Fortschritt. Bildung. Kultur. Kritische Theorie heute

Fortschritt. Bildung. Kultur. Kritische Theorie heute

Veranstalter
Arbeitsgruppe Kritische Theorie am GGK/GCSC an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltungsort
Alexander-von-Humboldt-Haus (Gästehaus der JLU), Rathenaustraße 24, 35394 Gießen
Ort
Gießen
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.07.2012 - 06.07.2012
Deadline
27.01.2012
Von
Dipl.-Soz.Wiss. Jennifer Ch. Müller für AG Kritische Theorie, GGK/GCSC an der JLU Gießen

Call for Papers:

Fortschritt. Bildung. Kultur. Kritische Theorie heute
05.07.2012, 14 Uhr bis 06.07.2012, 20 Uhr
GCSC und GGK, Justus‐Liebig‐Universität Gießen

In der Kritischen Theorie ist der Begriff der Kultur mit der erhofften Befreiung ebenso innig verbunden wie mit der Gefahr der Erstarrung. Spätestens seit der Erfahrung von Auschwitz dominiert die Herausarbeitung des herrschaftlichen Charakters von Kultur: In ihr sei die Unterdrückung der inneren und äußeren Natur sowie die Herrschaft des Menschen über den Menschen ebenso angelegt wie der Rückfall in unvermittelte Gewalt. Jedoch hält insbesondere Adorno an dem Gedanken an Emanzipation, an die befreite Gesellschaft fest. Dabei misst die Kritische Theorie der Kultur eine zentrale Rolle zu: Als Sphäre der Reflexion von Herrschaft ebenso wie als mögliche Statthalterin der Hoffnung auf Emanzipation. Befreiung wird nicht als Befreiung von der Kultur, sondern als Reflexion der Kultur auf ihre unterdrückerischen Züge verstanden. Dies trennt die Texte der Kritischen Theorie deutlich von der konservativen Kulturkritik deutscher Romantiker, mit der sie immer wieder in eins gesetzt wird.
Diese doppelte Bedeutung des kritisch‐theoretischen Kulturbegriffs bildet den Ausgangspunkt der Konferenz Fortschritt. Bildung. Kultur. Kritische Theorie heute. Ihr Interesse konzentriert sich anhand der drei Themenfelder auf die Frage, inwiefern die aktuelle sozial und kulturwissenschaftliche Forschung von den kritisch‐theoretischen Ansätzen profitieren kann und inwieweit die Kritische Theorie angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher und gesellschaftstheoretischer Entwicklungen zu aktualisieren wäre.

Es werden für jedes Panel 3 Vorträge ausgewählt. Die Beiträge sollten eine Länge von 25 Minuten nicht überschreiten, an die sich eine Diskussionszeit von weiteren 25 Minuten anschließen wird. Abstracts sollen nicht länger als 300 Wörter sein und Kontaktinformationen beinhalten.

Sie sollen im pdf‐Format bis zum 27.01.2012 an Kritische‐Theorie‐Konferenz‐2012@gmx.de geschickt werden. Die Betreffzeile sollte den Titel des anvisierten Panels beinhalten. Beiträge aus allen Disziplinen sind willkommen. Die ausgewählten Vorträge werden bis zum 10.03.2012 bekannt gegeben. Es besteht die Möglichkeit einer Fahrtkostenerstattung.

Panel I:
Kultur, Zivilisation und Fortschritt in der Kritischen Theorie
In der Dialektik der Aufklärung entwerfen Adorno und Horkheimer eine Kulturtheorie, die den Prozess der Zivilisation aus der Gleichzeitigkeit von Regression und Fortschritt zu erklären versucht. Innerhalb dieses geschichtsphilosophischen Paradigmas stellt sich für eine Kritische Theorie der Kultur die Aufgabe, Wege aus der Verstrickung von Aufklärung und Mythos zu suchen, um „die Zivilisation positiv über sich hinauszutreiben. Hat einmal die Zivilisation so sich ausgebreitet und befreit, daß es keinen Hunger mehr auf der Erde gibt, dann wird sie das erfüllen, was alle Kultur bis heute vergebens nur versprach“ (in: Kultur und Zivilisation).
Beiträge können aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Kritischen Theorie erörtern, um deren Potential und Grenzen als eine mögliche Form zeitgenössischer Kulturkritik zu erschließen. Ebenso können dezidiert theoretische Zugänge zum Thema oder kontextualisierende Lesarten der betreffenden Texte vorgeschlagen werden.
Angesichts gegenwärtiger technischer und sozialer Entwicklungen stellt sich die Frage nach Potential und Implikationen eines solchen Zivilisationsbegriffs. Ist er noch haltbar oder gar notwendig für eine kritische Theorie der Kultur?
Im Kontext aktueller globalisierungs‐ und kulturtheoretischer Debatten interessiert sich die Sektion für die Relevanz, Aktualität und Anschlussmöglichkeit des Kulturbegriffs der Kritischen Theorie: Worin liegt sein spezifisches Potential für aktuelle gesellschaftliche und kulturwissenschaftliche Fragestellungen?
Welche Einsichten der zeitgenössischen Kulturforschung erlauben oder verlangen neue Lesarten der Kritischen Theorie?

