Akademische Wissenskulturen? Praktiken des Lehrens und Forschens vom Mittelalter bis zur Moderne

Akademische Wissenskulturen? Praktiken des Lehrens und Forschens vom Mittelalter bis zur Moderne

Veranstalter
Prof. Dr. Martin Kintzinger (Historisches Seminar, WWU Münster)/Dr. Sita Steckel, Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte
Veranstaltungsort
Kulturwissenschaftliches Institut Essen, Goethestr. 31, 45128 Essen
Ort
Essen
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.09.2011 - 15.09.2011
Deadline
01.09.2011
Von
Sita Steckel, Exzellenzcluster 'Religion und Politik', Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die Tagung nähert sich den titelgebenden akademischen Wissenskulturen in kritischer Selbstreflexion: Die Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte (GUW, http://www.guw-online.net) blickt auf über fünfzehnjährige erfolgreiche Arbeit zurück. In diesen Jahren hat sich auf den Feldern der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte vieles getan.

Nicht zuletzt drängt eine aktuelle Konjunktur des Begriffs des ‚Wissens’ sowie der ‚Wissensgeschichte’ zur Reflexion, denn von ‚Wissenskulturen’ ist derzeit viel die Rede – nicht zuletzt seit dem Aufkommen des politischen Schlagworts der ‚Wissensgesellschaft’ in der öffentlichen Diskussion des deutschsprachigen Raumes.

Dass die Begriffe des ‚Wissens’, der ‚Wissenskulturen’ und der ‚Wissensgesellschaft’ im akademischen Umfeld so häufig an prominenter Stelle auftauchen, hat wohl mit politischen wie mit wissenschaftspolitischen Tendenzen zu tun. Wie kaum etwas anderes verspricht das Insistieren auf ‚Wissen’ derzeit Lerngewinn, Orientierungskompetenz und Innovativität. Als alternatives Kapital konzipiert, lässt sich 'Wissen' nicht nur staatlichen und akademischen Geldgebern ‚verkaufen’, sondern auch solchen aus Wirtschaft und Politik.

Obwohl das gestiegene öffentliche und politische Interesse an ‚Wissen’ gerade in den letzten Jahren unübersehbar ist, hat das Thema in wissenschaftlicher Forschung und Wissensvermittlung an den Universitäten und sonstigen Institutionen freilich seit langem Konjunktur. Ein Blick in die Vergangenheit überzeugt schnell davon, dass die aktuelle Konjunktur nur eine weitere Etappe einer langen Geschichte ist, diverse Vorläufer kennt und zu ihrer eigenen Überwindung tendiert. Ein bilanzierendes Nachdenken über akademische Wissenskulturen vom Mittelalter bis zur Moderne drängt sich angesichts dieser Tatsache auf.

Und tatsächlich ist der Begriff des ‚Wissens’ in der Forschung, angeregt von seiner wachsenden Popularität, schon seit Jahren zu einer komplexen und ausführlich operationalisierten wissenschaftlichen Kategorie geworden. Um das produktive Feld neuerer Wissens- und Wissenschaftsforschung weiter auszumessen, ohne ‚Wissen’ und ‚Wissenskulturen’ als bloße Worthülsen zu verwenden, will die Tagung einen breiten Horizont historischer Entwicklungen vom Mittelalter bis zur Moderne eröffnen und methodologischer Diskussion und Reflexion ausreichend Raum geben.

Die Tagung fragt daher nach akademischen Wissenskulturen – also Wissenskulturen, in denen ‚wissenschaftsförmiges’ Wissen produziert, dargestellt und gegen anderes Wissen abgegrenzt wird. In der Fokussierung auf die Praktiken der akademischen Arbeit – die unweigerlich auch Praktiken der akademischen Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung sind – soll der besonderen Stellung akademischer Experten Rechnung getragen werden. Die einzelnen Vorträge sollen am Beispiel verschiedener exemplarischer Praktiken die stets prekäre Lage reflektieren, in der sich akademische Akteure zwischen eigenem Anspruch, politischer Anbindung und gesellschaftlichen Erwartungen befanden und befinden. Indem die Tagung Zugänge kulturwissenschaftlicher Wissenschafts-, Wissens- und Universitätsgeschichte zur Diskussion stellt, sollen in historisierender Perspektive auch Konjunkturen und Rhetoriken des ‚Wissens’ in akademischen Umgebungen hinterfragt werden.

Die Tagung ist für Interessierte offen; um Anmeldung wird gebeten.

Programm

Mi, 14. 9. 2011

Sektion I: Akademische Interessenlagen: Akteure und ihre Handlungsfelder, Moderation: Prof. Dr. Christian Hesse, Bern

14:00h Prof. Dr. Martin KINTZINGER / Dr. Sita STECKEL, Münster: "Einführung in die Tagung: Wissen, Kultur und Wissenskulturen des Mittelalters"

15:00h Prof. Dr. Marian FÜSSEL, Göttingen: "Lehre ohne Forschung? Die Praxis des Wissens an der Universität der Frühen Neuzeit"

16:00h Pause

16:30h Dr. Sonja Palfner, FU Berlin: "Digital Humanities – Wissenschaft in Arbeit"

18:30h Prof. Dr. em. C. Stephen JAEGER, University of Illinois (Urbana-Champaign): "Der vollkommene Mensch: Vorgeschichte und Vorbildlichkeit eines humanistischen Mythos im 12. Jahrhundert"

Donnerstag, 15.09.2011

Sektion II: Wissen zeigen und vermitteln: Praktiken des Lehrens, Moderation: Prof. Dr. Frank Rexroth, Göttingen

9:00h Dr. Sita STECKEL, Münster: "Lehre sichtbar machen. Praktische Konstitution von doctrina und theologischer scientia in mittelalterlichen Öffentlichkeiten"

10:00h Maximilian SCHUH, Münster: "Wein ist viel herrlicher als Bier. Strategien der Wissensvermittlung und –aneignung im universitären Rhetorikunterricht des Spätmittelalters"

11:00h Pause

11:30h Dr. Kasper R. ESKILDSEN, Roskilde: "Collegium privatissimum, Übung, Seminar: Zur Bedeutung des privaten Unterrichts für die Geschichtswissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert"

13:30h Mitgliederversammlung der GUW und Exkursion

Freitag, 16.09.2011

Sektion III: Wissen handhaben – Praktiken der Forschung und Wissensorganisation, Moderation: Prof. Dr. Mitchell ASH, Wien

9:00h Prof. Dr. Martin MULSOW, Erfurt/Gotha: "Prekäres Wissen: Ambivalenz und Risiko in Forschungspraktiken des 17. und 18. Jahrhunderts"

10:00h PD Dr. Martin GIERL, München: "Mit der Hilfe von Wissenschaften. Johann Christoph Gatterer und die Konstruktion der Geschichte im 18. Jahrhundert"

11:00h Pause

11.30h PD Dr. Peter HABER, Basel: "Praktiken des Digitalen. Neue Herausforderungen am Beispiel der Geschichtswissenschaften"

12:30h Prof. Dr. HELMUTH TRISCHLER, München: "Wissensgesellschaften und Expertenkulturen im Europa des langen 20. Jahrhunderts"

15:00 h Podiumsdiskussion zum Thema „Wissen zwischen Arcanum und Ware: Wieviel Öffentlichkeit braucht/verträgt die Wissenschaft?“

Kontakt

Manuela Blickberndt

Historisches Seminar, WWU Münster
Sekretariat Prof. Kintzinger
+49 (0) 251 83-24316
+49 (0) 251 83-24306

M.Blickberndt@uni-muenster.de

http://www.guw-online.net