„Antifaschismus“. Legitimation und Lebenslüge der DDR

„Antifaschismus“. Legitimation und Lebenslüge der DDR

Veranstalter
Horch und Guck. Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur
Veranstaltungsort
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.10.2011 -
Deadline
15.10.2011
Von
Horch und Guck. Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur

Heft 74 (4/2011)
„Antifaschismus“
Legitimation und Lebenslüge der DDR

Die Redaktion der Zeitschrift HORCH UND GUCK lädt für ihre am 1. Dezember 2011 erscheinende Ausgabe zu Beiträgen zum genannten Thema ein. 

Die SED hatte von Beginn an das Problem, ihre Herrschaft zu legitimieren. Der Antifaschismus bot eine solche Legitimation. Die Kommunisten konnten glaubhaft auf ihre Nazi-Gegnerschaft und die erlittene Verfolgung in der NS-Zeit verweisen, während die meisten Deutschen jegliche eigene Verantwortung für die NS-Verbrechen leugneten.

Die Gefolgschaft zur SED wurde für Mitläufer aller Art ein Weg, sich einerseits reinzuwaschen und andererseits gewohnte Verhaltensmuster nicht verlassen zu müssen. Walter Ulbricht formulierte das 1948 bei einer Innenministerkonferenz ziemlich deutlich: „Wir müssen an die ganze Masse der Werktätigen appellieren, auch an die nominellen Nazis, an die Masse der technischen Intelligenz, die Nazis waren. Wir werden ihnen offen sagen: Wir wissen, dass Ihr Nazis wart, wir werden aber nicht weiter darüber sprechen; es kommt auf Euch an, ehrlich mit uns mitzuarbeiten.“
Die SED-Propaganda stellte die DDR in die Tradition des „antifaschistischen Kampfes“ der Kommunisten. Die kämpften an der Seite der Roten Armee, gehörten zu den Siegern der Geschichte und der SED-Staat damit folgerichtig auch. Die dunklen Seiten der jüngsten deutschen Vergangenheit, „Faschismus, Militarismus und Imperialismus“ fanden sich hingegen nur in Westdeutschland. Man verwies gern auf die alten Nazis, die in der Bundesrepublik wieder in hohe Ämter gekommen waren. Zuweilen wurde hohen Repräsentanten der Bundesrepublik auch eine dunklere NS-Vergangenheit angedichtet, als sie wirklich hatten. Vielen Gutgläubigen in Ost- und West konnte die SED ihren „antifaschistischen“ Staat immerhin eine Zeit lang als „das bessere Deutschland“ verkaufen, in dem alte und neue Nazis gnadenlos verfolgt würden.
Gern nutzte die Propaganda auch die Möglichkeit, Gegner der SED-Diktatur als „Faschisten“ zu diffamieren. Die simple Logik, nach der die Kommunisten die besten Antifaschisten seien und daher jeder Antikommunist eigentlich Faschist, wurde allerdings in einem Maße strapaziert, dass es selbst für die Wohlmeinenden nicht mehr glaubhaft war. Kaum ein Zeitgenosse konnte die Umdeutung des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 zum „faschistischen Putschversuch“ nachvollziehen. Dass auch die Mauer zum "antifaschistischen Schutzwall" erklärt wurde, verhalf ihr nicht zu größerer Akzeptanz, wohl aber wurde der Begriff  "Antifaschismus" nachhaltig diskreditiert.
Für die heranwachsenden DDR-Bewohner zelebrierte die SED ihren Antifaschismus in den folgenden Jahrzehnten fast schon religiös und dies bis zum Überdruss. Das wurde von einer Mehrheit hingenommen, andere versuchten sich mit der deutschen Vergangenheit in Distanz zu den SED-Ritualen auseinanderzusetzen. Das galt der SED-Führung als gefährliche Tendenz, denn damit wurde das Deutungsmonopol an einem Legitimationsmythos angegriffen. Zudem stellten diese kritischen Nachgeborenen die Fragen danach, welche konkrete NS-Vergangenheit mancher spätere Systemträger in der DDR hatte.  Die unabhängige Aneignung der Geschichte stieß zwangsläufig auch auf die zahlreichen Tabuthemen, die so gar nicht mit dem einfachen antifaschistischen Weltbild kompatibel waren, wie beispielsweise die Auslieferung von Kommunisten durch die Sowjetunion an die Gestapo nach dem Hitler-Stalin-Pakt. Die Instrumentalisierung des Antifaschismus wurde immer stärker hinterfragt und verfing immer weniger. Da der SED die Legitimation ihrer Herrschaft ohnehin immer schwerer fiel, galt den Funktionären dieser Prozess zunächst viel gefährlicher als die in der DDR entstehende Neonazi-Szene. Diese fiel kurioserweise weitaus weniger aus dem verordneten Rahmen und ihre Existenz konnte deshalb auch lange erfolgreich vertuscht werden. Erst kurz vor dem Ende des SED-Staates war die Existenz von Neonazis in der antifaschistischen DDR nicht mehr zu verheimlichen. Das Problem sollte wie so viele mit polizeistaatlichen Mitteln gelöst werden. Die Medien berichteten nun über einige spektakuläre Verurteilungen, doch die Ursachen einer hausgemachten Neonazi-Szene durften sie nicht hinterfragen.
Auch wenn die DDR nun seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr existiert, der Antifaschismus dient bis heute als nachträgliche Legitimation des SED-Staats.
HORCH UND GUCK widmet sich im Schwerpunkt ihrer am 1. Dezember 2011 erscheinenden Ausgabe diesem Themenfeld. Die Redaktion ist interessiert an Beiträgen im Umfang von 20 000 Zeichen (siehe auch: Hinweise für Autoren) sowie an Fotos, Illustrationen, Dokumenten oder sonstigen Fundstücken.Gleichfalls sind uns weitere Artikelangebote zum Themenfeld Aufarbeitung der SED-Diktatur und anderer kommunistischer Diktaturen willkommen.

Bitte schicken Sie Abstracts mit einer Länge von ca. 1 000 Zeichen an die Redaktion. Redaktionsschluss für diese Ausgabe ist der 15. Oktober 2011. Wenn nötig, kann eine Verlängerung dieser Frist abgesprochen werden.

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