Panel II:
Kritische Theorie der Bildung
In den bildungstheoretischen Schriften von Adorno und Horkheimer werden die Begriffe der Bildung und Erziehung nahezu synonym verwendet. Bildung wird hier verstanden als Prozess mit dem Ziel der Erfahrungsfähigkeit und Mündigkeit. Bildungsprozesse sollen zum kritischen Bewusstsein – die Erziehung zu Anpassung und Widerstand – führen. Dabei steht die Entbarbarisierung der Menschen im Fokus. Adorno konstatiert: „Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen“ (in: Minima Moralia).
Die Beiträge in diesem Panel können – unter anderem, aber nicht ausschließlich – folgende Fragen thematisieren:
Was wird in der Kritischen Theorie unter dem Begriff der Bildung verstanden?
Welche Rolle spielt Bildung für das politische/demokratische Bewusstsein?
Inwiefern stehen Bildung und Erfahrung in einem interdependenten Verhältnis?
Welche normativen Vorstellungen von Gesellschaft stecken hinter dem Begriff der Bildung der Kritischen Theorie?
Kann das Bildungsverständnis der Kritischen Theorie in Zeiten von G8 und Bologna noch bestehen?

Panel III:
Kulturelle Differenz im Spiegel Kritischer Theorie
Der Kulturbegriff der älteren Kritischen Theorie ist ausdifferenziert durch das in ihm ausgearbeitete Verhältnis von Herrschaft und Befreiung, von Zivilisation und Barbarei. Die neuere Kritische Theorie legt im Gedanken an kulturelle Differenz eine stärkere Betonung darauf, dass Kultur nicht nur im Singular existiert. Beide Denkrichtungen ziehen aus unterschiedlichen Gründen den Vorwurf des Eurozentrismus auf sich. Adorno zeigt jedoch bereits früh eine Herangehensweise an einen Kulturbegriff auf, der einen differenzierten, stets auf Freiheit orientierten Umgang gestattet. Eine Aktualisierung der Kritischen Theorie kann eine Brücke zwischen Adornos universalistischem Kritik‐ und Freiheitsbegriff einerseits und der Realität differenter Vorstellungen andererseits schlagen. Nicht zurückfallen darf sie hinter sein Insistieren: „[E]s kommt darauf an, daß man am eigenen wie am anderen des kritischen Gedankens mächtig bleibt“ (in: Kultur und Culture), denn nur „solche Gedanken haben eine Chance, […] welche die Idee der Kultur nicht weniger herausfordern als die Wirklichkeit der Barbarei“ (in: Spengler nach dem Untergang).
Die Beiträge in diesem Panel können folgende Fragen thematisieren:
Inwiefern bieten die kulturtheoretischen Texte der älteren Kritischen Theorie einen Ansatzpunkt für die Thematisierung aktueller Debatten um Kultur und kulturelle Differenz?
Inwiefern ist die Kritische Theorie als Produkt europäischer Geistesgeschichte in ihrem Geltungsbereich eingeschränkt und bedarf angesichts universalismuskritischer und postkolonialer Literatur einer Revision?
Inwiefern sind umgekehrt heutige Debatten um kulturelle Differenz nach den Maßgaben Kritischer Theorie selbst problematisch?
In welchem Verhältnis stehen die anerkennungstheoretischen und kommunikationstheoretischen Ansätze der neueren Kritischen Theorie zur älteren Kritischen Theorie, insbesondere in der Frage nach Umgangsmöglichkeiten mit kultureller Differenz?

Programm

Kontakt

Dipl.-Soz.Wiss. Jennifer Ch. Müller

International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an JLU Gießen
Alter Steinbacher Weg 38, 35394 Gießen

Kritische-Theorie-Konferenz-2012@gmx.de

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Deutsch
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