An die modernen Informationstechnologien ist seit ihrer Entwicklung und Markteinführung die Hoffnung geknüpft worden, dass sie neben der bloßen Verbreitung von Informationen zugleich der Verständigung in einem weiteren, das menschliche Zusammenleben befördernden Sinne dienen werden. In der Tat hat die Informatisierung von Wirtschaft und Gesellschaft neue Formen einer „wissensbasierten Lebensführung“ generiert, die Einfluss- und Partizipationsmöglichkeiten radikal zu verändern scheinen. Sie hat zudem bewirkt, dass die globalen Verflechtungen enorm zugenommen haben und in vielen Marktsegmenten kooperative und konkurrierende Beziehungen zu Co-opetitons verschmelzen. Da einzelne Unternehmen sich unter diesen Bedingungen als verlässliche Partner erweisen müssen, lässt sich von einer „Moralisierung der Märkte“ (Nico Stehr 2007) sprechen.
Spätestens seit der Demokratiebewegung in der arabischen Welt rücken die modernen Kommunikations- und Informationstechnologien erneut als Motor auch der politischen Entwicklung in den Fokus. Internet, Soziale Netzwerke und Dienste wie Twitter scheinen die klassische Demokratie nicht nur in ihrer Verbreitung zu unterstützen, sondern zugleich zu verändern. An die Stelle von hierarchisch organisierten Parteien treten nun ad-hoc-Netzwerke, die Demonstrationen, Boykotte oder Flashmobs quasi aus dem Nichts heraus entstehen lassen. Das Wort von einer Democracy 2.0 macht die Runde.
Will man die Auswirkungen der Informationstechnologien auf moderne Gesellschaften und deren demokratische Strukturen wirklich verstehen, empfiehlt sich vor diesem Hintergrund ein umfassender theoretischer Zugriff. Nico Stehr hat mit dem von ihm geprägten Begriff der „Wissensgesellschaft“ einen Vorschlag vorgelegt, der weltweit breit rezipiert wurde und sich für die Analyse des Verhältnisses von Informationstechnologien, Wissen und Demokratie eignet. Die technische Aufbereitung und Verbreitung von „Wissen“ ist aus dieser Perspektive eine wesentliche Dimension der Selbststrukturierung von Gesellschaften. Hier setzt der Meisterkurs des diesjährigen Fellows der Alcatel-Lucent Stiftung für Kommunikationsforschung ein. Unter dem Thema „Wissen und Demokratie: Ist die Freiheit eine Tochter des Wissens?“ stellt Nico Stehr seine neuesten Forschungsergebnisse vor und bietet den Teilnehmern des Meisterkurses eine attraktive Möglichkeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Prof. Dr. Nico Stehr ist seit 2004 Inhaber des Karl Mannheim Lehrstuhles für Kulturwissenschaften an der Zeppelin University, Friedrichshafen. Nach dem Studium der Soziologie und Ökonomie in Deutschland und den USA führten ihn zahlreiche Gastprofessuren und Fellowships an renommierte Forschungs-institutionen im In- und Ausland. Mit seinem 1986 erschienenen Buch The Knowledge Society (gemeinsam mit Gernot Böhme) hat er das Konzept der „Wissensgesellschaft“ vorgelegt, das im wissenschaftlichen, politischen und ökonomischen Kontext zum geflügelten Wort geworden ist. Weitere Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Klimawandelpolitik und Globalisierung. Nico Stehr ist Mitglied der Royal Society of Canada und der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Teilnahmebedingungen
Zum Meisterkurs eingeladen sind fortgeschrittene Studierende und akademische Nachwuchskräfte. Die Teilnehmerzahl ist auf 20 Personen begrenzt. Auf Antrag können die Fahrt- und Übernachtungskosten bezuschusst werden. Nach erfolgreicher Anmeldung erhalten die Teilnehmer weitere Informationen.
Der Abendvortrag am 1.12.2011 in der Stadtbibliothek Stuttgart ist öffentlich.
Bewerbung
Ihre Bewerbung für den Meisterkurs richten Sie bitte bis zum 25.10.2011 schriftlich mit einem tabellarischen Lebenslauf, Angabe Ihrer Studienfächer bzw. Abschlüsse sowie einem kurzen Motivationsschreiben an das IZKT der Universität Stuttgart (siehe Kontakt)