamisso haben ihre Namen in die Litteratur hinein gerettet."
Dass sich das Salonleben um 1800 auf die Zirkel von Rahel Varnhagen und Henriette Herz beschränkt hätte, dass Berliner Juden nach einem Wort Hannah Arendts "wie Kinder wilder Völkerstämme aufwachsen" konnten, darf sweit der Wiederentdeckung der Sammlung Varnhagen in den 1980er Jahren und durch neuere Forschungsabeiten wie die von Hazel Rosenstrauch ("Varnhagen und die Kunst des geselligen Lebens", 2003) oder Hannah Lotte Lund '("Die ganze Welt auf ihrem Sopha", 2004) als widerlegt gelten.

Philippine Cohen, die Enkelin des Arbeitgebers von Moses Mendelssohn, empfing in ihrem Salon Kleist und Schleiermacher, aber auch Musiker wie Muzio Clementi oder die Pianistin Amalie von Seiler, spätere Gröbenschütz. Als Hauslehrer der Familie lernte der Student Varnhagen hier seine später Ehefrau Rahel Levin kennen und gründete mit deren Bruder Ludwig Robert, Adelbert von Chamisso, Friedrich de la Motte Fouqué und anderen den "Nordsternbund". Das Haus Cohen ist jedoch nur ein Beispiel für die gesellige Vielfalt Berlins in der romantischen Ära. Der Salon der gleichfalls vergessenen Henriette Solmar, den Max Ring in seinen Memoiren schilderte, wurde Ende der 1820er Jahre ins Leben gerufen. Im Haus der Preußischen Bank, zwischen Zeitungshalle und Gendarmenmarkt gelegen, war er jahrzehntelang eine der wichtigsten Nachrichtenbörsen Berlins und sollte bis Mitte der 1860er Jahre überdauern.

Anlässlich der "Woche der Brüderlichkeit" veranstaltet die Varnhagen Gesellschaft gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V. und 'Kultur Siegen' eine Aussstellung zur Geschichte der Sammlung Varnhagen und zur Salonkultur um 1800. Gezeigt werden Leihgaben aus der Staatsbibliothek zu Berlin, Autographen und Erstausgaben sowie Kunstwerke, die auf Rahel Varnhagen und die Salon- und Briefkultur der Zeit Bezug nehmen. Neben Porträts von Ludmilla Assing, Max Ring und Henriette Solmar sind Scherenschnitte, Visitenkarten und Briefe der Salongäste zu sehen, u. a. das Manuskript zu Ludwig Roberts "Promenaden eines Berliners in seiner Vaterstadt" und ein Fragment aus dem hebräischen Testament von Rahels Mutter. In acht Stationen wird die Geschichte der Überlieferung und Publikation von Lebenszeugnissen aus dem Varnhagenschen Kreis nachvollzogen, bis hin zum Versuch seiner Auslöschung aus der deutschen Literaturgeschichte durch die NS-Germanistik und zur Auslagerung der Sammlung nach Schlesien, was dazu führte, dass die Sammlung mit Kunstwerken, Büchern und Hunderttausenden von Briefen bis heute als prekäres Erbe zwischen den Staatsbibliotheken von Berlin und Krakau geteilt ist.

Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre mit CD von Marlies Obier, die eine Hör-Installation unter dem Titel "von Natur aus frei - Der romantische Salon" ausrichtet.

Programm

4. März, 16.00 Uhr
Ausstellungseröffnung

Begrüßung: Werner Stettner (Kath. Vorsitzender der CJZ Siegerland)
Grußworte: Paul Breuer (Landrat, Schirmherr der Woche der Brüderlichkeit)

Jens Kamieth (MdL, stellv. Bürgermeister der Stadt Siegen)
Einführung: Dr. Nikolaus Gatter (Vorsitzender der Varnhagen Gesellschaft Köln)

Rezitationen: Dr. Marlies Obier und Werner Stettner
- Anschließend Führung durch die Ausstellung -

8. März, 19.00 Uhr
Marlies Obier: "Frauen sind vollendeter als wir" (Novalis).Die Romantik findet ein neues Frauenbild.

Anlässlich des Weltfrauentages liest Dr. Marlies Obier (Siegen) aus ihrem neuen Buch: "Luftschiffer und Lichtpoeten". Das Leben der Romantiker.

- Anschließend Führung durch die Ausstellung -

18. März, 11.00 Uhr
Jahresversammlung der Varnhagen Gesellschaft e. V.

18. März, 13.00 Uhr
13.00 Richard Speich: Der lange Weg zu Philippine Cohen. Ein Werkstattbericht
Richard Speich stellt dieJahresgabe 2011 der Varnhagen Gesellschaft vor. Es handelt sich um die Biographie der Berliner Saloniere Philippine Cohen: "Eine Frau von großem Verstand und noch größerer Herzensgüte"

- Anschließend Führung durch die Ausstellung -

Der Eintritt ist jeweils frei, eine Anmeldung nicht erforderlich

Kontakt

Dr. Nikolaus Gatter

Varnhagen Gesellschaft e. V.
Hausweilerstraße 2, D-50968 Köln
++49 (0) 221 16 81 27 18
++49 (0) 221 16 81 27 18
gesellschaft@varnhagen.info

http://www.varnhagen.info
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Deutsch
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