Autorität und Autorschaft zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Workshop der DFG-Projektgruppe 'Fachwissen und Öffentlichkeit'

Autorität und Autorschaft zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Workshop der DFG-Projektgruppe 'Fachwissen und Öffentlichkeit'

Veranstalter
Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT) der Universität Bielefeld
Veranstaltungsort
Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF)
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.02.2012 - 17.02.2012
Website
Von
Safia Azzouni

Expertise, Regulierungswissen und Populärwissenschaft sind Phänomene, in denen sich ein Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und Öffentlichkeit vollzieht. Dieser Austausch findet zu einem großen Teil über Texte statt. Lexikon- und Handbuchartikel bündeln den aktuellen wissenschaftlichen Wissensstand auch für Lesergruppen außerhalb der engeren Fachwissenschaft. Populärwissenschaftliche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie Sachbücher sensibilisieren eine breitere Öffentlichkeit für aktuelle Themenkomplexe. Empfehlungsschreiben, Gutachten oder weiteres fallspezifisches Informationsmaterial werden von Gremien als Grundlage für politische und ökonomische Entscheidungsprozesse in Auftrag gegeben.

An solche Texte wird ein hoher Wahrheits- und Geltungsanspruch gestellt. Sie haben eine Macht, die mit der Autorität derjenigen verknüpft ist, die als Autoren der jeweiligen Dokumente benannt werden. Die Autorschaft solcher nicht-fiktionalen Textsorten wurde bislang nur selten infrage gestellt. Anders als bei der Beschäftigung mit fiktionaler Literatur scheint es hier naheliegend, den Autor im Text bzw. den Autornamen über dem Text mit seinem realen Verfasser gleichzusetzen. Doch schon die Praxis der naturwissenschaftlichen Publikation zeigt, dass das Verhältnis komplizierter ist. Wenn z.B. alle Mitglieder einer Forschergruppe als Autoren genannt werden, ist der tatsächliche Verfasser nicht mehr greifbar. Wer hat die Verantwortung für das im Text Gesagte? Welche Rolle spielen metaphorische und rhetorische Elemente bei der Genese von Autorität und Autorschaft im nicht-fiktionalen Text? In welcher Weise beeinflusst eine außerhalb des Textes gewonnene Autorität des Autornamens die Entstehung und Wirkung des Dokuments?
Allgemein lässt sich sagen, dass Autorschaft im wissenschaftlichen Text kaschiert wird: Die Natur bzw. der jeweilige Untersuchungsgegenstand scheint als Faktum zum intendierten, jedoch heterogenen Publikum, der wissenschaftlichen Gemeinschaft, zu sprechen. Fachliche Autorität steht hier unter dem Vorzeichen von Authentizität und Objektivität. Letzteres wird auch vom Expertentext erwartet. Die Kommunikationssituation ist jedoch eine andere: Ein Experte spricht als Autor zu seinem Auftraggeber, demjenigen also, der ihm, bezogen auf eine konkrete Fragestellung, Autorität zuweist. Welche Faktoren tragen hier zur Autorität des Experten bei: Sind es seine Fähigkeiten als spezialisierter Wissenschaftler, als Vermittler, als Funktionär – oder als Autor? Welche Rolle spielen die Autorität und Autorschaft des Experten in einer Hierarchie der Autorität im politischen und ökonomischen Entscheidungsprozess? Wie wird Autorschaft im Grenzbereich von Wissenschaft und Öffentlichkeit strategisch eingesetzt? Macht wiederum fachwissenschaftliche oder journalistische Autorschaft die Träger des Autornamens zu Autoritäten im Anwendungskontext z.B. der Expertise?

Das Wechselspiel von Autorschaft und Autorität zeigt in der longue durée der Geschichte starke Konsequenzen für den Status der Wissenschaft in der Gesellschaft aber auch für die Produktionsbedingungen wissenschaftlichen Wissens. So argumentierte Galileo Galilei zu Beginn des 17. Jahrhunderts, dass nur einer speziellen, durch Kenntnis und Anwendung der mathematisch-experimentellen Methodik ausgezeichneten Gruppierung die nötige Autorität (und damit auch das Recht auf Autorschaft) zukäme, für die Natur zu sprechen. Heute stellt sich auch angesichts der technischen Möglichkeiten der neuen Medien und der davon ausgelösten kulturellen Praktiken die Frage, in welchem Umfang sich Autoritätszuschreibungen von klassischen Autorschafts- und Originalitätsvorstellungen sowie methodologischen Idealen entfernen.

Programm

Donnerstag, 16.02.
11:00 Begrüßung und Einführung, Carsten Reinhardt (Bielefeld)

11:15 Safia Azzouni (Berlin): Autorität und Autorschaft in der Populärwissenschaft

12:15-14:00 Mittagspause

14:00 Stefan Böschen / Willy Viehöver (Augsburg): Narrative Autorität und Wissensproduktion

15:00: Martina Franzen (Bielefeld): Ehre, wem Ehre gebührt – Zur Definitionspraxis wissenschaftlicher Autorschaft

16:00-16:30 Kaffeepause

16:30 Niels Taubert (Bielefeld): Open Source Software: Persistenz von Autorschaft unter ungünstigen Bedingungen

17:30 Christina Brandt (Bochum): tba

Freitag, 17.02.
9:30 Thomas Steinhauser (Bielefeld): Galilei als Gutachter? Eine neue Lesart des Briefes an Christine von Lothringen

10:30 Uwe Wirth (Gießen): Der Philologe als Autor zweiter Ordnung

11:30 Kaffeepause

12:00 Felix Steiner (Zürich): Prognostische Autorität und Autorschaft: Darstellungsmuster in Klimaberichten im Vergleich

13:00-14:30 Mittagspause

14:30 Cornelia Altenburg / Wolfgang Krohn (Bielefeld): „Die Strahlenschutzkommission empfiehlt...“ – Konstruktion und Identität einer institutionellen Autorität

Organisation: Safia Azzouni und Carsten Reinhardt
Anmeldung bei Petra Gutwald, email: office@iwt.uni-bielefeld.de

Kontakt

Safia Azzouni

Institut für deutsche Literatur der HU Berlin
Dorotheenstr. 24, 10117 Berlin

safia.azzouni@hu-berlin.de


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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